Donnerstag, 1. Oktober 2015

Ragnarök

Das Schicksal der germanischen Götter am Ende der Welt, wurde in unserem Unterricht noch mit dem christlichen Welt-Untergang gleich gesetzt und da hieß Ragnarök eben Götterdämmerung. In der Jetzt-Zeit wird der Begriff auch von tätowierten Glatzen-Trägern genutzt, die gerne mit Keulen auf andere einschlagen und gänzlich andere Ziele haben.

In der "Edda" müssen die nordischen Gottheiten gegen eine Vielzahl von Ungeheuern angehen und verlieren dabei ihr Leben, um eine bessere Welt zu ermöglichen. Wem das bekannt vorkommt, wird auch in der Bibel fündig.

Als Agnostiker entdecke ich im Missbrauch der Mythologie natürlich ein Verhaltensmuster. Diejenigen, die dafür sorgen, dass es uns gruselt, haben aber meist nichts besseres im Sinn, als die urmenschliche Hoffnung auf ein Paradies zu entfachen, um möglichst viele zu Opfern Bereite zu rekrutieren. Das tun sie, um eigene, irdische Ziele leichter zu erreichen.

"Wenn die Reichen genug Geld haben, interessiert sie nur noch die Macht. Das ist das Grundübel der Weltgesellschaft", sagte die Zweitbeste gestern beim Frühstück und verglich dann das Einkommen unserer Kanzlerin mit denen der Führer diverser Schurken-Konzerne. Wir haben Frau Merkel beide nicht gewählt, kamen aber im Verlaufe des Weiterdenkens zu dem Ergebnis, dass dies wohl die fleißigste Person ist, die jemals dieses Amt inne hatte.

Und jetzt - mitten in den anderen Krisen, die sie zu meistern hofft - stellt sich heraus, dass der Wohlstand, um den uns die ganze Welt beneidet und der die Flüchtlingsflut ausgelöst hat, durch Zockerei und illegale Tricks gestützt wird.

Ausgerechnet die Dampframme unserer Wirtschaft, die Auto-Industrie mit ihren mächtigen Konzern-Bossen hat in einem Ausmaß betrogen, der die Betrügereien von Siemens, der Deutschen Bank und anderer Spitzen-Unternehmen noch weit in den Schatten stellt.

Wir Deutschen sind ja im Ausland stets bereit (davon nehme ich mich leider auch nicht aus), unsere eigenen Maßstäbe ohne Verhältnismäßigkeit an andere an zu legen. Unsere politisch denkenden, italienischen Nachbarn verstehen die Welt nicht mehr, dass ausgerechnet die Saubermann-Nation zu solchen Mitteln greifen muss, um noch mehr shareholder value zu erzielen und noch fetter an die Mauschel-Manager aus zu schütten.

Ein Bank-Insider hat mir kürzlich zu geraunt, dass die Deutschen Gläubiger-Banken in der Griechenland-Krise mit Steuer-Geld zum Null-Tarif in dem Auf und Ab der Börsen mehr abgezockt haben, als die bitterarmen Hellenen ihnen schulden.

Wir mögen ja in den Augen der Flüchtlinge und Asyl Suchenden Geld-Götter sein, aber sie werden mit uns Schrumpf-Germanen im Ragnarök untergehen, wenn die Administration unserer eisernen Kanzlerin nicht bald eine Art Fegefeuer zur Schadensbegrenzung startet. Allein, dass der Maut-Dödel Dobrindt daran beteiligt sein sollte, löst bei mir Horror-Schauer aus.


Liebe Leserinnen und Leser!
Dies war der letzte Brief von der Burg - für dieses Jahr. Vom Zauberberg mach ich mich auf den Weg ins Zocker-Paradies. Wie Ihr vielleicht bemerkt habt, habe ich genug Schaum vor dem Mund, um ab dem 12. Oktober wieder ganze Geröll-Halden aus dem Glashaus zu pfeffern. Bleibt mir gewogen und schreibt mir ruhig mal, wenn Ihr anderer oder gar gleicher Meinung seid.

Euer Burgbriefe-Blogger

Freitag, 25. September 2015

Selbstversuch mit Sarago

Einer der klassischen Speisefische Italiens, der Sarago, hat es in letzter Zeit zu sehr negativem Medien-Ruhm gebracht. Von den Top-Ten der Köche mit einem Preis von bis zu 30 Euro pro Kilo ist er auf 15 abgerutscht. Grund ist eine mysteriöse Infektion, die das Fleisch der Brasse bisweilen gelb verfärbt und ihm bei der Zubereitung eine gummiartige Konsistenz verleiht.

Um sicher zu gehen, wird der Sarago der meistens als Portionsfisch angeboten wird, von den Fischern vorgeritzt. Trotzdem sollte man sich ihn - auch im Restaurant - vorher persönlich ansehen.
Anders als sein Vetter, der Dentice (Zahnbrasse) hat der Sarago immer durch sein festes Fleisch einen besonderen Geschmack angesprochen. Vor langer, langer Zeit hat auf einem Club-Buffet in Sizilien ein Riesen-Exemplar mit entsprechend Furcht erregenden, großen Gräten gelegen, um das die ausländischen Gäste einen Bogen gemacht hatten, aber auf das sich die Italiener mit Begeisterung gestürzt hatten. Also hatte ich es ihnen nachgemacht, und mir ein paar Kotelett große "Lamellen" auf den Teller geladen. Mit Zitrone, Öl und leicht gesalzen, war das ein außergewöhnlicher Genuss.

Mein Fischer-Socio Paolo offerierte uns mal in seinem Strand-Restaurant in San Lorenzo von einem ebenfalls großen Exemplar, das er gerade gefangen hatte, rohe Scheiben - wie wir meinten - zum Abzocker-Preis. Bis er uns erzählte, dass so eine Portion in San Remo über 30 Euro als Vorspeise koste.

Gestern also ging ich - wie ich das ungezogener Weise immer mache - bei unserem favorisierten Grill-Restaurant am Hafen zum Küchen-Eingang und ließ mir vom Capo infrage kommende Fische zeigen. Darunter ein Sarago mit vorgeritztem Schuppen-Kleid durch das man herrlich weißes Fleisch schimmern sah. Ich konnte nicht widerstehen, und um dem Fass die Krone mitten ins Gesicht zu hauen, bat ich, ihn al ligure zu zubereiten; also im Ofen mit gleichzeitig gegartem Gemüse - in einem Grill-Restaurant (!?).

Der Fisch kam so perfekt zubereitet auf den Tisch, dass all die großartigen Erinnerungen an seine von mir mit Genuss verspeisten Artgenossen schlagartig wieder präsent waren. Selbst die "Zweitbeste", die lieber mit einem Branzino vom Grill auf Nummer sicher gegangen war, verdrehte bei einer Kostprobe die Augen.

Ein gelungener Selbstversuch mit Sarago also.
Hier ein letztes Foto von ihm:


Dienstag, 22. September 2015

Preis oder Lohn der Freiheit?

Obwohl ich mir durchaus bewusst bin, dass ich den begnadeten deutschen  Generationen angehöre, die ihr Leben in absoluter Freiheit führen können, stelle ich die Bedeutung dieses Begriffes angesichts der Weltgeschichte immer wieder in Frage.

Zu viele Menschen sind im Laufe der Zeit durch den gewaltsam erstickten Schrei nach ihr ums Leben gekommen. Selbst wenn sie - für wen auch immer - obsiegt haben, wie lange hat diese "Freiheit" dann gehalten?

Die, die Bastille erstürmt und den Blutrausch der Guillotine überlebt haben, mussten miterleben, wie ein paar Jahre später die Grande Nation durch einen kleinen, größenwahnsinnigen General wieder zum absolutistischen Kaiserreich wurde.

Der Bürgerkrieg der USA sollte die Sklaven befreien und Menschen aller Hautfarben die gleichen Rechte bescheren. Bis heute wird diskriminiert und auf offener Straße illegitime Polizei-Gewalt gegen Farbige ausgeübt.

Die Russen, die Glasnost und Perestroika erleben durften, werden wieder von einem kleinwüchsigen, machthungrigen Mann zur scheinbar alten Größe der glorreichen SU verführt. Dabei reichte es schon, dass sich ein paar Gewaltbereite auf der Krim nach ihrer "eigenen Freiheit" sehnten.

Auch als nach dem Deutschen Kaiserreich mit dem demokratisch gewählten Reichstag die deutsche Demokratie Gestalt annehmen wollte, dauerte es mal gerade anderthalb Jahrzehnte, bis der schnurrbärtige Gröfaz die Welt ins Unglück stürzte.

Und hätten die Garibalidi-Anhänger ihren Kampf für die Einigkeit und Freiheit Italiens mit der Perspektive geführt, dass Mussolinis Machtrausch der Demokratie Bella Italias wieder den Garaus macht?

Die bis heute in Blut getränkten, verfehlten Freiheiten Südamerikas erspar ich mir, um endlich zum Punkt zu kommen.

Als Ungarn vor dem Mauerfall die Grenzen für die Flüchtlinge aus der DDR öffnete, wurde damit der Eiserne Vorhang zerrissen und die Wiedervereinigung Deutschlands eingeleitet. Dieses ungarische Volk, desse Feiheitswillen 1956 von russischen Panzern überrollt wurde, ist in der Folge seiner demokratischen Entwicklung nun wieder näher an die alten Verhältnisse gerückt.

Flüchtlinge sind doch  in erster Linie Menschen, die Krieg und anderen untragbaren Verhältnissen daheim mit aller Kraft entrinnen und irgendwo Unterschlupf finden wollen, wo sie unbehelligt überleben können. In zweiter Linie sehnen sie sich nach geregelten Mahlzeiten, einem sicheren Dach über dem Kopf  und Sicherheit für ihre Kinder, die sie mit dem Ertrag eigener Arbeit groß ziehen möchten. Erst an letzter Stelle kommt dann die Freiheit. Wer gibt schon gerne seine Heimat auf?

Das derzeitige Phänomen ist ja nicht neu. Die USA hätten ihren beispiellosen Erfolg nicht erzielt, wenn ihnen nicht Millionen Flüchtlingen aus aller Welt bis heute in einer Art Schatten-Wirtschaft geholfen hätten. Liberty Enlightening The World, war dabei eher ein romantischer Paradigmen-Wechsel. Die Menschen erhofften sich einfach ein besseres Leben. So wie die Flüchtlinge, die nun in die vereinigten Staaten von Europa kommen.

Wenn die EU nicht scheitern will, muss sie eben ihre Maßstäbe verändern. Zwar gibt es nicht soviel Platz hier wie in den USA, dafür aber Potenzial.

Nehmen wir allein einmal die 60 Millionen Tonnen an Lebensmitteln, die in der EU alljährlich ungenutzt vernichtet werden. Die Milch- und Butter-Schwemme; Obst und Gemüse, das zur Stabilisierung der Marktpreise untergepflügt werden muss...

Und dann Ernten, die infolge von fehlenden Erntehelfern nicht eingebracht werden können.

Nicht nur hier oben in den Valli dell'Olio gibt es in solchen Regionen in den Dörfern  permanente Leerstände von Häusern; auch in Osthessen, Unterfranken oder den "blühenden Landschaften", die Dr. Helmut Kohl einst den "neuen Bundesländern" versprochen hat. Es wäre alles nur eine Frage der selektierten Verteilung. Es wäre eine Rückbesinnung der IT-Industrie-Gesellschaft auf die Ursprünge des Lebens.

Wenn Europa überleben will, dann kann es das gerade mit den vielen Flüchtlingen, weil sie uns aus der alles normenden Trägheit befreien und uns zwingen werden, mit Toleranz und Aufgeschlossenheit konzertiert unsere Ressourcen zu nützen. Dafür muss die Verteilungsstruktur, die sich allein auf Unterbringung und Versorgung konzentriert, erweitert werden.

Seien wir doch einfach so frei!

Freitag, 18. September 2015

Verloren im Irrgarten der Tele-Kommunikation

(Nicht ganz angemessene Satire in schrecklichen Zeiten)

Neulich erfuhr ich - aus dem Internet natürlich - dass das Porträt unserer Kanzlerin bei vielen Flüchtlingen auf den Smartphones als Startseite dient. Dieser Angela-Kult ist aus zweierlei Sicht bemerkenswert: Einerseits stimmt es hoffnungsfroh, dass Flüchtlinge ein Smartphone dabei haben, damit sie nicht gänzlich verloren gehen. Andererseits ist die Eiserne Kanzlerin ja unübersehbar eine Frau, die im arabischen Raum ja so wenig zählt, dass "Muselmann" ihr noch nicht einmal die Hand geben mag, und ihr das Autofahren und das Sitzen am Tisch untersagt. Unsere Kanzlerin dürfte dort ihre vielfarbigen Blazer ja nur unter der Burka tragen, und müsste sich um ihre "Lord-Helmchen-Frisur" wegen des obligaten Schleiers keine weitere Gedanken machen...

