Mittwoch, 24. August 2016

Badegäste

Der kleine Punkt in der Schale ist ein Bergfink.
Näher heran kommt die
"Bademeisterin" nicht
Erdbeben in Perugia, Bomben in Thailand, Quasi-Hinrichtungen auf den Philippinen - die Welt scheint immer unsicherer zu werden. Von all dem bekommen wir hier auf der Burg nur via Internet und TV etwas mit.
Die Burggeister plagen weit geringere Probleme, aber wir  vom Komfort verwöhnten Europäer gewichten das nicht. Seit Wochen hat es nur ein zwei Mal kurz geregnet, und wie immer hängt die Gemeinde Zettel aus, dass das Wasser knapp wird und nicht verschwendet werden darf. Die Hausbesitzer, die von der Vermietung an Touristen leben, finden das gar nicht komisch. Vor zwei Jahren hatten sie bei der Wasser-Sperre durch abreisende Mieter ordentliche Verluste. Aber jetzt reagieren sie auf jeden Abfall des Wasserdrucks mit Panik, und sparen sollen natürlich immer die anderen.
Wenn meine Frau die Gemeinde-Pflanzen auf der Piazza gießt, wird das während der anderen Jahreszeiten sehr begrüßt, jetzt aber sieht die Nachbarschaft das Gießen schon mit Argwohn. Dabei ist die Piazza mittlerweile ein pittoreskes Aushängeschild der Gemeinde.

Wenn die wüssten, was sie auf unserer Terrasse für ein "Gewerbe" betreibt, würde sie zur Strafe mit dem Schlauch abgespritzt:

Den Einheimischen, die sie ja Jahrzehnte lieber verspeist haben, fällt gar nicht auf, dass kaum noch Vögel im Borgo singen. Wie sollten die auch - mit trockener Kehle? Die meisten gefiederten Freunde sind unten am Fluss oder belagern die Laghetti, wo aber Ringelnattern ihr Leben nicht vereinfachen.

Nur die winzigen Bergfinken harren hier aus. Sie sind zwar kaum größer als Zaunkönige, haben aber auch Durst und Bedarf an Körper-Pflege. Einmal hat meine Frau aus Versehen einen voll gelaufenen Topf-Untersetzer stehen lassen. und schon war dieser als Badeanstalt beschlagnahmt worden.

Seither wird das Bad pünktlich um fünf Uhr eröffnet, und die kleinen Aspiranten warten schon auf der Antenne, bis sie an der Reihe sind...

Was für ein Planschen und genussvolles Schnattern in trockenen Zeiten



Sonntag, 21. August 2016

Shine On Me!

Fußball unter Gottes Segen und mit Flutlicht!






















Wer ein normales Fernglas hat, könnte von unserer Terrasse sehen, wie sich die Bewohner des zu unserer Gemeinde zählenden Nachbarortes gegenüber  in der Nase bohren oder am Kopf kratzen. So nah sind wir beieinander. Und doch trennt uns ein tiefes Tal.

Natürlich beobachten wir sie nicht durchs 'Fernglas, sondern folgen den elegant kreisenden Rauhfuß-Bussarden, so wie die entfernten Nachbarn das auch tun. Der Tal-Schulter entlang ist es eine Fahrt von ein paar Minuten, zu Fuß - je nachdem ob bergauf oder bergab - sind es zwanzig Minuten bis zu einer halben Stunde.

Unser Capo Luogo hat zwei Klein-Fußball-Felder und einen Tennisplatz sowie noch den Hartplatz direkt am Gemeinde-Zentrum, wo aber fast nur noch die Sagre (Essen mit Musik und Tanz aus besonderen Anlässen) veranstaltet werden. Die Plätze sind im Sommer nahezu verwaist. Wer will sich bei Kunstrasen-Temperaturen von um die fünfzig Grad schon Brandblasen holen?

Im Nachbar-Ort, der so extrem auf einer Felsnase liegt wie unser Castello hier oben, sind die Gassen noch enger. Wer so Wand an Wand und Fenster an Fenster lebt, bekommt einiges mit, und deshalb verhält sich die Bewohnerschaft deutlich reservierter. Die Kinder von unserer Bekannten Juliane mussten deshalb auch nicht groß aufgeklärt werden...