Satire war ja in schrecklichen Zeiten schon immer ein fragwürdiges Ventil. Aber ich kann mich gegen ein paar aufsteigende Fragen einfach nicht wehren, obwohl ich weiß, dass das GPS im Handy durchaus Leben retten kann. Zumal, wenn man irgendwo plötzlich auftauchenden Zäunen ausweichen muss und lieber durch trockene kroatische Maisfelder stapft, weil da vielleicht keine Minen mehr aus dem Balkan-Krieg vor zwanzig Jahren (!) liegen. - Sonst hätte sie ja der Bauer beim Pflügen schon ausgelöst.

Verzeiht mir also die Fragen.
Was für einen Provider habt ihr? Wie ladet ihr eure Geräte dauerhaft auf? Und die wichtigste: Werdet ihr sobald ihr die Grenze überquert auch dauerhaft mit Willkommens-Grüßen genervt.
Ich stell mir gerade vor, wie - wenn ihr es gerade noch geschafft habt,  durch den ungarischen Grenzzaun zu schlüpfen - das Cooperations-Netz eures Providers euch simst: Willkommen in Ungarn, wir bieten dir ein einmaliges Roaming an. Und wenn ihr schon längst von tätowierten Gulasch-Nazis einen über die Rübe bekommt, summt es wieder Willkommen, und dann mitten in einem Pferch, in dem ihr bei Bruthitze mit tausend anderen willkommen geheißen wurdet...

Das Schlimme ist leider, dass ich mich nicht nur für euch über diesen Erinnerungs-Terror aufrege, sondern auch für uns auf der Burg - obwohl wir wirklich wie die Maden im Speck leben. Der Empfang hier mag so schlecht sein, dass man für Tablet und Smartphone ewig lang suchen muss, um ein halbwegs funktionierendes Netz zu bekommen. Aber die schaffen es trotzdem immer wieder einen mit Nachrichten zu bombardieren und pfeifend oder summend auch mal mitten in der Nacht auf eine Aktualität aufmerksam zu machen, die unsereiner gar nicht wissen will.

Und wenn man dann entnervt aufgibt, weil man die Geräte wegen der Kinder und Verwandten daheim nicht ausstellen mag, dann kommt man in den Genuss dieser Segnungen, die in Deutschland ja unkompliziert upzudaten sind, nur indem sie versuchen, einem weitere persönlich Daten abzuzocken. Wehe du brichst das ab, dann hast du gleich wieder weiter neue Erinnerungen...

Zurück zu all den Flüchtlingen, die sich derzeit im Irrgarten der Tele-Kommunikation verloren fühlen: Haltet durch! Betet, dass sich eure Geräte nicht so schnell entladen wie die unsrigen und denkt an eure Verwandten in der fernen Heimat, auf deren Konten ja das Roaming geht, das in Europa trotz Union immer noch stattfindet....

Es wird und muss sich etwas ändern. Hier rund um die Burg werden die Oliven dieses Super-Sommers auf den Böden verfaulen, weil keiner der Alten sich die Erntehelfer leisten kann, die nach europäischem Standard bezahlt werden müssen, um den Preis schön hoch zu halten. Es sind genau diese Alten, die hier oben über jede Menge leerstehender Häuser verfügen...

Siehe meinen nächsten Post

Dienstag, 15. September 2015

Libeccio

Als es für diverse Seelen-Blähungen noch keine Psycho-Pharmaka gab, wussten die Alten hier in den Bergen noch wundersame Geschichten über die Auswirkungen dieses Südwestwindes zu erzählen.
Er brächte sowohl den Tod als auch das Leben.

Seinen Namen Libeccio erhielt der mystische Wind vom levantinischen Namen für Libyen, weil er genau aus der Richtung kam und bei höherer Geschwindigkeit roten Wüstensand mit sich führte. Ein guter Grund die Hausmauern in Ligurien rostbraun zu streichen oder den Naturstein nicht zu verputzen, denn wenn er ausnahmsweise auch Regenwolken aufstaut, dann sind hellere Tönungen bald hartnäckig rosa gestreift.

Wir jedenfalls haben unsere weiß abgesetzte Terrasse schon mehrfach neu streichen müssen, und das war gar nicht mystisch.

Schon bevor ich hier herzog, hatte ich vieles gelesen, in dem der Libeccio vorkam, denn wann immer fabelhaftes vorkommt, stürzen sich Dichter und Schriftsteller auf diese Geschichten, um deren Wunderlichkeit zu überhöhen.

Leben und Tod wurden dergestalt geschildert, dass während unter ihnen junge, unverheiratete Pärchen Liebe machten, über ihnen in den Kronen der Steineichen-Wälder die Leichen der Lebensmüden im Libeccio schaukelten...

Es wurde nie explizit erforscht, ob der Libeccio gerade im Herbst - wenn er besonders wirkungsvoll sein soll - zu mehr Geburten im Mai und Juni geführt hat oder gar die Suizid-Rate erhöht hätte. Es wird wohl so sein, wie mit dem Föhn in München der auch für allerlei Fehlverhalten verantwortlich gemacht wurde, ehe die Wissenschaft solchen Ur-Legenden den Wind aus den Segeln genommen hat.

Möglich ist, dass Druck empfindliche Menschen, sogenannte Wetterfühlige, vor allem diese Veränderungen wahrnehmen und auch den damit einhergehenden Temperatur-Wechsel nicht so gut verkraften. Der Rest wird durch die Phantasie gesteuert, und die sollte niemals unterschätzt werden.

Meine Empfänglichkeit, führt schon dazu, dass ich spätestens eine Viertelstunde, nachdem ich von den Symptomen einer seltenen Krankheit gelesen habe, sämtliche an und in mir entdecke. Da kann ich natürlich auch dem Libeccio nichts entgegen setzen.

Je nach Stimmungslage löst genau dieser Wind eine jubelnde Leichtigkeit in meiner Brust aus, während ich an manchen Tagen das Gefühl habe, die schwer gewordenen Luft nicht mehr einatmen zu können. Da ich ein Leben lang mit Depressionen und übersteigerten Hochs umzugehen gelernt habe, lasse ich den Libeccio einfach geschehen. Ja ich genieße ihn sogar. Ich beobachte, was er mit den Wolkenbergen anstellt und lasse meine übrig gebliebene Kreativität stimulieren. Das kann dann dabei heraus kommen:

Ich fuhr auf Wolkenschiffen

Wollt' ich Matrose werden.
Ward als zu leicht befunden.
Kein Leichtmatrose ohn' Gewicht!
Zog ich mit Wolkenherden
Und kam kaum über die Runden,
Denn Heuer wollt' ich nicht!

Aus Angst, ich würd' zu schwer,
Verzichte ich aufs Geld,
Heuerte an auf 'nem Wolkenschiff.
Segeln liebte ich doch gar zu sehr!
So ward ich zum großen Wolkenheld
wie die Welt zerschellt am Zeitenriff

Nun, unter vollen Segeln
Am blau geleckten Firmament
Treibt's mich Anker los dahin.
Verdammt von Kind und Kegeln
Und ohne wahres Testament...
Macht all das einen Sinn?

Wenn ja, dann doch nur den:
Wer selbst sich als zu leicht befunden,
Der darf sich nicht beschweren,
Wenn andere sich nicht unterstehen,
Ihm den Respekt noch zu bekunden
Und auch das Träumen ihm verwehren

Samstag, 12. September 2015

Der muntere Müllmann

Ganz Italien versinkt zur Zeit in Müll. Nur ein kleiner Burgberg, von dem weder die Gewerkschaften noch die Abfall-Beseitiger unter Maffia-Kontrolle je gehört haben, trotzt diesem Trend. Vor ein paar Jahren noch mussten sich die sauberen Burggeister manchmal schämen, wie es in den Gassen aussah:
Hunde-Kacke auf der Piazza, die die "Zweitbeste" entsorgte, Mülltüten, die nicht in die Tonnen, sondern aus Faulheit daneben platziert wurden.

Aber nun scheint ein Ruck durch den Borgo gegangen zu sein. Ein halbes Jahr ohne Hunde-Hinterlassenschaften und auch kein Müllbeutel in den Gassen. Vor einigen Jahren, wurden schon die Tonnen aus der Felsgrotte unter unserer Piazza verbannt, was wohl der Anfang für ein neues Müllkonzept der Gemeinde war. Jedenfalls sind wir jetzt selbst bei größter Hitze geruchsfrei. Den Sperr- und Sondermüll müssen die Alten auch nicht mehr im recht bürokratischen Verfahren zur Deponie im Tal transportieren, denn am jeweils letzten Donnerstag im Monat wird auch der entsorgt.

Zeit also, sich auf die eigentlichen Müll-Fragen zu konzentrieren, die jede Familie ja kennt: Wer bringt die Exzesse der italienischen Verpackungs-Industrie fort, wer geht mit dem Hund an der Leine in die Campagna und wer entsorgt das Katzen-Klo??? Zwei und drei müssen die "Zweitbeste" und ich in Ermangelung von eigenen Haustieren nicht mehr beantworten. Und um Frage Nummer eins, gibt es auch keine Diskussion mehr, seit reichlich Tonnen an der Außenwand der Kirche von der oberen Piazza aufgereiht sind.

Ich gehe freiwillig, die stark ansteigende Gasse hinauf, denn von allen schönen Wegen zum Müll, mit denen wir im Laufe unseres Lebens wahrhaft gesegnet waren, ist der mit Abstand der schönste und romantischste:

Erst geht es von der Piazza durch die Treppenbögen hinunter zur Gasse dann unter der Überbauung von der Burg hindurch, vorbei an einem geheimnisvollen Innenhof, dem man die gräfliche Grandezza von einst heute noch anmerkt. Weiter geht es im Zickzack  durch die winklige Gasse. Leider haben sich auf der Rückseite der Burg ein paar Kitsch-Romantiker mit dem verwirklicht, was sie für "stylisch" halten, aber da geht ja der Blick schon hinauf zur Santa Anna und ihrem Platz, der dank der Anwohner, die nicht hinter dem Burg-Platz zurück stecken wollten, in neuer Schönheit erstrahlt.

Der muntere Müllmann versenkt seinen biologisch abbaubaren Abfall-Sack trennender Weise in die richtigen Tonnen (auch das wird jetzt hier versucht), dreht sich um und wird mit einem grandiosen Blick auf den Bergfried belohnt. Der Rückweg bietet in umgekehrter Perspektive ein gänzlich anderes und noch schöneres Bild.

Hoffentlich ist der Eimer bald wieder voll...

Mittwoch, 9. September 2015

Konversation mit Kater

Nein, ich habe keinen Hangover. Bin vielleicht ein wenig depressiv, weil der Herbst hier nun doch überraschend schnell gekommen ist. Rund um die Piazza ist zur Zeit außer Vittorio und uns keiner daheim. Und Vittorio geht jeden Tag pünktlich, wenn ich Happy Hour habe zum Kartenspielen in den Hauptort hinunter.

Die "Zweitbeste" guckt sich da schon immer die zweihundertfünundzwanzigste Wiederholung der dreißigsten Koch-Show an. Also mache ich Konversation mit Kater Lazaro.

Ich bin ja mehr der Hunde-Typ. Katzen haben immer etwas von einer Art Frauen, um die ich in jüngeren Jahren mannhaft einen Bogen gemacht habe. Aber einerseits ist Lazaro  ja mehr Hund als Kater und andererseits ist er - wie ich -  ein "Stimmungsmensch". Soll heißen, wer ihn kennt, sieht ihm an, wie er drauf ist.

Als kleiner Junge habe ich auf den vielen Reisen mit meinen Eltern immer sofort Freundschaft mit allerlei sich herumtreibendem Getier geschlossen und konnte partout nicht einsehen, wieso ich sie dann nicht mitnehmen durfte. Tiere haben mir immer zugehört. Obwohl ich damals nur Deutsch konnte, war ich felsenfest überzeugt, dass Tiere mehrsprachig sind. Seit einer Begegnung mit einem in Deutschland ausgebildeten Drogen-Hund weiß ich allerdings, dass sie überwiegend die Sprache und Kommandos ihrer Ausbilder verstehen. Selbst die Deutschen Schäferhunde bei der Polizei von New York hören teils auf deutsche Kommandos, wie mir ein Freund, der früher bei der NYPD Narcotic Branch war, versicherte.

Wie erwähnt, muss Lazaro Schlimmes durch gemacht haben, bevor er Asyl bei Vittorio fand. Obwohl wir uns seit einigen Jahren kennen, bestimmt er die Kontakt-Aufnahme. Streicheln darf ich ihn ohnehin nur, wenn Vittorio auf der Piazza sitzt.

Normalerweise geht das so:
Er hört, wie ich die Haustür aufschließe und rast, ehe ich draußen bin, zu seinen Beobachtungsposten.
Er bezieht entweder starr wie eine Skulptur zwischen den Pflanzen-Kübeln auf der Brunnen-Mauer Position oder schmiegt sich getarnt an die Quader der Burg, die exakt die Farbe seines Fells haben. Schon mancher Hund ist knapp an ihm vorbei getrabt, ohne ihn zu sehen.

Sobald ich mit meinem Drink an dem kleinen Tischchen platz genommen habe, stelzt er lässig in die Mitte von der Piazza, und tut so, als hätte er mich gar nicht gesehen. Es folgt eine ausgedehnte Körper-Pflege. Wozu man bemerken muss, dass er jetzt wieder ein edles Fell hat, während er zur emsig genutzten Paarungszeit zerrupft und verfranst ausgesehen hat wie eine Pariser Clochard-Katze unter einer Seine-Brücke.

Dann zuckt er, als er ob er mich gerade erst entdeckt hätte und schreitet würdig ein paar Meter auf mich zu. Damit beginnt unser Spielchen: Ich recke mich - wie er zuvor - und gähne mit ganz schrecklich aufgerissenem Mund. Da Gähnen ja bekanntlich ansteckend ist, habe ich ein paar Sekunden später soweit,dass auch er gähnt und sich erst einmal zusammen rollt.

Natürlich habe ich immer Schnapper-Dönzchen für ihn auf dem Tisch, aber wenn ich etwas kaue, dann rückt er nicht deshalb ganz nah heran, sondern weil er weiß, dass jetzt das Gespräch beginnt.
Meist ist er bumperlsatt, und knabbert erst nach langem Riechen aus Höflichkeit.

Ihm geht es wirklich und ernsthaft in erster Linie ums Gespräch. Wir erzählen uns, wie unser Tag so verlaufen ist, und da ja meist nichts geschehen ist, können wir auch wirklich gut miteinander schweigen. Wie das in einer guten Männer-Freundschaft ja sein muss.

Je länger wir uns kennen, desto mehr gelange ich zur Überzeugung, dass Lazaro  das schönste Gesicht hat, das man je bei einem Katzen-Tier gesehen hat. Selbst die "Zweitbeste" die an einer bisweilen dramatischen Allergie leidet, liebt ihn mittlerweile. Sie weiß sogar wie krüsch der Kerl ist.
Gestern schimpft sie mich nach unserem Beisammensein:

"Du weißt doch, dass er keinen gekochten Schinken mag. Wenn er überhaupt etwas will, dann Parma!"

P.S. Wer glaubt, der haarige Blog-Star sei wieder einmal von mir erfunden. Hier sind Bilder von Ihm


Sonntag, 6. September 2015

Außenansichten

Die präzisesten Analysen über das "Deutsche Wesen" kamen im Laufe seiner Geschichte von Dichtern und Schriftstellern aus dem Exil: Heinrich Heine, Thomas Mann und Kurt Tucholsky, um nur die drei Prominentesten zu nennen. Trotz Verschlüsselungen ihrer Kritik in ihren Außenansichten wurden  ihre Werke von den  jeweils Herrschenden umgehend verboten.

Einem Amerikaner jedoch war die Weissagung vorbehalten: Thomas Wolfe.
Sein nach einem ausführlichen Deutschland-Besuch während der Olympischen Spiele von Berlin 1936 verfasstes Werk "Es führt kein Weg zurück" (übrigens eine Parole aus dem US-Bürgerkrieg) hätte die Welt beizeiten über Nazi-Deutschland aufklären und "Mein Kampf" neutralisieren können. Aber es erschien zunächst nur in Teil-Aufsätzen, und kam in Buchform erst nach seinem Tod (1938) in England heraus. Das war 1940, als der Zweite Weltkrieg schon ausgebrochen war. Im Nachkriegs-Deutschland war es dann bizarrer Weise erfolgreicher als in den Vereinigten Staaten...

Wer mal so richtig Gänsehaut bekommen möchte, sollte es angesichts der aktuellen Weltlage aufmerksam lesen.

Im Zeichen der elektronischen Nachrichten-Fülle und der freien Meinung im Internet, haben Außenansichten eine andere Wertigkeit bekommen. Es fiele schwer, das, was in und rund Europa gerade abgeht, mit erzählerischer Prosa oder gar in lyrischer Vers-Form abzuhandeln. Dazu ist der Schrecken zu permanent. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit an den Ostgrenzen der EU weist Deutschland zudem eine völlig neue Rolle zu. Die ehemaligen Kriegstreiber werden jetzt innereuropäisch in eine Rolle gedrängt, die einst den universell heilsbringenden USA zugewiesen wurde.

Die Außenansicht mancher Europäer von Deutschland entspricht dabei aber gar nicht so dieser Rolle.
Hier oben auf der Burg mag man manche Deutsche einigermaßen leiden, aber wenn beispielsweise bei der Wasser-Versorgung etwas schief läuft (die Swimmingpools und das regelmäßige Gießen der Pflanzen) oder von Touristen verborgene Regeln (Leinenzwang für Hunde) gebrochen werden, sind wir  kollektiv Merkel-Deutschland. Dann bricht etwas hervor, das die Färbung der Nachrichten unterbewusst bereits angerichtet hat.

Wenn ein Kommentator davon berichtet, dass Deutschland einen Milliarden-Handelsüberschuss in Höhe der griechischen Schulden verbuchen kann, schließt sich daran gleich die Frage an, wieso dann Deutschlands Haltung so gnadenlos sei.

Wir Deutschen gelten momentan per se als reich, arrogant und herrschsüchtig. Und hinter diesem Vorurteil ducken sich andere Nationen, um nicht ihr Quantum von der derzeitigen Völkerwanderung zu übernehmen.

Klar ist, dass unsere Geschichte einen anderen Umgang mit Flüchtlingen und Asylanten verlangt. Ganz sicher können die Deutschen sich das auch leisten. Aber die Gefahr liegt eben in den radikalen politischen Minderheiten, die Mehrheiten anstreben. Die sorgen nach Außen für gewünscht sensationelle Nachrichten. Wenn Flüchtlingsheime brennen, der schwarze Mob randaliert und aus alten Dokumentationen bekannte Hetz-Parolen schreit, dann wird aus Merkel-Deutschland schnell auch wieder Nazi-Deutschland.

Die Wahrnehmung außen wird ja durch den Zusammenschnitt zum gefilterten Extrakt.

Als die Baader-Meinhof-Bande ihr Unwesen trieb, hatte ich sehr viel beruflich in den USA und Kanada zu tun gehabt. Meine Kollegen dort fragten mich allen ernstes, wie es denn in den Straßen von Deutschland aktuell zugehe, und das Außenministerium gab eine Reise-Warnung aus...

Donnerstag, 3. September 2015

Happy Hour 2

Die Schul-Medizin ist sich da einig: Wer täglich Alkohol zu sich nimmt, ist ein Alkoholiker.
Demnach sind alle Burg-Geister Alkoholiker. Bei den AAI (Anonymni Alkoholici Italiani) gäben wir auf der Burg mit unseren  gastgebenden Nachbarn allein ein eigenes Chapter ab.

Stellt Euch folgende Szene vor:

Falco tritt auf:

"Ich bin Falco und ich bin Alkoholiker,  Ich bin Oliven-Bauer, und ich habe  - wenn ich in die Campagna gehe - immer meinen selbst gekelterten Rotwein dabei. Von dem unter Bio-Bedingungen ausgebauten Wein trinke ich täglich zwei Flaschen. Mein Großvater und mein Vater haben von dem mindestens drei Flaschen täglich getrunken, aber ich will mich bessern, Ich möchte nicht schon mit 87 oder 93 sterben - wie die beiden..."

"Salutiamo Falco!", sagen dann die anderen.

Beim Rausgehen aus der Santa Anna, fragen dann manche: Wieso hat der Falco solche Schuldgefühle? Ich bin erst ab der vierten Flasche zu den AAI gegangen  Aber das war natürlich nur unser Bio-Pigato. Der zählt nicht so.

Der multi-begabte Entertainer Harald Schmid  hatte ja ein Sabbatjahr wegen Burnouts. Als er zurück kam, nahm er sich als aller Erstes die Aussteiger aus Deutschland vor, die er auf seiner Reise rund um die Welt getroffen hatte. Er war offenbar von Neid ganz zerfressen,oder hatte nichts verstanden. Denn er  kolportiere deshalb, sie seien alle so voller Heimweh gewesen , dass sie sich komplett dem Alkohol hingegeben hätten. Ja und?

So what? Aus zu steigen, kann einfach nur bedeuten, dass man die künstlichen Zwänge abstreifen möchte, die zum Beispiel auch dem "Social Drinking", dem jeder in jenen Kreisen unterworfen ist, anhaften.

Als es um Aufträge und Verträge ging, war ich früher einer der Ersten, die sich zur Happy Hour mit "Geschäfts-Freunden?"trafen; je mehr, je besser!

Heute trete ich auf - und zwar ganz allein, nachmittags um fünf, weil ich mir und meinem Drink genug bin:

"Hallo! Ich bin Claus, und ich treffe mich jeden Nachmittag um fünf Uhr auf der Piazza vor meinem Haus - mit mir! Ich bin ein Alkoholiker - and I like it!"


P.S.: Als Autor habe ich während einer Nacht immer auf den letzen Drücker Geschichten geschrieben, die (ich gemäß Friedrich Nietzsche) auch im Alter noch gerne lese. Seit meine Kinder jedoch auf der Welt sind, schreibe ich nicht mehr unter Einfluss von Alkohol. Auch dieser Post ist ohne Stimulans entstanden...

Mittwoch, 2. September 2015

Die einfache Küche

Wenn ihr glaubt, dass der Hummer bei diesem Thema fehlt, dann liegt ihr falsch. Denn heute geht es um die Küche, in der ich immer mal wieder experimentiere.

Von Anfang an war uns klar, dass wir auch mit der Küche zurück zur Einfachheit wollten. Deshalb haben wir sie atmosphärisch so gelassen. Sie ist so geräumig, dass in ihrer Mitte ein Tisch steht, an der man zur Not essen kann. Aber das geschieht sehr selten, weil das Esszimmer ja gleich nebenan ist. Aber wir sind schon oft mit Freunden an diesem Tisch versackt, weil der mannshohe Kühlschrank in Griffweite ist.

Kurz haben wir uns überlegt, ob wir die Falltür zur Cantina unten abschaffen. Wir hätten dann aber die uralten Treppen hinunter umgestalten müssen. Das erschien uns ein unerhörter Eingriff in unsere Vorstellung von Romantik. Also haben wir nur ein Gewürz-Bord gekachelt und alle eingebauten Schränke weiß angemalt und mit alt aussehenden Knöpfen verziert. Für die Hygiene haben wir das steinerne Waschbecken gegen ein modernes Alu-Doppel-Becken mit flexiblen Wasserhahn ausgetauscht und uns rundum eine Arbeitsfläche aus Granit gegönnt. Wir hätten uns ja nicht vorgestellt, dass wir unser ganzes bisheriges Leben hier unsere Gäste durch die Küche bitten müssten.

Unsere Außentreppe, die direkt in die Wohnbereiche führt, kann nicht benützt werden, weil eine böse Burggeistin aus ihrem angrenzenden Speicher unbedingt eine Ferienwohnung machen wollte. Sie hat ein Begehungsrecht (diretto di passagio) auf dieser Treppe, das sofort erlöschen würde, machte sie aus ihrer oberen Tür ein Fenster. Da es aber fraglich ist, ob sie überhaupt eine Baugenehmigung für den Umbau eingereicht oder gar bekommen hätte, gammelt die Baustelle seit drei Jahren mit ihren Bretter-Verschlägen vor sich hin.

Inzwischen ist das Eintreten durch die Küche Standard, obwohl sie eben nicht so ein leuchtend funkelndes Ding ist, wie alle Einbauküchen die wir bislang hatten, machen alle Komplimente. Sie hätte Charme bekunden sie - meist.

Man kommt durchaus mit einem kleinen, tragbaren, französischen Ofen aus, in dem man backen, Grillen und Spießbraten rotieren lassen kann. Selbst eine französischen Gans haben wir darin zu Weihnachten zubereitet. Wir haben dem Geflügel-Händler in der Markthalle von Menton unser Problem geschildert, und er hat das riesige Viech in sechs gleiche Teile zerlegt. Unsere Kinder waren mit uns einer Meinung, dass diese eine der besten Gänse war, die wir je gehabt haben.

Die Vorteile von einem Gasfeld mit vier Brennern gegenüber jedem Induktionsherd sind ja von Kochprofis ausführlich beschrieben worden. Ich habe eben den Halbjahres-Vergleich zu unserem modernen Herd in München. Hier koche ich lieber und präziser.

Das einzige Zugeständnis an den gewohnten Komfort bin ich bei der Geschirr-Spülmaschine eingegangen. Ich habe die seit Jahren Bewährte Baujahr 1948 mitgenommen. Sie ist etwas sperrig und bauchig und macht beim Abwasch komische Geräusche. Sie hat ihre Eigenheiten und verweigert mitunter ihre Dienste. Dann muss ich an die Spüle, die mich total einengt, weil die Außentreppe dort für eine Schräge sorgt. Der ganze Abwasch-Bereich ist ja zudem in einer Nische, was die nach mir benannte Phobie noch verstärkt.