Aber was wir leider schon lange nicht mehr haben, ist ein Restaurant oder eine echte Bar, wo man sich am Abend auf einen Drink verabreden kann. Unser Nachbar-Ort hat beides. Das Restaurant serviert seit Jahr und Tag zum Preis von 23 Euro ein vier Gänge Menü mit Wein und Kaffee inklusive. Die Vorspeisen sind frisch angerichtet und frittiert. Die Pasta ist legendär, und großartiges Fleisch erwartet man in Ligurien eh eher selten. Aber es ist tadellose Casareccia.

Sind unsere Nachbarn gelegentlich mal aufgetaut (- wie die Wirtin bis zum Nachtisch), dann erfährt man von einem überraschenden Zusammenhalt. Juliane ist die Verbindung zum dezenten Tourismus, der dort längst nicht das Dorfleben derart tangiert wie bei uns.

Das kann im Ernstfall so aussehen wie am vergangenen Wochenende: Ein Holländer hat fürchterliche Zahnschmerzen. Ein türkischer Taxi-Unternehmer aus Hamburg bittet Juliane um Hilfe. Die ruft die ganze Küste nach einem Notdienst ab. Der hat Sonntagsdienst, arbeitet also erst ab dem nächsten Morgen. Man möchte sich doch bitte an den Kollegen wenden , der am Samstag Bereitschaft hat. Aber es ist bereits viertel vor Sechs.

Juliane lässt nicht locker und erreicht den Dentista, der gerade am Gehen ist. Ein Viertelstunde könne er noch warten. Hier erweist sich die in Deutschland geborene Psychologin mit ihrem perfekten Italienisch in Engelszungen  als unersetzlich. Ende gut, alles gut, als sie erklärt, wo sich der vom Zahn geplagte Flachländer aufhält.

Als wir vom Essen mit Juliane aus dem Restaurant kommen hat uns das Hamburger Taxi eingeparkt. Was aber nichts ausmacht, weil jeder den Türken kennt. Bis er kommt, beobachte ich, wie ein Vater vor dem Kirchen-Portal mit seinen Buben Fußball spielt. Die Eingangs-Säulen sind das Tor, und die Beleuchtung sorgt für das Flutlicht. Der Abend ist kühl und friedlich.

Da denkt auch der Agnostiker:"Shine on me!"

Mittwoch, 17. August 2016

Dolce Vita oder Dolce Far Niente?

Mit den "Italienischen Momenten" bei uns Deutschen nördlich vor den Alpen ist es genauso wie mit den Handys und Smartphones. Irgendwann wurden sie so zur Gewohnheit, dass man nicht mehr genau weiß, wann das eigentlich alles angefangen hat.

Unser Pizza-Meister Mario hat in München 1960 angefangen. Drei Generationen meiner Familie haben bei ihm alle Varianten, des Teig-Fladens schätzen gelernt.

Es heißt immer, dass die ersten Pizzerie wegen der italienischen Gastarbeiter entstanden. Das kann kaum sein, denn in Würzburg gibt es seit 1952 immer noch die erste Pizzeria Deutschlands. Ich denke, es ist vielmehr so gewesen, dass der Reise-Boom des Wirtschaftswunders für den Siegeszug der italienischen Gastronomie bei uns gesorgt hat. Sonst hätte es doch die Geschmacksverirrungen mit den in Bast gehüllten sogenannten Chianti-Flaschen, die von Kerzen betropft wurden, gar nicht geben können.  Am Gardasee ging das schon los mit diesen Flaschen, und wenn man bedenkt, dass der Chianti Classico mit dem Gallo Nero als Gütesiegel heute in Bestform kaum mehr zu bezahlen ist, muss das ein ziemliches Zeug gewesen sein.

Dann bestimmten eben das süße Leben und das süße Nichtstun unsere italienischen Phantasien. Denn die zweite Italien-Hype hat Regisseur Federico Fellini 1960 mit seinem  einzigartigen SW-Film "La Dolce Vita" ausgelöst. Aber noch war da unser Italien-Bild mehr als mit Klischees behaftet. Das im gleichen Atemzug zur Lebens-Formel erkorene "süße Nichtstun", "Il Dolce Farniente"  als Redewendung hat übrigens kurioserweise den ältesten Ursprung  -  das war nämlich der Titel eines finnischen Gedichtes von Aaro Hallakoski, das jener bereits 1926 veröffentlicht hatte.