Zum Glück streikt sie selten, und wenn ich sie etwas tätschel und ihre Aggregate streichle, funktioniert sie auch wieder bestens.

Danke, liebe "Zweitbeste", dass du immer noch so eine wichtige Rolle in meinem Leben spülst.

Sonntag, 30. August 2015

Ertappt!

Als es in der vergangenen Woche wieder einmal für 24 Stunden kein Wasser gab, zeigte es sich, dass unsere "Seelensammlerin" Signora E. weit mehr ist. Sie sammelt sie nicht nur, sie kümmert sich auch um sie und fühlt sich verantwortlich. Beruhigend wirkte sie auf ihre zornige Nachbarschaft ein, und bot jedem zumindest für den Kaffee oder zum Kochen der Pasta  aus der Zisterne in ihrem Garten mit ihrem spärlichen Kochgeschirr Wasser-Rationen an. Und das mit nur einer Hand, weil die Reste von ihrem rechten Unterarm ja in einer Prothese stecken. Und die Natur-Stufen hinunter sind auch nicht ohne und erfordern vorsichtiges Balancieren.

Für mich ist sie ein typisches Beispiel für das Sprichwort "Glaube kann Berge versetzen". Vom Alter nahezu unschätzbar mit ihrem Mädchen-Pagenkopf, entwickelt sie Beharrlichkeit und Energie, Strenge und Güte in einem Maße, wie man sie heute kaum noch erfährt. Manchmal möchte man ungläubig über sie schmunzeln. Aber das habe ich mir längst abgewöhnt.

Zum Beispiel ihre Rezepte für allerlei Wehwehchen.

Als ich fast den ganzen Juni hindurch Lumbago-Probleme hatte, passierte folgendes. Ich konnte Sitzen, Stehen und Liegen, aber die kleinste falsche Bewegung jagte mir unglaubliche Schmerzen durchs gesamte Nervensystem. Ich hatte gerade auf der Bank vor dem Haus eine schmerzfreie Position gefunden, als sie mit zwei Kinderkopf großen Tomaten kam. Wie immer sprang ich höflich auf, um sie zu begrüßen, aber der Schmerz jagte mich unmittelbar in das blaue Firmament über der Piazza. Fast - so schien es mir - hätte ich dabei einen der kreisenden Rauhfuss-Bussarde vom Himmel geholt.

Als ich wieder in der vermutlich schmerzfreien Realität der Piazza angekommen war, sagte die Signora:
"Mach dir einen Brei aus Honig, Olivenöl, zerstoßenem Ingwer, einer Peperoncino und frischen Salbei-Blättern."
Albern und unwissend entfuhr mir ein "delicioso!".
"Nicht zum Essen Dummerchen! Das lässt du von deiner Frau im Schmerz-Bereich auftragen."

Ich blieb misstrauisch beim Voltaren, und die Schmerzen blieben.

Am nächsten Tag geht "Gutemiene" die Frau von "Majestix" über die Piazza und sieht mich schmerzverzerrt. Das Paar in unserem Alter, das in den Posts so heißt, weil es dem Häuptlingspaar aus Asterix und Obelix so ähnlich sieht (sie mit dickem blonden Pferdeschwanz und energischer Firgur, er klein, drahtig aber bestimmt), kommt immer häufiger zu unseren Gelagen auf der Piazza, Deshalb kennen wir natürlich die wahren Namen und sind dem Paar herzlich zugetan.

Daher erzähle ich ihr auch von dem Rezept der Signora E., und sie senkt sofort ihr Stimme:
"Das wende ich seit über dreißig Jahren an. Mein Mann, der Lustmolch, hat mich früher sehr gerne eingerieben. Einmal ist dabei wohl unsere Tochter entstanden..." Zwinkert kumpanenhaft und geht von dannen.

Mittlerweile weiß ich auch, weshalb jeder iauf der Piazza ehrfürchtig die Stimme senkt, wenn er von der "Seelensammlerin" spricht. Einerseits, weil die nach Westen offene Piazza ein gewaltiger Resonanzkörper ist, der direkt in Singnora E's  Haus in die Gasse unterhalb schallt. Aber viel dramatischer ist andererseits, die Tatsache, dass sie nahezu jeden der Burggeister einmal im Kommunions-Unterricht unter ihren strengen Fittichen hatte.

Die Langzeitwirkung scheint ungebrochen, was ich am Beispiel unseres Nachbarn Vittorio erleben durfte:

Am frühesten Morgen nach unserem vergeblichen Warten auf Wasser sehe ich Vittorio nackt bis auf bunte Boxer-Shorts auf der Brunnen-Mauer sitzen und genüsslich eine Zigarette rauchen, was er ja wegen seiner beschädigten Stimmbänder nicht tun soll. Sogar sein "Hundkater" Lazaro, der wie eine ägyptische Statue straff neben ihm sitzt, starrt ihn missbilligend an.

Wir flüstern also über den Verbleib des Wassers, als unter ihm die Haustür von Signora E. aufgeht.
Hastig wirft er die halb gerauchte Zigarette weg, da kommt die "Seelensammlerin" schon mit ihrem Wasser-Eimerchen am Arm die Treppe hoch.

"Tü fümü!", faucht sie böse mit ihrer Stentor-Stimme im Dialekt.
"No, No", winselt Vittorio, aber die Signora schaut nur stumm auf den Glimmstengel der zu ihren Füßen raucht. Bei jedem Mann in Vittorios bleicher Blöße hätte die Signore beschämt ihren Blick gesenkt. Nun war es der graue Panter Vittorio, der seinen Kopf hängen ließ...

Wieder einmal ertappt!

Donnerstag, 27. August 2015

Southern Walking

Als einer, der an vorderster Front dafür gearbeitet hat, dass Deutschland am Stock geht, besser gesagt, mit Stöcken geht, kenne ich mich ganz gut mit Massenbewegungen aus. Die meisten boomen zunächst, dann werden sie kleiner, und am Ende trifft man in den Wäldern und Parks den kleinen Kern echter Anhänger. In Bayern werden die, die Nordic Walking betreiben "Steckerl-Hatscher" genannt. Was ein wenig gewollt diskriminierend klingt. Mit Stöcken beim Gehen fördert der Mensch auf alle Fälle seinen aufrechten Gang - was vielleicht von der Staatsregierung gar nicht so gewollt ist...

Dennoch gibt es in Bayern viele schöne und markierte Trails mit einer gewissen Infrastruktur. Doppelt so viel wie beispielsweise in ganz Italien. In Ligurien habe ich bislang noch keinen gesehen, und wenn man auf den markierten Seitenstreifen unseres Rad-Fernwanderwegs die Küste entlang mal in der Nachsaison mutig mit Stöcken Ausschreitende trifft, sprechen die Deutsch.

In den vergangenen Wochen war es so heiß, dass auch die unvermeidlichen Rennradler die Küste eher mieden. Das etwa 600 Meter lange markierte Teilstück, dass in der Mitte durch die Zona Divertimento führt, dient eher als Erinnerung, dass der Weg irgendwann mal frei von Unterbrechungen fertig ist, wenn die alte Bahnstrecke endlich aufgelöst sein wird. Das kann aber dauern, weil es Gerüchten nach bei der Brückenverbindung über den Impero zwischen den beiden künftigen Bahnhof-Tunnels zu Höhen-Divergenzen gekommen sein soll... Stuttgart 21 lässt grüßen.

In den heißen Wochen war die Zona Divertimento ausgestorben. Selbst einige unserer Stamm-Restaurants am Pier machten mittags dicht, wenn sie nicht wegen Ferragosto gänzlich geschlossen hatten. Die Leute waren den ganzen Tag am Strand oder in den vermeintlich kühleren Bergtälern.

Seit die Temperatur wieder deutlich unter 30 Grad gesunken ist und die Windstille durch den beinahe permanent wehenden Scirocco verjagt wurde, werden von der arbeitenden Jeunesse Doree Imperias Hafen und Mole in der Mittagspause wieder zum sportlichen Schaulaufen genutzt.

Vor allem der männliche Beobachter ahnt schnell, dass dabei Stöcke nur hinderlich wären. Denn beim Southern Walking werden neben den Armen und Beinen vor allem die weiblichen Attribute bewegt. Schnell in ein möglichst enges Trikot geschlüpft und geschmeidig Laufen oder Gehen, damit alles gemäß den kybernetischen Regeln in Bewegung kommt..

Ich habe ja die "Zweitbeste", die niemals schimpft, wenn ich meinen begeisterten Beobachtungen mit einem leisen Kommentar Tribut zolle. Schließlich hat sie ja auch ganz schön zu gucken, wenn die Adonisse mit nacktem Oberkörper und knappsten Laufhosen an uns vorbei traben...

Southern Walking lässt eben auch bei Unbeteiligten den Puls höher schlagen. Was bei der Ansicht in Grüppchen schnatternder Damen und abgehetzter Manager-Typen in buntesten Schlabber-Anzügen der Nordic-Walking- Ausstatter eher weniger der Fall ist.

Montag, 24. August 2015

Auferstanden von den Toten

Seit die Burggeister aus dem Ausland angefangen haben, den Borgo zu retten, gab es zur Belohnung "italienische Momente" im Fisch-Restaurant Da Beppa am alten Hafen von Oneglia, der heutigen Zona Divertimento. Dann starb die alles beherrschende Patrona, und ihre Nachfolger sparten erst an der Qualität, dann an der Gastlichkeit.

Bei unserem letzten Besuch als Stammgäste zu Sylvester 13/14 wurden wir nicht nur abgezockt, sondern auch ignoriert (wir waren zu siebt mit Kindern und Anhang) weil irgendein Pezzo Novanta mit einer Riesen-Gesellschaft eine Hummer- und Schampus-Orgie veranstaltete.

Nie wieder! Schworen wir uns. Es war, als hätten sie uns ein Stück Heimat weg genommen...

Im Frühjahr war Da Beppa - wie bereits berichtet - schließlich am Ende, und ein neuer Wirt dabei, die Einrichtung und die Innenraum-Gestaltung zu erneuern. Aber weil das äußere Ambiente bis heute immer noch herunter gekommen aussieht, haben wir den Nachfolger erstmal gemieden, obwohl Da Beppa seit Juni wieder offen ist.

"Die Zweitbeste" ist ja nicht so nachtragend wie ich, und predigt stets man soll den Nachfolgern nicht die Sünden der Vorgänger anlasten. Ich bin ja nicht so bibelfest, aber habe mich am Samstag dennoch überreden lassen.

Und siehe da, wir wurden belohnt. Deshalb die Nachricht an alle, die früher Fans waren: Es lohnt sich wieder. Und an die, die noch bei der Durchreise alte, hochlobende Reiseführer haben: Geht mal hin.

Bei "Erstbesuchen"  haben wir uns angewöhnt, zunächst ligurische Standards zu bestellen.
Die "Zweitbeste" hatte als Vorspeise Polpo e Patate und ich ein Thunfisch-Tartar. Ersteres war delikat umido und küchenmeisterlich nach oben ausgereizt, aber im Gegensatz zum alten Beppa konnte das Auge mitessen. Der Teller war  schmackhaft auf dem Rand mit Kohl-Zesten dekoriert, was beim Naschen eine gewisse zusätzliche Komponente gab.
Meine ordentliche Portion Tartar kam mit zusätzlichen Gewürzen und Kapern auf dem Rand des tiefen Tellers. Aber die wurden gar nicht benötigt. Bei der ersten Gabelspitze verdrehte ich schon die Augen vor Genuss: klasse Öl, leichter Zitronen-Abrieb - freschissmo!

Zum Hauptgang hatte meine Frau eine große Scheibe Schwertfisch vom Grill, die, obwohl wir sie kurz gegart geordert hatten, ein wenig zu lang drauf war. Das tat ihr aber wegen des hervorragenden Öls und dem perfekt gegrillten Gemüse rundherum keinen Abbruch. Die "Zweitbeste", eine echte Spezialistin, war jedenfalls begeistert.

Ich hatte mein Lieblings-Essen Fritto Misto bestellt. Wenn Panade und Öl stimmen, kann man da eigentlich nichts falsch machen, wohl aber gekonnt Tricks anwenden: Auch wenn die Panade nicht ganz so leicht war, wie ich es gerne habe, war sie eben besonders knusprig. Das Gemüse wurde mit frittiert, was die Portion sehr groß erscheinen ließ. Ein Riesen-Gambero mit kleinerer Schwester Gamba krönte den Berg. Zwei Sogliolini hatten eine extra Kruste, ein halbes Dutzend Alici waren gretenlos und absolut saftig und die Calamari und Totani bestachen mit ihrem Eigengeschmack.

An den Nachtisch konnten wir uns dann wegen der Bauchesfülle nicht mehr machen. Das alte Da Peppa hatte eine legendäre Creme Caramelle mit Zuckerkruste und Sauce. Die Erinnerung wollte sich "die Zweitbeste" nicht zerstören.