Italienische Gastronomie ist heute aus unserem Alltag in Deutschland nicht mehr weg zu denken. Sie hat mittlerweile einen gewissen Gourmet-Rang erklommen, der mit der realistischen Qualität der Darbietung kaum mehr etwas zu tun hat. Gäste werden gerne mit Handschlag und persönlichen Fragen begrüßt, als seien sie etwas Besonderes, aber deshalb wird gerne leichtfertig darüber hinweg gesehen, dass die Leistungen ohne das ganze Chichi kaum noch mehr als Durchschnitt erreichen.

Wenn meine italienischen Freunde nach Deutschland kommen, fallen sie immer wieder in Ohnmacht angesichts der Preise, die ihnen für kaum originäre Küche von ihren Landsleuten dort abverlangt werden.

Um es klar zu sagen: Auch hier ist das gute Essen nicht billig, aber die Zutaten sind frisch, und auch Ausfälle kann sich keiner leisten, denn wenn die Touris erst einmal wieder fort sind, übernehmen die Einheimischen das Kommando. Das häufige Verschwinden von einst angesagten Adressen kommt nicht von ungefähr.

Ich gehe in Deutschland nicht mehr zum "Italiener", und ich trinke auch keinen italienischen Wein. Das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern ist ein reines Rentner-Rechen-Exempel. Die Flasche Arneis, von gleicher Provenienz, die ich hier für 18 Euro zum Essen bestelle, kostet bei einem einst geschätzten In-Italiener in München das Dreifache. Nur mit dem Unterschied "casareccia" - also nach Tradition Gekochtest - wird hier nicht mit Gold aufgewogen, sondern muss geleistet werden, sonst ist der Ofen nämlich bald aus. In München höre ich die Ahs und Ohs der Schickimickis und denke mir: "Wenn ihr wüsstet."

Aber zurück zur Überschrift:
Mein herrlichstes  "Dolce Vita" hatte ich als Jugendlicher, wenn mir meine Mutter in Sant Angelo auf Ischia für den Abend im Ort 5000 Lire (damals etwa 20 DM)  in die Hand gedrückt hat, weil ich am Nachmittag fleißig gelernt hatte. Ich war ein lausiger, weil unendlich fauler Schüler und musste in den Ferien immer lernen. Also nix mit "Dolce Far Niente". Aber für 5000 Lire gab es eine Packung Nationale, eine Pizza und zwei Bier sowie zwei Capuccini in der Piano-Bar, wo meine Freunde - ein in Meisterklassen klassisch geschultes, französisches Geschwisterpaar - mit Gitarre und ramponiertem Klavier bis zum Morgengrauen schrägen Boogie machten.

15 Jahre später katapultierte mich das Schicksal beruflich in Etablissements, wo der 5000-Lire-Schein mindestens als Trinkgeld für einfachste Gefälligkeiten erwartet wurde. Da hatte er sich aber in der Wertigkeit bereits halbiert. Die teuersten italienischen Luxushotels und die grandiosest inszenierten Küchen-Opern in jenen Hochburgen des Dolce Vita konnten aber dieses Gefühl von einst nicht wirklich zurück bringen.

Erst, da ich das meiste ja hinter mir habe, erlebte ich vorgestern den schönsten Ferragosto als Teilzeit-Italiener: Das süße Leben ereilte mich am Nachmittag nämlich hier auf unserer kleinen Piazza, weil die beiden Musik-Professoren von Gegenüber ihre Fenster bei wehenden Vorhängen weit offen hatten und ihr Bestes in einem Modern Jazz- "Concerto Gratuito" gaben. Einen eiskalten Drink dazu, und bloß nix tun.  Einfach "Dolce Far Niente" eben...


Sonntag, 14. August 2016

Sommer-Zeit

Aus meiner Schreibstube schaue ich direkt auf die Sonnenuhr an der Burgmauer. Sie ist eine moderne Sonnenuhr, denn sie zeigt auch die Sommerzeit an. Diese nutzloseste aller behördlichen Verordnungen ist sogar einem zeitlos lebenden Menschen wie mir ein Dorn im Auge. Ich versuche jedes Jahr wieder, den Folgen der Umstellung zu entgehen, aber nach kurzer Zeit der Verwirrung gibt mir doch wieder mein Körper vor, dass er mit der Zeit-Umstellung nichts im Sinn hat. Also folge ich seinem Rhythmus und der ist auf die Normal-Zeit eingestellt: Gehe ich sonst nicht vor 1 Uhr nachts ins Bett, muss ich nun bis 2 Uhr warten, um einigermaßen in Morphens Arme zu gelangen. Ich schlafe dann mit Unterbrechungen bis 10 Uhr, und dem entsprechend nehme ich dann auch meine Medikamente.