Schließlich gibt es aber doch eine Kleinigkeit zu meckern. Es gibt eine Wein- und eine Bier-Karte mit farbigen Hochglanz-Fotos, die wir schon von einem Aufenthalt in Genua kannten - also auf einen Caterer hinwiesen. Schlecht ist dann, wenn die preiswerteren Weine alle vergriffen sind. Wir hatten dann aber eine absolut überzeugende Flasche Pigato, die nicht auf dieser Karte stand, und ahnten schon eine Abzocke. Was aber nicht eintraf.

Inklusive Coperto drei Espressi und Sambuca zahlten wir vom Wirt abgerundete 70 Euro. Beim  nächsten Mal nehmen wir Fisch aus der Frisch-Theke...

Freitag, 21. August 2015

Am Tag als der Regen (doch nicht) kam

Seit Tagen das gleiche Bild: Dicke, graue, triefend feuchte Wolken ballen sich bis Mittag über der Burg. Dann dringt der Libeccio aus Südwest in unseren Talkessel und erzeugt ein kreisrundes Loch aus dem tiefsten Blau, das die natürliche Farb-Palette hergibt.

Seit Beginn der letzten Juniwoche hat es hier nur zwei, dreimal kurz getröpfelt. Selbst die Ältesten können sich an eine derartige Trocken-Periode nicht erinnern. Unsere Flüsse Impero und Prino sind infolge dessen nur noch Rinnsale.

Weniger mit Besorgnis als mit Hoffnung schauen wir jede Nacht nach Norden, wo über dem Kessel von Pieve di Teco in einem Blitzlicht-Gewitter hoffentlich ergiebige Niederschläge herunter gehen. Denn von dort kommt das herrliche Wasser, das bislang noch ohne Probleme aus unseren Leitungen sprudelt.

Die Laubbäume im Tal sehen schon komplett herbstlich aus und verlieren ihre Blätter. Nur die knorrigen Steineichen und die alles - außer Feuer - überlebenden Oliven-Bäume vermitteln direkt vor unseren Augen eine trügerisch grüne Vegetation.

Gerade habe ich mit einem Freund aus Deutschland via Skype kommuniziert. Allenthalben das gleiche Bild.

Die großen Gletscher der Alpen schmelzen im Rekordtempo wie die Eiswürfel in meinem Whisky-Glas zur Happy Hour. Ob ich ihn wohl bald pur trinken  oder ihn zum Zähneputzen missbrauchen muss?

Das Witze Reißen kann einem schon vergehen, wenn es Sendungen über den Baikal-See oder das Tote Meer gibt, die deren dramatisch zurück weichenden Wasserspiegel dokumentieren...

Da fällt mir doch wieder der zum Beginn der "Grünen Welle" vor einigen Jahrzehnten so häufig kolportierte Spruch der Cree-Indianer ein:

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Viel zu spät will Barak Obama nun den Weg zur ökologischen Verbesserung gehen, und viel zu spät hat unsere Kanzlerin sich zu einem Weg bekannt, den sie bereits als Umweltministerin unter Helmut Kohl längst hätte einschlagen müssen.

Selbst wenn es jetzt zu ergiebigen Niederschlägen käme, hat die Trockenheit die Böden hier hart versiegelt. Dann wird es wieder zu Sturzbächen wie in Rio Maggiore in den Cinque Terre kommen, die alles bis ins Meer mitreißen und für dessen permanenten Anstieg sorgen.

Hat mich jetzt das Leben hier in und mit der Natur, als Nachbarn von Leuten, die seit Jahrhunderten von ihr leben müssen, vom 'Saulus zum Paulus' gemacht? Leider nein! In ein paar Wochen sitze ich wieder mitten in München und rege mich über den regnerischen Herbst auf, in dem ich nicht Radeln mag...

Dienstag, 18. August 2015

Abendmahl

Diesmal war die Tafel so lang, dass keine passenden Tischdecken gefunden wurden. So mussten die Teilnehmer an diesem denkwürdigen Cena in Piazza ihre Teller und Gläser auf die blanken Tische stellen. Erstaunlicher Weise sorgte dieser Umstand sogar für mehr Authentizität. Die streitbaren Grafen Gandolfo - so sie denn von oben oder unten - zugeschaut hätten, wären von dem mittelalterlichen Szenario bestimmt begeistert gewesen. Denn die Tafel reichte vom Brunnen quer über den Burgplatz, so dass die Jugend sogar auf den gegenüberliegenden Steinbänken am Tisch sitzen konnte.

Denkwürdig war der Abend aus zweierlei Gründen: Die Initiative hierzu ging von unserem Nachbarn, dem Hotelier aus Rom aus, der auch den Löwenanteil am "Catering" hatte. Er hatte zu Ferragosto seinen Chef eingeladen und gemeinsamen Freunden aus Kindheit und Schulzeit bescheid gegeben. Das sorgte erstmals für Deutschland in Unterzahl: Italien 16, Frankreich 4, Deutschland 3.

Das forderte höchste Konzentration bei der Unterhaltung, denn nur wenige der Italiener waren mehrsprachig. Gut, dass im Zentrum Susanne mit ihrer Lobbyisten-Tochter Lorette saß, die ja beide völlig mühelos von einer Sprache in die andere wechseln konnten. Dodo, ihr Mann, ist schlau. Er gibt den Maulfaulen, obwohl er jedes deutsche Wort versteht, nötigt er mich, mein eingerostetes Französisch hervor zu kramen. Da ich aber während der großen Hitze ausschließlich amerikanische Original-Serien "gebingetwatcht" habe. Geht das in meinem Hirn zu, wie nach dem Turmbau zu Babel. Manchmal kommt ein Kauderwelsch heraus, das so klingt, als spräche ich die mittelalterlich Lingua Franca, - was ja irgendwie passend wäre. Allerdings habe ich die ersten zwei Glas Wein vor lauter Heiterkeit auf nüchternen Magen herunter gekippt. Was meiner Zunge zwar zu großer Freiheit verhilft, aber den Worten doch recht wenig Sinn gibt.

Gut, dass es dann überreichlich zu Essen gibt: Auf Nebentischen stapeln sich zwei für ein ganzes Hotel reichende Spezial-Lasagne mit winzigen handgedrehten Fleischbällchen. Dazu duften ein riesen Kringel frisch gebratener ligurischer Würste sowie Chickenwings vom Grill.

Allein das hätte neben dem Nachtisch-Buffet gereicht, um den ganzen Borgo zu mästen. Aber dazu kamen ja noch Schüsseln mit Nudel- und Kartoffel-Salat, Mit Tonnato und Kapern gefüllte Tomaten und ein köstlicher Frischkäse-Dip mit Bündeln von Grissini.
So kommt das eben, wenn ein mit anderen Dimensionen vertrauter Hotelier unterstützt von Susanne und der "Zweitbesten" die Organisation leitet...

Die Gespräche rissen auch mit vollstem Mund nicht ab. Es war einfach eine märchenhafte Stimmung, wozu auch die nun wieder milderen Temperaturen beitrugen.

Immerhin gelang es mir dann doch wieder, meinen neuen Lieblingswitz in vier Sprachen zu erzählen.

Hier kommt er in Deutsch:

Eine Schildkröte  macht einen nächtlichen Spaziergang in New Yorks Central-Park und wird promt von einer Bande Schnecken überfallen. Der ermittelnde Polizist fragt die völlig außer Atem geratene Schildkröte:
"Können Sie sich denn an irgendetwas erinnern?"
Die antwortet: "Sorry Officer, aber das ging alles so schnell..."

Freitag, 14. August 2015

Das junge Europa

Wir leben auf der Burg, seit es den Euro gibt. Anderthalb Jahrzehnte haben im Alter eine andere Dimension als im Heranwachsen eines Menschen. Das sehen wir jeden Sommer, wenn die Kinder der Burggeister ihre Ferien hier oben verleben. Manche konnten kaum laufen, wenn sie über die Piazza balanzierten, andere hatten die Knie voller Schrammen, weil sie ihr Geschick beim Toben treppauf, treppab gefährlich überschätzten.

Die meisten sind heute im Teeny-Alter, was bedeutet, dass wir sie wohl nicht mehr oft zu sehen bekommen, weil die Burg weniger spannend ist, als daheim auf eigene Faust mit Freunden abzuhängen oder mit denen erste eigene Urlaubs-Schritte zu wagen. Bei unseren beiden war das genauso. Jetzt als Mittdreißigern fehlt ihnen wegen der Arbeit häufig die Zeit. Aber das bedauern sie sehr, weil unser Haus hier wieder so etwas wie ihre Heimat geworden ist.

Wenn ich sehe, was aus den Bambini von einst für prächtige Mannsbilder und Mädels geworden sind, dann stelle ich automatisch Parallelen zu Europa an. Sind wir nicht zu ungeduldig mit unserem Youngster? Schließlich ist dieses Europa ja gerade mal in der Pubertät. Mit all den Gefühlsblähungen  und Rebellischkeiten, die diese Phase so mit sich bringt.

Hier oben sprechen die Jugendlichen unkompliziert in vier Sprachen miteinander, weil sie mindestens zwei absolut fließend beherrschen. Sebastiano, der Sohn von unserer Freundin Petronella ist ja ohnehin mit Deutsch und Italienisch aufgewachsen, aber das Internet sorgte auch dafür, dass sein Englisch gut ist.

Susanne, die Tochter von Paul und Paula, mit einem Franzosen verheiratet, hat drei Mädchen. Zwei Twens, die ihre Vielsprachigkeit im Hotelgewerbe und in der Brüsseler Lobby einsetzen. Die Nachzüglerin, die gerade lange Beine bekommt und erste Schmink-Versuche unternimmt, wird vermutlich etwas mit Mode machen.

Das ist lustig, wenn die morgens unter unserem Schlafzimmer-Fenster zum Strand aufbrechen,  weil sie je nach Tagesform in Französisch, Deutsch und wenn der Hotelier aus Rom dazu stößt, der auch zwei mehrsprachige Teenys hat, auch noch in Italienisch gleichzeitig aufeinander einschnattern. Von wegen babylonische Sprachverwirrung!

Am Sonntag wird so ein babylonisches Cena in Piazza mit dieser Nachbarschaft stattfinden. Und dann lauschen wir Alten den Mittelalten, wie die in ihrer Jugend halsbrecherisch über die Dächer und Zinnen der Burg getobt sind. Susanne und der Hotelier, der ja hier geboren ist, als Anführer der Rasselbande, die alle eine lebenslange Freundschaft verbindet. Beide sind heute 50...

Ginge es nach der Burg, bräuchte einem um das junge Europa nicht bange zu sein.

Dienstag, 11. August 2015

Blöde Blogger!

Was müssen die angestellten Redakteure für eine Angst vor dem Zeitungssterben haben, wenn jetzt auch auf den hochbordigen Schlachtschiffen Sparmaßnahmen ergriffen werden? Da kann man schon mal gegen vermeintliche Konkurrenz textlich unter die Gürtellinie hauen.

So geschehen im Streiflicht der aktuellen Wochenend-Ausgabe der honorigen Süddeutschen Zeitung. Für FZ- und WAZ- Leser.: Das Streiflicht gilt seit jeher als Juwel des "Kolumnismus". Seine Autoren bleiben aus Tradition anonym und wurden früher redaktionsintern ob ihrer fabelhaften Formulierungs-Künste als Egg-Heads bezeichnet.

So ein Eier-Kopf hat nun entweder Twittern und Tweeten mit dem Bloggen verwechselt, oder er schreibt in einer Ahnungslosigkeit und Unwissenheit, die er in seiner Kolumne generell den Bloggern unterstellt.

Ich will eigentlich nicht mehr mit Schaum vor dem Mund schreiben, aber ich nutze heute mal die Vorteile dieser Internet-Publikation zu einer ähnlichen Polemik.

Damit meine Leser verstehen, wovon ich schreibe, habe ich unter Berücksichtigung der Zitat-Grundsätze hier einige Passagen vom Streiflicht zu meinem Text gestellt. Ich werde provokant, obwohl ich weiß, dass der Autor meinen "Schönwetter-Blog" niemals lesen wird.

Hier also ein paar Fragen an Anonymus:

Liest er seine eigene Zeitung nicht? Hat er vergessen, dass gerade  ein saudischer Blogger zu tausend Stockhieben und mehr verurteilt wurde, weil er seine Wahrheit publiziert. Hat er den iranischen Blogger, der für die Gleichberechtigung der Frauen in seinem Land schrieb, an dem Baukran hängen sehen? Ignoriert er, dass ein chinesischer Blogger wegen Aufwiegelns in einem Fußballstadion vor tausenden Zuschauern erschossen wurde? Dass in der Türkei trotz Repressionen, das Netzwerk der Blogger noch die einzige Chance sein wird, den durch Erdogans Größenwahn eingeschlagenen Weg in eine "hitlerartige" Diktatur  zu blockieren?

Aber man muss ja auch nicht auf offener Straße erschossen werden - wie der russische Kollege, um zu dokumentieren, dass Bloggen eine nicht mehr aufzuhaltende Form der kontrovers kritischen Publikation ist, um Stellung zu beziehen.