Aber deshalb schreibe ich den heutigen Post ja nicht:
Gestern haben mich zwei Meldungen veranlasst, wieder einmal einen Text über die Zeit zu schreiben. - Und wie unterschiedlich unsere Wahrnehmungen im Laufe der Zeit werden.

Die erste betraf den Berliner Mauerbau vor 55 Jahren. Ich weiß noch genau, welche Angst wir alle hatten, als wir an einem Ostsee-Strand die ersten Bilder auf einem VW-Bus sahen, der die aktuelle Wochenschau zeigte. Wir waren ja nur ein paar Kilometer von der DDR entfernt, und waren sicher: Jetzt kommt der Dritte Weltkrieg. Da war ich gerademal 12. Trotzdem ist diese Erinnerung unauslöschlich und kann in Bildern abgerufen werden, als sei es gestern geschehen. Normalerweise ist das menschliche Gehirn ja so programmiert, dass es schöne erlebte Dinge vorrangig parat hat.

Damit komme ich zur zweiten Meldung: Die über den Grönland-Hai, der nach jüngsten Forschungen das Wirbeltier mit der höchsten Lebenserwartung ist. Der Meeres-Methusalem, der durch das eiskalte Wasser des Polar-Meers gleitet, kann bis zu 600 Jahre alt werden, und er wächst nur einen Zentimeter pro Jahr. Dass er erst mit 100 in die Pubertät kommt und geschlechtsreif wird, tut mir leid, ist aber bei den Wasser-Temperaturen wohl verständlich.

Mich würde brennend interessieren, ob sich ein ausgewachsener Grönland-Hai an sein erstes Sex-Erlebnis erinnert, dass dann ja bis zu  400 Jahre zurück läge. Denkt er:"Da war doch noch etwas..."
Oder hat er sogar alles parat, weil seinem Gefühl nach das Leben an ihm regelrecht vorbei rauscht. Das heißt, ihm 100 Jahre als glückliche Kindheit mit jeder Menge Krill zum Fressen vorkommt.

Und da sind wir gleich wieder bei Albert Einstein, der sagte, Zeit sei nur das, was wir auf der Uhr abläsen; der die von Menschen erfundene Zeit ja durch seine Theorie relativierte...

Also carpe diem liebe Leser! Wie lange er von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auch dauern mag...

Donnerstag, 11. August 2016

Sterne sind mir nicht Schnuppe

Wieder verpasst! Die Nacht von San Lorenzo (auch ein sehenswerter Film der Brüder Taviani) habe ich wieder einmal verpasst, denn über dem Talkessel hatte sich ein Gewitter festgesetzt. In der Nacht von San Lorenzo beginnt es hier nämlich Sterne vom Himmel zu regnen. Auf die Perseiden ist  sonst wegen der klaren Sicht immer Verlass.

Wollte einer dem alten Aberglauben frönen, sich bei jeder gesichteten Sternschnuppe etwas zu wünschen, käme er aus dem Wünschen gar nicht mehr heraus. So dicht aufeinander dringen die Meteoriten in unsere Atmosphäre ein. Ginge nur die Hälfte der Wünsche in Erfüllung, gäbe es mehr Menschen die wunschlos glücklich sind.

Bin ich wunschlos glücklich? Für mich alleine sollte ich es sein, aber da sind alle die, um die ich mich sorge und denen meine Wünsche dann gelten. Denn ich agnostischer Depp wünsche mir natürlich auch bei jeder Schnuppe etwas. Einfach weil es ein gutes Gefühl vermittelt. Und dann ist da natürlich San Lorenzo, mit dem mich der Zufall so oft verbindet:

Laurentio di Roma, der einzige heilig
 gesprochene Diakon, ist auch
der Schutzpatron aller Freizeit-Griller 
Laurentius von Rom, der am 10. August 258 in Rom als Märtyrer im Autodafe starb, wurde zum Schutzheiligen aller, die mit offenem Feuer hantieren müssen, aber auch für Winzer und Köche, zu denen ich mich bekannter Maßen hingezogen fühle. Mein kleiner Fischkutter liegt in San Lorenzo al Mare direkt unter der sehenswerten Kirche, die den Namen des "Heiligen mit dem Rost" trägt.