Grundsätzlich verbrauchen Blogger nur ein wenig Strom und ihre eigene Zeit, für die sie meist auch nicht bezahlt werden. Selbst wenn sie nicht kompetent sind, haben sie immerhin den Mut, von ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Der, der solche Blogs anklickt, tut dies aus freien Stücken ohne aggressive Abo-Werbung, wie das bei den Apps ohne Möglichkeit zur Gegenwehr geschieht.

Der Erfolg bei den Zugriffen hängt allein von der Thematik, der Kontinuierlichkeit und der textlichen Güte ab. Der Blogger kann sich nicht wie manche angestellten Redakteure durch eine Vielzahl ungelesener Seiten schmuggeln.

Ein Redakteur von der "ZEIT" hat dafür längst den Beweis geliefert, indem er bei seinem Blog Zugriffs-Zahlen erzielt, die das Traditions-Blatt heute gerne mit seiner Auflage noch erreichen würde.

Aber selbst wenn sich ein Blogger vermeintlich der Lächerlichkeit preis gibt, ist das doch mutig. Deshalb erkläre ich mich mit der deutschen Burgblog-Kollegin, die der Eierkopf aufgespießt hat,solidarisch und werde ab sofort ihren Blog regelmäßig besuchen. Sie kann nämlich publizieren, ohne dass ein besserwisserischer Vorgesetzter ihren Artikel dreimal umschreiben lässt...

Samstag, 8. August 2015

Die stummen Mahner

Was habe ich in Kindertagen für üble Sachen über die Menschen aus dem Süden zu hören bekommen: Faul, trügerisch, nur daran interessiert Liebe und unendlich viele Kinder zu machen.
Ausgerechnet die sind in unser kaltes Klima gekommen, haben sich bei Akkordarbeit zu Niedrigstlöhnen den Hintern ab gefroren und so für den konkurrenzlosen Wohlstand unseres Landes gesorgt.

Jetzt im Klimawandel, der dafür sorgt, dass es zur Zeit in Deutschland sogar heißer ist, als hier in Italien, werden die überlebenden Spötter von einst vielleicht endlich spüren, was es auf Dauer heißt in einem Klima zu leben, bei der die Nachttemperatur nicht unter 30 Grad sinkt.

Vor ein paar Jahrzehnten habe ich noch in den heißesten Ländern der Welt meinen Job verrichtet. Bei einer Indien-Reportage hatte ich innerhalb von vier Wochen 15 Kilo abgenommen und war ziemlich ausgelaugt.

Seit über einem Monat schleiche ich nun im Schnecken-Tempo herum. Vorletztes Wochenende haben wir dann die Flucht in die Berge angetreten - wie die halbe Bevölkerung der Costa dei Fiori. Jeder Bergtümpel, jedes Rinnsal zu denen die sonst stolzen Gebirgsflüsse geworden waren, fanden wir umlagert.

Jetzt in der Ferragosto-Woche kommt die Arbeit zu recht an zweiter Stelle, aber es ist längst nicht mehr so wie in Kindertagen, in denen sie zum Erliegen kam, weil Klima-Anlagen noch ein Luxus waren. Chiuso per ferie? Von wegen! Wir gehen Einkaufen, weil die Großmärkte so schön kühl sind.

Und wenn wir dann beladen zur Burg hoch gekeucht sind, begrüßen uns die stummen Mahner unserer eigenen Untätigkeit:

Auf der Fensterbank in der Küche lungern ein langer Pinsel und ein Waschel herum, weil ich die Feuchtigkeitsschäden des Winters immer noch nicht beseitigt habe. Auf der Kommode im Esszimmer wartet eine Blattsäge darauf, dass ich  mit ihr eine Vorhangstange kürze, was wiederum für die Zweitbeste die Ausrede ist, dass die bald nicht mehr frisch gewaschenen Vorhänge noch nicht hängen. Und dann der Tacker. Ein Polster-Gurt sollte erneuert werden, aber dazu müsste man ihn eben in so einem altertümlichen Laden mitten in der Altstadt erst kaufen...

Habe ich gerade mit meinem kochenden Kopf überlegt, ob ich ein Schild an die Tür hänge?

Chiusu per ferie! 

Mittwoch, 5. August 2015

Lauch-Risotto mit grünem Pfeffer

Also wirklich! Da gibt es gefühlte hundert Koch-Sendungen im Fernsehen und Kochbücher stehen hoch im Kurs, aber dann gibt es Leser, die Mails schicken, wieso denn so lange kein Rezept mehr gekommen ist...

Um ehrlich zu sein, war es in den letzten Wochen derart heiß, dass es das bloße Entzünden unseres Gas-Herdes Kochen zur Tortur machte. Allenfalls haben wir den Ofen für Klassiker al forno angemacht. Die Zeit für das Abendessen haben wir gen Sonnenuntergang verschoben, was leicht Verdauliches erforderte. Hier also einer meiner Sommer-Knüller. Klingt nach nichts, ist aber überrraschend köstlich. Zubereitung dauert etwas 20 Minuten, die man allerdings bei kleiner Flamme am Topf verbringen muss, denn Risotti sind immer eine rührende Angelegenheit:


Zutaten:

1 Kaffeetasse runder Risotto-Reis
1 Stange Lauch
2 Esslöffel Butter
2 Teelöffel abgespülter, grüner Pfeffer
1 kleine Knoblauchzehe 
1 Teelöffel brauner Zucker
1 Teelöffel grobes Meersalz
1 Glas guter Weißwein
1/8 l Sahne
1 Würfel Gemüse-Brühe

Zubereitung:

Lauch-Stange gründlich Putzen. Dann den dunkelgrünen Teil grob zerschneiden und mit dem Brühwürfel auskochen.
Den weißen Teil in wirklich feine Scheiben schneiden und mit der Butter in einem flachen Topf anschmoren, bis das ganze glasig wird.
Währenddessen Knoblauch, Zucker, Salz und grünen Pfeffer in einen Mörser geben und gut verreiben. Dann das Verriebene zu den schwitzenden Lauch-Scheiben geben und schön mit der nun braunen Butter verrühren. Nun wird der Reis hinzu gegeben und etwas zwei Minuten angeröstet, ehe die erste Kelle Lauch-Sud langsam angeschüttet wird.
Unter permanenten Rühren warten, bis die Flüssigkeit aufgesogen wurde, um dann weitere Kellen hinzu zu geben. Immer wieder den Biss und die Salzigkeit prüfen! Wenn der Reis nur noch einen leichten Kern hat, kommt der Weißwein hinzu.
Nun muss man beim Reduzieren aufpassen, dass der Reis nicht anhängt. Erst wenn er pappig wird, kommt schließlich die Sahne hinzu, um den Risotto wieder schlunzig zu machen. Flamme aus!

Sauberes Handtuch zum Abdampfen drüber. Zur Deko  beim Servieren vielleicht nach Gusto ein paar Kräuter  drauf streuen.
Fertig!

Buon appetito!


Das Lauch-Risotto eignet sich übrigens auch hervorragend als Hauptgang.
Entweder kurz in Butter mit Estragon und einigen Tropfen Limonen-Saft kurz gebratene Lachsfilet-Scheiben drüber legen.
Oder vorher mit Ingwer, Limonen-Saft und  Cucuma marinierte und nur kurz angeschwitzte Flusskrebse in eine Mulde des Risotto träufeln... 

Sonntag, 2. August 2015

Magico!

Ist es nicht beruhigend, dass der Mensch in Menge auch von natürlichen, sinnlichen Reizen kollektiv und positiv stimuliert werden kann?

Sieben Grad weniger Hitze und ein paar Tropfen Regen - nach gefühlten vier Wochen Trockenheit - haben die Doppelstadt am Meer überschäumen lassen wie eine Flasche Champagner, deren Kork man knallen lässt. Es gab zwar kaum ein Durchkommen, aber einen tolleren Auftakt für den Höhepunkt dieses Sommers kann sich der Italien-Liebhaber kaum vorstellen;  wie aus den Filmen der 1950er Jahre.

Mit Freunden saßen wir im Pescatore. Dort, wo das Ufer von Borgo di Focce an das von Prino stößt.
Direkt am Meer, ohne Verkehrstrubel und ohne dass irgendetwas den weiten Blick einengte.  Wir waren so zeitig dort, dass wir den Vollmond als riesige Orange aus dem Dunst im Osten steigen sahen. Durch die Krümmung der warmen Luft war er spektakulär vergrößert.

Der Weg für den abendlichen Corso führte quasi durch die Tischreihen direkt an uns vorbei, so dass wir zum Natur-Spektakel auch noch Leute gucken konnten. Nach Westen flanierten die ersten jungen Frauen und Männer in Richtung der Strand-Discos, während die älteren Semester - etwas mehr angezogen - die Bänke unter den Palmen aufsuchten. Dazwischen wirbelten wie gerade aufgezogenes Spielzeug die Enkel. Keine Sekunde zu lang wurde für das Verputzen der Pizze vergeudet.

Eine magische Nacht wie die Rock-Röhre Gianna Nannini sie in ihrem erfolgreichsten Song besingt. Zum Mond wurde ja schon alles gesagt, erforscht, gedichtet und komponiert. Deshalb poste ich nur das Handyfoto, das gut als Kulisse für Carl Orffs Oper "Der Mond" passen würde:











Der Mond ist fort , der Mond ist fort, wer hat ihn denn gestohlen.Der Mond ist fort ,der Mond ist fort wer wird ihn wieder holen.Der Mond ist fort der Ast ist leer wir finden unsren Weg nicht mehr, Weg nicht mehr, Weg nicht mehr, wir finden, wir finden unsren Weg nicht mehr. Männer:Der Mond ist fort,der Ast ist leer,wir finden unsren Weg nicht mehr.Kinder:Ist ein böser Dieb gekommen hat das Licht hinweg genommen, hats wohl hinterm Berg vergraben wo alle Leute fragen Alle:Wullehu!Wullehu!Wullehu!Wullehu!Wullehu!Finsternis,Finsternis.Finsternis,Finsternis deckt alles zu.Männer:Verdammter Schulttheiß gib uns den Mond her wir wollen, wollen,wollen,wollen,wieder unsren Mond.

Donnerstag, 30. Juli 2015

Von Ameisen lernen

Heute war der Piazza-Kater Lazaro mal so richtig sauer. Er konnte sich winden, räkeln, putzen und gelangweilt gähnen. -  Ich nahm keine Notiz von ihm, weil ich etwas Spannenderes zu beobachten hatte:

Zwischen den zementierten und gefärbten Kieseln der Piazza hatte sich eine Ameisen-Straße gebildet. Sie verlief vom Lorbeer kommend parallel zu unserem Haus in einen Blumenkasten beim Nachbarn auf der anderen Seite. Es war anzunehmen, dass sich auf einer der beiden Seiten etwas Verlockendes befand. Aber so weit ich auch der Ameisenstraße folgte, ich fand nicht heraus, was es war.

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich ein hirnloser Ameisen-Killer bin, der panikartig zur Sprühdose greift, sobald er im Haus die ersten Späher entdeckt. Das unterscheidet mich von Henning Mankells Helden in dem äußerst lesenswerten "Anti-Wallander-Roman"  Die italienischen Schuhe. Der lässt stoisch  zu, dass ein Ameisenvolk in seinem Wohnzimmer einen Haufen baut, um zu überwintern.

Von den 200 Ameisen-Arten, die es in Europa gibt, haben wir auf der Burg ungefähr 10 Prozent: Von den winzig kleinen Roten, die höllisch zubeißen, bis zu den großen Schwarzen  Der Feind sind jedoch die mittelgroßen Braunen, die auch bei uns sofort auftauchen, wenn jemandem im Garten etwas Essbares runter gefallen ist. Einmal hatte ich oben im Wohnzimmer ein paar nachlässig verpackte Haferflocken-Kekse auf dem Couch-Tisch vergessen. Nach ein paar Stunden Abwesenheit war die Verpackung ein halber Ameisen-Bau, und die Brösel wurden über eine Straße, die vom Wohnzimmer über die Terrasse die Hauswand hinunter in die Gasse führte, abtransportiert. Das sind gute 25 Meter!

Wie machen Ameisen das?

Auf der Piazza konnte ich beobachten, dass sehr viel davon abhängt, wie gut sich die Späher orientieren können. Sie spüren die Nahrung auf und rasen dann auf dem vermeintlich kürzesten Weg in das Nest zurück, wobei sie Duftstoffe und Sekrete als Wegweiser für die Kollegen zurück lassen. Zurück im Bau spucken sie Proben aus und verteilen sie an das "Fußvolk", das sich hektisch sofort auf den Weg macht. Unfassbar, was die für ein Tempo entwickeln!

Aber das ganze hat natürlich einen Haken: Die Späher sind oft so aufgeregt, dass sie nicht unbedingt den kürzesten Weg finden. Auf der Piazza verläuft ein Muster linear. Die Kiesel sind also in einer Reihe angeordnet und entsprechend bildet der Zement dazwischen einen schnurgeraden Weg. Einige der anderen Späher haben diese Direttissima gefunden, aber konnten sich daheim wohl nicht durchsetzen. Also war die "Autobahn" längst nicht so frequentiert wie der Hindernis-Parcours über den sich alsbald das Gros der Heerscharen ergoss...