Und einen kurzen Fußmarsch unterhalb unseres Borgos liegt die Wallfahrtskirche San Lorenzo in Horto. Ein zugegeben magischer Ort, dem die Einheimischen mit einer Festa sui Prati huldigen. Die ausländischen Burg-Bewohner verabreden sich dort jeden Ostersonntag zum Osterfeuer und geselligem Beisammensein. Gläubig oder nicht. Das schmucklose, verlassen wirkende Gotteshaus ist in der übrigen Zeit aber auch voller Leben für allerlei Geschöpfe des Himmels: Als Nistplatz, Schutz-Höhle oder durch die romantische Dorfjugend, die sich dort beim Licht der Glühwürmchen ein Stelldichein gibt.

Übrigens, an den Abenden darauf habe ich genug Sternschnuppen gesehen, um meinen Lieben das Leben durch Wünsche zu erleichtern. - Auch ich werde mir einen Irdischen erfüllen: Es wird Zeit, dass ich mir die fabelhafte App herunter lade, damit ich mit meinem Tablet  GPS gestützt endlich die Sterne am Himmel über mir näher bestimmen kann. Denn Sterne sind mir eben gar nicht schnuppe.

Ach, dieser Wortwitz passt eigentlich nicht. Diese verächtliche Redewendung hat nichts mit Astronomie zu tun, sondern stammt aus dem Alt-Deutschen, in dem die Schnuppe die Kerze mit ausgebranntem Docht bezeichnete. Die war dann eben bis zur Wiederverwendung des Wachses zu nichts mehr nutze...

Dienstag, 9. August 2016

Nachts, wenn sich der Nöck Notizen macht

Der Nöck auf dem Trockenen: Polaroid-Übermalung
aus der Serie "Digitally Your's"
Statt Obelix passte der Spitzname Nöck viel besser zu mir. Das Wasser - als im Sternzeichen Fische Geborener - war immer mein Element in all seinen Aggregats-Formen. Heuer sitze ich leider durch diverse Malaisen komplett auf dem Trockenen.

Der launische Nöck entspricht auch mehr meiner wetterwendischen Wesensart und meinem Tagesrhythmus, weil ich ein nächtlicher Unruhe-Geist bin.

Im Juli und August müssen mich meine Nachbarn zu Recht für recht verschroben halten, weil ich das Haus nur zweimal pro Woche verlasse.

Im Haus bin ich jedoch recht aktiv und ich genieße die Freiheit mit schweißglitschiger Haut nackt herum zu geistern. Während meine Frau in ihren Träumen wohl ordentlich Spaß hat - sie lacht, redet und singt auch manchmal im Schlaf - werde ich seit Kindesbeinen von schrecklichen Alpträumen heimgesucht. Wenn ich gar nicht mehr herunter komme, stehe ich auf und verwandele mich eben in den Nöck, bis der Puls wieder herunter kommt.

Da das seit jeher meine kreativsten Momente sind, habe ich - als ich meine Familie damit noch ernähren musste - meist nachts geschrieben. Aber meinem Leitsatz von Friedrich Nietzsche kann ich erst richtig folgen, seit ich Blogger bin. Vermutlich bin ich einer der wenigen Autoren, die nichts von ihrem kommerziellen Zeug je aufgehoben oder gar gesammelt haben. Das haben andere für mich getan, wie ich immer wieder im Internet feststellen muss.

Zu schreiben, damit ich im Alter Spaß daran habe, wie Nietzsche das empfiehlt, ist mein Antrieb für die Blogs.  Dass mir bei dieser Selbstsüchtigkeit Leser folgen, ist mir Belohnung genug.

Aber mal ehrlich! Was hätte ein großer Geist wie Nietzsche die Welt mit Aphorismen versorgen können, hätte er schon ein Tablet und Internet gehabt wie ich. Da sitze ich auf der Terrasse in Dunklen unter dem hier einzigartigen Sternen-Himmel und lasse meinen Gedanken freien Lauf, mache mir Notizen, bis ich müde bin. Beschienen vom Display, das den Nöck-Appeal durch seinen Widerschein erst richtig erzeugt.

Und wenn mir in The Heat of The Night gar nichts einfällt, schreibe ich halt so einen Stuss wie heute...

Sonntag, 7. August 2016

Mein Olympia-Boykott

Mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, wie viele Stunden meines endlichen Lebens ich vor der Glotze verbracht habe, um  - teils aus beruflichen Gründen, teils aus echter Begeisterung - Übertragungen von sportlichen Großveranstaltungen anzuschauen. Damit ist jetzt Schluss!

Diesmal verweigere ich mich, nicht weil ich erst jetzt die Doping-Thematik für mich entdeckt habe, sondern weil ich das Verhalten der beiden Deutschen in den Spitzen-Positionen des internationalen Sports nicht mehr nachvollziehen kann. Gut, der Karrierist und CSU-Netzwerker Alfons Hörmann ist noch zu jung, um sich erinnern zu können, aber Dr. Thomas Bach, der Fecht-Olympiasieger, war Athleten-Sprecher zu einer Zeit, als die Freiburger Sportmedizin unter professoraler Führung alles auf Leistung spritzte, was nicht bei drei über der Latte, am Zielband oder sonst wo im Finish war.

Als ganz junger Sportreporter bei einer großen Illustrierten bekam ich die Allmacht des Doping-Netzwerkes, das von schwäbischen Spitzen-Politikern unterstützt wurde, unmittelbar und Furcht einflößend zu spüren. Eine ehemals geschmeidige und erfolgreiche Athletin, kam in den 1970ern auf einmal erstaunlich muskelbepackt daher. In die Enge getrieben, versprach sie vor laufender Kamera eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, dass sie nicht gedopt hätte.

Was die verbotenen Mittel anging, hätte sie den schwören können, wäre da nicht der Grundsatz:
Alle Leistungssteigerungen, die auf unphysiolgischem  Wege erzielt werden, gelten als Doping.
Die Athletin - fand ich heraus - verwendete aber von einem Verhütungs-Preparat, das Gewicht-Zunahme als Begleiterscheinung hatte, die vierfache Dosis, um daraus im Kraftraum schnelleren Muskel-Zuwachs zu erzielen. Als ich das schreiben wollte, kam eine Ketten-Reaktion in Gang.
Der behandelnde Professor drohte mir mit dem Bundespresserat, ein Politiker rief
einen Freund des Verlegers an, jener wurde von seiner Rechtsabteilung gewarnt. Letztlich wurde aus meinem Beitrag eine Art harmlose Glosse mit dem Titel "Streit um Evas Bart".

Immer noch frech genug, dass der mit jener Athletin trainierende US-Olympionike und Silbermedaillen-Gewinner im Diskus von 1984 auf dem Trainings-Gelände vom TSV München Ost mir Prügel androhte. Wir waren in etwa gleich alt und von gleicher Gewichtsklasse, aber ich hatte gerade mein sehr erfolgreiches Karate-Buch mit Gilbert Gruss veröffentlicht. Also hatte ich keine Angst und das zeigte ich ihm. Es wäre allerdings meine erste nicht sportlich bedingte, körperliche Auseinandersetzung gewesen...

Die Jahre gingen dahin, und die Methoden, sich Leistungszuwachs zu verschaffen wurden immer diffizieler, aber auch effektiver. Blutdoping: Mit in der Höhe antrainierten roten Blutkörperchen wurde dem Athleten zwecks erhöhtem Sauerstoff-Umsatz vor dem Wettkampf eine Infusion von in der Höhe entnommenem Eigenblut gelegt. Elektroden-Doping: Mit elektrischen Stromschlägen wurden die Muskeln so gereizt, dass sie einen Trainings-Effekt selbst im Schlaf erzielten. Alles wurde verboten - aber immer erst, wenn es aufgedeckt wurde. Heute sind teure Trainings-Tunnel, in denen gleiche Effekte erzielt werden, völlig legal.

Dann setzten die "Sport-Mediziner" wieder verstärkt auf unsichtbare Helfer aus der Chemie. Die Liste wird jedes Jahr länger, und meistens kommen die Athleten - vor allem im Rad-Sport und der Ausdauer-Athletik - ungeschoren davon. Denn Sport, gerade olympischer, ist Big-Business und vor allen schmälernden Einflüssen zu schützen. Dabei sind die ehernen Prinzipien eines Coubertins eher hinderlich.

Hat sich denn niemand gewundert, wieso zwei Radler aus der damals ja nicht unbedingt zu den Radsport-Nationen zählenden USA auf einmal die Tour de France gewannen? Und das nach Hoden-Krebs und schweren Schussverletzungen!