Vor gut 20 Jahren war ich an der Promotion eines Wege-Verlagerungs-Konzeptes in den Alpen beteiligt. Es stellte sich heraus, dass Abkürzungen bei Zickzack-Wegen zum Gipfel, die Einzelgänger angelegt hatten, dazu führten, dass immer mehr Wanderer diesem schlechten Beispiel folgten. Schlecht deshalb, weil die Abkürzungen bei Wolkenbrüchen auch den Wasserfluss durch das steilere Gelände veränderten. Die Folge: Korrosion, Auswaschungen und fort gespülte Wanderwege.

Die Lösung gegen das "Follower-Syndrom" war zwar einfach und zunächst teuer, aber sie rettete die angelegten, sichereren Wander-Routen. Ein paar Zwerg-Fichten und eine Knie hohe Barriere aus Holzstämmen lenkten auf Dauer von der Abkürzung ab.

Zurück zu den Ameisen: Das Interessante war, dass sie ja auch mühelos direkt über die wahllos verstreuten Kiesel hätten klettern können. Das taten sie nämlich vereinzelt. Dort, wo den Spähern wohl der erhöhte Punkt auf dem Rückweg zur Orientierung  gedient hatte...

Sind die denn blöd? Nein, ganz und gar nicht! Ameisen sind auf funktionierenden  Massenverkehr auch im unübersichtlichen Gelände angewiesen. Da kommt es auf Verkehrsplanung ohne Stau-Zonen an.

Im Internet erfuhr ich von Verhaltensforschern, die einem Ameisen-Volk auf dem Weg vom Bau zur Nahrung eine breite Brücke und einen Engpass angeboten hatten. Auf der breiten Brücke kam es genauso wenig zum Stau wie im Engpass. Ameisen passen ihr Verkehrsverhalten den jeweiligen Umständen an. Sie wechselten sich selbstverständlich mit dem Gegenverkehr ab, warteten geduldig oder praktizierten sogar das Reißverschluss-System.

Die größte Überraschung war jedoch, dass der Nahrungsmittel-Transport auf beiden Varianten gleich schnell war.

Sollten wir am Ende noch von den Ameisen lernen können?

Sorry ihr Schlaumeier! Im Haus mag ich euch trotzdem nicht haben...

Dienstag, 28. Juli 2015

Don Marinos Augen

In einem extrem überalterten Dorf wie dem unseren, sind die Totenglocken natürlich öfter zu hören als andernorts. Im Moment will das langsame Schlagen nicht zu dem pulsierenden Leben mit spielenden Kindern und heiterem Lachen der Urlaubsgäste passen. Aber mir jagt der langsame
Rhythmus trotz der Hitze immer einen kalten Schauer über den Rücken. Deshalb zähle ich auch nicht mit.

Die "Zweitbeste" hat irgenwie heraus gefunden, dass die Campanologie auch hierbei nach Regeln erfolgt. Wer mitzählt, kann herausfinden, ob eine Frau oder ein Mann gestorben und wir alt sie geworden sind. Am Ende jedenfalls stirbt der Klang der große Glocke und wird nach ein paar Sekunden durch das heftige Gebimmel kleinerer Glocken abgelöst.

Zuhause gehe ich schon nicht auf Beerdigungen, denn mich schmerzt der sogenannte "letzte Gang" ganz sicher mehr, als den oder die im Sarg. Dabei geht das hier recht lässig ab. Bei der Beerdigung unseres direkten Nachbarn, dem früheren Bürgermeister, war ich der einzige schwarz Gekleidete mit Kragen und Krawatte. Ansonsten erschien mir die "große Leiche" eher wie eine "Komm-wie-du- bist"-Party.

Die Trauer erscheint mir hier entspannter und natürlicher. Das liegt wohl daran, dass die meisten im Borgo durch ihr langes Leben und ihren unverrückbaren Glauben genug Zeit haben, um sich auf die Ewigkeit vorzubereiten.

Wie komme ich drauf? Der von mir früher gerne als der "böse Dorfgeist" zitierte Don Marino scheint im neunten Jahrzehnt seines Lebens noch einen seelischen Wandel durch zu machen. Ich war ja Ziel manchen bösartigen Schabernacks.  Seit er alle seine Geschwister überlebt hat, beginnt er mit mir zu reden. Jedesmal ein wenig länger.

Früher hat sein hohe Krächzstimme nur ligurischen Dialekt ausgespuckt, wenn ich ihn nach seinem Befinden gefragt habe. Jetzt kommt zwar noch sein kurzes Hexer-Lachen, aber dann redet er auf Italienisch mit mir. Ein Anflug von Altersmilde?

Kein Zweifel, er wird von Tag zu Tag dünner. Mein Freund Paul nennt das "tapezierte Knochen".
Aber Don Marino ist zäh, selbst bei dieser Mörder-Hitze geht er zu dem verwaisten Haus seiner verstorbenen Schwestern hinunter und schaut nach dem Rechten. Aus alter Gewohnheit hat er einen großen Beutel mit Tomaten dabei. Er sitzt da im Schatten der Treppenbögen zur Piazza.

"Sono un po pazzo a desso."

Bin jetzt ein wenig verrückt. Die sind ja gar nicht mehr da, um daraus Tomaten-Sauce zu machen.
Willst du ein paar von denen?

Hallo? Habe ich mich verhört? In all den 15 Jahren hat er uns noch nie etwas angeboten, und nun muss ich ablehnen, weil wir uns am Tag zuvor reichlich eingedeckt haben.

Ich erkläre es ihm und bedanke mich artig. Er schiebt seine unvermeidliche Base-Cap aus der Stirn und lächelt so, dass es auch in seinen Augen ankommt. So tief wie sie liegen, so tief lassen sie mich einen Blick in die Ewigkeit gewähren.

Wenn ich ihn überlebe, und ich gerade im Borgo bin, werde ich zu seiner Beerdigung gehen. Allein für das Hoffen, dass es im Alter doch noch einen seelischen Wandel gäbe...

Freitag, 24. Juli 2015

Vom Friedhof der toten Computer

Die noch relativ neue US-Serie "Halt And Catch Fire" sollte eigentlich Pflichtprogramm für alle Teeny-Nerds sein. In ihr wird der harte Kampf um die Neuheiten der Computer-Industrie gegen Ende der 1980er beschrieben. Da habe ich mitten drin gesteckt. Vor allem als es darum ging, die schweren Dinger als "Laptop" auf Aktenkoffer-Format zu reduzieren. Aber das ist nicht der Aufhänger für den heutigen Post.

Vielmehr ist es so, dass ich den Blog zur Zeit tatsächlich mit einem Laptop bedienen muss, weil ich in einem regelrechten Computer-Friedhof lebe. Das liegt einerseits an der Rasanz der Entwicklung andererseits daran, dass die Bestimmungen für Sondermüll in unserer Gemeinde so kompliziert sind, dass man die ordnungsgemäße Entsorgung so lange hinaus schiebt, bis es kühler, oder nicht mehr so schön, oder nicht von anderen Vorhaben überlagert wird. Schließlich will ich nicht solche Umweltsünden begehen wie manche Nachbarn, die ihre "rifiuti ingombranti" einfach in unseren schönen Wäldern "dumpen".

Mein Sohn bekam bereits im Hauptschul-Alter einen der ersten abgelegten Computer aus unserer Firma. Schon nach vierzehn Tagen war klar, dass ich mit ihm niemals Schritt halten werde können. Obwohl bei der grünen Schrift auf dem Flimmerbildschirm alle Befehle für halbwegs interessante Vorgänge auf Englisch waren, hatte er keine Mühe zum Beispiel Quest-Spiele bis zum glorreichen Ende zu lösen. Diese anglistische Prägung blieb ihm bis zum Studium, aber nebenher konnte er reparieren und aus Einzelteilen individuelle superschnelle Computer basteln, die billiger kamen als vergleichbare Industrie-Modelle.

Zwischen denen sitze ich jetzt hier auf der Burg, weil er vor seinem starken beruflichen Engagement versprach, aus drei alten zwei neue zu basteln. Im Moment kann er sich noch nicht einmal einen Kurz-Urlaub abzwacken. Deshalb hat er mir einen Laptop gegeben, den seine Schwester bei ihrem Besuch hier vor kurzem als "cool" bezeichnete. Da sie eine Ader für Vergangenes hat, nehme ich an, dass so ein Ding vollkommen oldstyle ist.

Ich hasse das mauslose Gerät, weil es auf die leichteste, falsche Berührung mit ausgeführten Befehlen reagiert, für deren Behebung ich manchmal länger brauche als für den ganzen Post. Zudem beschweren sich Leser der ersten Stunde, dass sich in meine Veröffentlichungen immer mehr Fehler einschleichen. Das liegt aber nicht am Laptop, sondern an meiner rechten Gehirnhälfte, die mein Tippen mit links schneller macht als die rechte Hand...

Das sollen alles keine Ausreden sein, sondern meine Furcht schildern, was wird, wenn diese Zigarren-Kiste bei aktuellen 34 Grad auch noch schlapp macht.  Dann habe ich ja noch mein Tablet und in aller letzter Not noch mein Smartphone. Schließlich versuche ich ja seit 30 Jahren vergebens auf Augenhöhe mit der Entwicklung zu bleiben. Halt and catch fire!

Keine Sorge! Der Blogger stirbt zuletzt.

Montag, 20. Juli 2015

Das bessere Ich am Rand der Galaxien

In diesen Nächten, in denen ich wegen der Hitze kaum schlafen kann, schleiche ich mich unbemerkt von der "Zweitbesten" gerne auf die Terrasse und lege mich auf die Fliesen. Die strahlen noch immer die Gluthitze des Tages aus, aber von oben decke ich mich mit der Kühle des hier unendlich klaren Sternenhimmels zu.

Erinnert ihr euch noch an die Bilder, die man nur lange genug anstarren musste, damit sie räumlich wurden und ein verborgenes Sujet frei gaben? Genau so geht es mir mit dem Himmel über der Burg. Ich starre in ihn hinein, und auf einmal rasen die Sterne heran. So wie in Science-Fiction-Filmen das Überwinden der Licht-Geschwindigkeit inszeniert wird.

Nur mit einem Unterschied. Ich rase 60 Jahre zurück in der Zeit und liege am Strand der Bucht von Kotor im ehemaligen Jugoslawien. Neben mir nur mein Vater, der mir geduldig Fragen zum Universum beantwortet. Gerade noch waren wir im an Plankton so reichen Wasser und haben über unsere neonfarben leuchtenden Gliedmaßen gestaunt.

Diese Momente der Vater-Sohn-Zweisamkeit konnte ich mit den Fingern meiner Hände abzählen. Von früh an war ich ihm suspekt, weil ich nicht so funktionieren wollte wie meine beiden reichlich älteren Schwestern. Aber das gehört nicht zum Thema. Es soll nur erklären wieso diese Erinnerung immer noch so lebendig ist.

Mein Vater war ein universal gebildeter Mann, der als Jurist eine merkwürdige Ader für Statistiken und Analysen hatte.

Auf meine Frage, ob es da oben irgendwo einen Stern wie die Erde geben könne, sagte er nur lapidar:
"Klar, gemäß der Unendlichkeit ist es sogar möglich, dass es die Erde bis ins Detail noch einmal gibt.
Also mit dir und mir hier am Strand, nur hoffe ich, dass du dort vielleicht nicht soviel Unsinn machst. Aber das werden wir nicht herausfinden, weil die Entfernungen im All so unermesslich sind, dass selbst, wenn wir in Lichtgeschwindigkeit reisen, die Dauer eines Menschenlebens nicht ausreicht."

Einstein war in Jahr zuvor in Princeton gestorben. Mein Vater war ein großer Fan von ihm und seiner Theorie, dass sich jenseits der Lichtgeschwindigkeit die Materie auflösen würde. Aus dem Kopf konnte er die magischen Ziffern herunter beten, die ich gerade nachschauen musste: 299 792 Kilometer pro Sekunde.

Unser VW-Käfer, mit dem wir im Balkan unterwegs waren, machte gerade mal, wenn er gut aufgelegt und nicht mit Familie samt Gepäck beladen war,
120 Sachen bergab auf der Autobahn.

Damals hatte ich auf einmal unheimliche Angst vor der Unendlichkeit angesichts der Endlichkeit des Menschen. Und ich denke heute noch, dem Albert Einstein haben seine Theorien auch eine Heidenangst eingejagt. Dem physikalischen Theoretiker half die Hinwendung zu Gott.

Ich war in der Zeit nach dem Strand-Erlebnis mit meinem Vater nur froh, dass er nie herausfinden würde, dass das andere Ich in der Unendlichkeit am Ende der Galaxien vielleicht doch braver war als ich...            

Samstag, 18. Juli 2015

Gewöhnungseffekte

Sich Träume zu verwirklichen, ist mitunter nicht nur schwer, sondern auch recht gefährlich. Verwirklichte Träume sind sofort Realität mit gelegentlich kurzer Halbwert-Zeit.
Als vor 150 Jahren der Brite Edward Whymper am Matterhorn triumphierte, passierte auf dem Abstieg der tragische Unfall mit einem Teil seiner Seilschaft, der bis heute diskutiert wird.

Mein wichtigster journalistischer Lehrer gab mir in dieser Thematik einen wichtigen Rat mit auf den Weg:

"Pass auf, wem du beim Aufstieg auf die Hände trittst, es könnten nämlich die sein, die dich beim Absturz noch auffingen..."

Dennoch habe ich - wie wohl jeder Mensch - versucht, mir auch einige Träume zu erfüllen. Rückblickend - ohne die Energie der Jugend - denke ich mir, wie bescheuert die meisten Beweggründe waren und wie verzichtbar das Erstreben gewesen wäre. Etwa wie viel zu schnelles Fahren in sportiven Autos oder Gegenstände zu sammeln, die irgendwann wertlos verstauben, weil sie nicht mehr "in" sind.

Es muss gar nicht mal Gier sein, die Mann anhand von Gewöhnungseffekten überwindet, manchmal erweist sich ein ehrlicher Traum auch als Chimäre. Wenn in der Künstler-Szene die schönsten Männer der Welt die unerreicht schönsten Frauen heiraten, geht das nur selten gut, weil zuviel Schönheit nicht alltagstauglich ist.

 Mit unserem Haus hier gegenüber der Burg ging es mir eine Zeit lang ähnlich. Es war einfach zu schön, um wahr zu sein. Aber jedes Mal, wenn ich ins Zweifeln kam, musste ich daran denken, was wir alles getan haben, um uns unseren Traum zu erhalten. Und das ist - glaube ich - der springende Punkt. Ein Traum darf nicht in der Realität verschwinden.

Ein Beispiel: Im ersten Winter hier brachen bei einem Sturm mehrere Badewannen voller Regen-Wasser in das Zimmer, das wir als Schlafzimmer auserkoren hatten. Wir blieben dennoch bei der Entscheidung, obwohl es uns bis heute nie ganz gelungen ist, den geheimen Wasserfluss in den nicht mehr sichtbaren Lücken der ehemaligen Trocken-Mauer ganz versiegen zu lassen.

Wenn ich mich morgens im Bett aufrichte, blicke ich seither auf den Bergort  gegenüber, der bezeichnender Weise übersetzt "der Lichtgeborene" heißt. Jahrelang hatte ich eine kleine Kamera neben dem Bett, um all diese Stimmungen mit den ersten Lichtstrahlen einzufangen. Mit den digitalen Fotografien, die ja leicht zu löschen sind, müssen es wohl an die Tausend Fotos gewesen sein, die mich erkennen ließen, dass ich an dem Traum scheitern würde, diese Impressionen zu malen.

Und dann kam die Zeit der Achtlosigkeit. Wenn ich auf die Terrasse ging, nahm ich den grandiosen Rundblick kaum mehr war. Auf der Piazza saß ich stumpfsinnig herum, weil mir auf einmal klar wurde, dass vieles, was ich mir für hier verträumt hatte, nicht mehr ging: Skifahren in den Seealpen, die Pässe hier mit dem Rad fahren wie in den Anfangsjahren und jeden Tag mit dem Boot auf Fang gehen... Nichts schien vom Traum übrig geblieben zu sein.

Die "Zweitbeste" wurde nie umgetrieben, sie nahm dadurch alles viel konzentrierter wahr. Jeden Tag sagt sie voller Inbrunst: "Mein Gott - soviel Schönheit. Du musst nur immer gucken!"

Das tue ich jetzt. Mein eigener Spruch "Wer keine Träume mehr hat, hört auf zu leben!" erweist sich als vollkommen falsch. Einatmen, ausatmen - und ruhig weiter atmen...

Mittwoch, 15. Juli 2015

Claus Merkel?

Gut, dass ich im vergangenen Jahr einen schrecklich realistischen Spielfilm über die Zustände in italienischen Callcentern gesehen habe. Sonst müsste ich denken, dass sich die Deutschen in Italien auf eine Welle der Antipathie einrichten sollten. Seit das Telefon-Marketing mehr oder weniger verboten ist, müssen diese Center mit autorisierten Adressen und Informationen "hausieren" gehen.
Die Mitarbeiter und ihr Boss werden nach Abschlüssen bezahlt. Das erklärt vielleicht, wieso wir mit einer penetranten Hartnäckigkeit ein gutes Dutzend mal in gleicher Sache angerufen wurden:
Es ging um den Neuabschluss eines Vertrages mit meinem hiesigen Lieblings-Energieversorger ENEL. Der Text mit dem Versprechen von 30prozentigem Rabatt auf unseren Stromverbrauch wurde ohne Möglichkeit zur Gegenwehr herunter geleiert.

Auch unsere Versicherung, dass wir unter kuriosen Umständen nach 15 Jahren von der ENEL im April gerade zum Neu-Abschluss genötigt worden seien, half nichts. Mindestens fünf mal legte die "Zweitbeste" selbst nach Fehlversuchen in Englisch auf. Dann landete der äußerst verärgerte Capo di tutti Capi persönlich bei mir. Ob ich denn kein Geld sparen wolle?

Also noch einmal geduldig die jüngste Schilderung unserer Geschäfts-Beziehungen zu dem Beinahe-Monopolisten. Jetzt vergaß der Mann, der ja eigens in psychologischen Verkaufsgesprächen geschult sein sollte, nicht nur, dass ich der Kunde bin, sondern auch seine Erziehung - wenn er denn je eine genossen hat.

Ob er denn mit Claus Merkel spräche, so stur, wie ich sei. Und überhaupt, wieso ich mir denn ein Haus in Italien kaufte, wenn ich zu blöd sei, anständig Italienisch zu lernen...

Die "Zweitbeste" und ich waren den halben Abend recht wütend. Hinterher fielen mir Formulierungen ein, die ich hätte anbringen können. Unter anderem Matteo Renzis "genug ist genug!" vor der vorläufigen Lösung des Griechenland-Problems.

Inzwischen hat sein Finanzminister ja gepetzt und verraten, dass nur (!) drei Staaten der Euro-Zone vor den endgültigen Verhandlungen bereit gewesen wären, durch zu winken. Italien war nicht darunter...

Es ärgert mich wider besseren Wissens, dass ausgerechnet Deutschland, das gerade wieder federführend bei der Aufklärung eines internationalen 300-Millionen-Steuerbetruges war, durch manipulative Presse-Berichte wegen dieser strikten Politik vom Süden Europas angefeindet wird, anstatt dass der selbst endlich ehrlicher Steuern zahlt...

Aber dann fällt mir wieder die Sippe unserer Lieblings-Pizzeria in München ein. Von der sprechen nur die in Deutschland Geborenen Deutsch. Mario, der Urvater, seit gut fünfzig Jahren in München, spricht nach wie vor ungefähr so Deutsch wie ich Italienisch. Er zahlt reichlich deutsche Steuern, ist Fan des FC Bayern und vermittelt dennoch unverfälschte italienische Momente.

Keinem seiner Gäste würde es jemals einfallen, ihm angesichts seines umfangreichen Immobilien-Besitzes in München, sein mangelhaftes Deutsch vorzuwerfen.

Offenbar muss Europa doch noch viel lernen.

Sonntag, 12. Juli 2015

In der Hitze der Nacht

Es kommt selten vor, aber gestern Nacht war es so weit. Tagsüber hatte sich unser Gemäuer derart aufgeheizt, dass es nicht mehr wie sonst kühlte, sondern die Innentemperatur höher steigen ließ als die Außentemperatur. In solchen Nächten geraten die Sinne samt ihren Wahrnehmungen, gern mal aus den Fugen.

Seit ein paar Tagen sind unsere liebsten Nachbarn, Paula und Paul, zu ihrem traditionell zweiten Term im Borgo. Natürlich wurde das Wiedersehen gleich eine halbe Nacht lang auf der Piazza gefeiert. Paul gab wegen eines Gicht-Anfalls, den er gerne nach alter Schule mit Grappa, Wein und Bier behandelt, etwas früher auf. Ich ebenso, weil ich mein Limit schon früh erreicht hatte. Die beiden Damen harrten kichernd und schnatternd noch etwas länger aus. Es war weit nach Mitternacht, als sie sich auch in die Häuser zurückzogen...

Als Zwischenbemerkung muss darüber aufgeklärt werden, dass die Gassen - samt den engen Abständen zu den Häusern gegenüber - zu merkwürdigen Resonanzen führen.

Paulas Badezimmer liegt etwas versetzt ein paar Meter von unserem Schlafzimmer entfernt. Wer will, kann dem Ehealltag der Paare lauschen, was aber keiner tut. Bis eben gestern:

Beim nachmitternächtlichen Zähneputzen vermeinte Paula aus unserem Schlafzimmer eindeutige Laute zu vernehmen und war darob einigermaßen indigniert. Warum, war ihrer Erzählung nicht eindeutig zu entlocken. Nehmen wir also an, weil sie uns derartige Aktivitäten nicht zutraut oder sich gemessen an unserer Figürlichkeit einfach nicht vorstellen mochte...

Jedenfalls zog sie sich rätselnd zurück und wurde stantepede aufgeklärt:
Wie üblich hatte sie automatisch den Fernseher nebenan angeschaltet, weil sie noch auf Spätnachrichten hoffte. Stattdessen wurde in der Flimmerkiste aber ein Mann in anhaltender Tortur zu Tode gebracht. Paula war erleichtert.

Und ich erst! Romantiker sprechen ja beim Liebe Machen von kleinen Toden, die einen am Ende ereilen. Aber ich glaube, die "Zweitbeste" hätte es mir irgendwann gesagt, wenn das auch so geklungen hätte...

Mittwoch, 8. Juli 2015

Vampire Diary

Ehrlich Leute! Ich kenne das Rezept für eine dauerhafte Ehe nicht. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ich einer der lausigsten Ehemänner bin  und war. Jedenfalls würde ich es noch nicht einmal unter die ersten 100 der Weltrangliste bringen. Während die "Zweitbeste", gäbe es Ephraim Kishons Urheberrecht, Ideen- und Gebrauchsmuster-Schutz nicht, längst die unangefochtene Nummer eins, also "die Beste von allen" wäre...

Dass wir in ein paar Wochen 40 Jahre verheiratet und 2017 50 Jahre zusammen sind - alles ihr Verdienst. Sie kümmert sich und sie opfert sich. Hätte ich jemals nur einen Anflug von Zweifel, müsste ich nur auf diese heißen Tage warten. Da beobachte ich aus sicherer Distanz hinter den Zanzariere wie das kleine Persönchen sich mit schweren Gießkannen abschleppt, um die Piazza frisch und blühend zu erhalten. Jedes Mal, wenn sie einen Topf wässert, steigt aus ihm eine Wolke blutrünstiger Beißer hoch und fällt über sie her. Aber lässt sie sich dadurch abschrecken? Nie und nimmer!

Dass ich mir dann abends im Bett ihr Gejammer über die vielen Bisse anhören muss, sehe ich nur als fälligen Tribut für ihre Opferbereitschaft. Während ich ihr alle Stellen mit Fenistil betupfe, an die sie nicht herankommt, tue ich mitleidend so, als hielte ich ihre Schilderungen für spannend. Kurioser Weise kann sie sich immer erinnern, wann und wie welches Monster zugebissen  hat. Das ist gewissermaßen ihr Vapire Diary. Ob Mücke oder Papataci. Letztere verursachen auf ihrer weichen Haut kleine Vulkane, so dass - wenn ich sie über den Rücken streichelnd in einen möglichst vom Juckreiz freien Schlaf summe - an Papua Neuguinea denken muss.

Zu einer guten Ehe gehört absolut, dass man dem Partner das eine oder andere Verletzende vor enthält. So verschweige ich ihr, dass ich im ersten Morgengrauen immer wieder von Papataci umschwirrt werde, die es durch unsere Abwehrmechanismen geschafft haben. Nach ein paar Umkreisungen um meine Nase setzen sie sich dann stets seelenruhig auf ihre  Arme, Schultern und Beine, um sich ihren Morgen-Drink zu gönnen. Soll ich die vielleicht abklatschen? Dann wacht meine Königin doch auf! Und ehrlich, was machen schon ein paar Bisse mehr oder weniger bei ihr aus?

Aber irgendwie ließ mir das mit ihrem süßen Blut und dem fast generellen Verzicht auf meines doch keine Ruhe:

Gestern also habe ich die Piazza mit Wasser versorgt. Was soll ich sagen. Es sind weder Wolken aufgestiegen, noch habe ich einen einzigen Biss davon getragen...

Entweder sie saufen sich am Blut der "Zweitbesten" für mehrere Tage satt. Oder sie halten mich generell für ungenießbar. Siehe Einleitung.