Je reicher ein Land, desto besser sein Doping. Rekonvaleszenz-Mittel auf Basis der "freien Radikalen"verhindern nicht nur Schmerzen, sondern bringen einen auch kräftig zurück in die Spur. Das durfte aber keine Entschuldigung für Jan Ulrich gewesen sein, dessen Entlarvung als Betrüger mein Fan-Dasein auf einen Schlag beendete.

Zum Abschluss eine Geschichte, die ein Australischer WADA(Worl Anti Doping Agency)-Experte gerne zum Thema "genetisch bedingte Blutwerte" erzählt:

"Wir haben einmal eine Athletin mit erhöhten Werten erwischt, die glaubhaft versichern konnte, dass die Anomalie genetisch bedingt sei. In den folgenden Jahren wurden jene Grenzwerte offiziell aber weiter gesenkt. Die Athletin schnitt jedesmal knapp unterhalb ab. Komische Gene. Es dauerte bis Sotschi als man sie trotz der später aufgedeckten russischen Manipulationen endgültig ausschließen konnte..."

Donnerstag, 4. August 2016

Toter Briefkasten

Keine Bange! Ich wechsle heute nicht in die Spionage-Szene. Vielmehr wird dies wieder einmal ein  Abgesang auf "die gute, alte Zeit":

Kleines Gedicht gefällig?

Der rote Freund ist für immer fort.
Abmontiert und gleich zum Transport.
Damit die Alten nicht lange trauern,
Verschwand er im Morgengrauern.
Nun erinnert nur noch ein Schild daran
Mit einem erbleichten Hörer drauf.
Dass die Zeit  der guten alten Post verrann.
Im Daten-Rausch gab man ihn auf:
Den Dienst am Bürger in den Bergen.
Liegen ja eh bald in ihren Särgen.
Die Jungen simsen und e-mailen doch.
Wer braucht denn da den Roten noch?


Dass ausgerechnet ich den Schwanen-Gesang auf unseren Briefkasten im Tor-Bogen verfasse, ist ja eigentlich Hohn, weil ich mit meinem Internet-Antrag das Broadband-Zeitalter hier oben eröffnet habe, und so viele Gäste nach meinen Einlog-Daten fragen, dass ich sie zur Sicherheit ständig ändern muss. Was bei meinem immer matschiger werdenden Hirn eine ziemliche Herausforderung ist.

Ich war nie ein begeisterter Postkarten-Schreiber, aber meine Frau ist es noch. Sie bedauert sehr, dass die Smart-Phones die Ansichtskarten-Produktion am Meer quasi völlig zum Erliegen gebracht hat. Es gibt an den einschlägigen Ständen unten am Hafen nur noch Witz-Postkarten. Früher hatte jeder die Auswahl zwischen historischen und dekorativen ligurischen Szenen; tempi passati!

Aber die Späßchen, die wir uns mit dem 15 Meter entfernten Postkasten machten, vermissen wir doch. Mal sagen, 'ich geh nur schnell zur Post', und dann den ganzen Abend allein bei Nachbarn abzuhängen, hatte genauso wenig Wirkung wie 'Meine Beine tun so weh. Kannst du mal schnell die Post wegbringen?'

Da gleichzeitig die Post-Stelle im Capo Luogo ihren Dienst auf nur drei Halbtage beschränkt hat, heißt es meist, für die in Italien so beliebten Post-Überweisungen ins Tal hinunter zu fahren.

Aber unsere nette Postina mit der Pumuckl-Frisur schnauft immer noch die Gassen hinauf und begrüßt alle mit ihren Vornamen.
Wie lange noch? Denn sie fragt immer, ob sie Briefe mit hinunter nehmen soll. Was für ein persönlicher Service der Poste Italiane...

Montag, 1. August 2016

Die Hochzeit meiner besten Freundin

Können Männer und Frauen "nur" echt befreundet sein? Petronella und ich sind das seit 16 Jahren. Sie stand mir bei dem Hauskauf hier bei. Ich konnte ihr Halt in desperaten Lebenssituationen geben, war Sitter für ihren mittlerweile volljährigen Sebastiano und war glücklich, als Marcellino in ihr Leben trat, weil auch zwischen uns eine echte Männer-Freundschaft entstand...

Seit dem Wochenende sind die beiden verheiratet. Müsste ich eine Überschrift für die Feierlichkeiten finden, sie lautete. "Zwischen Hipster und Hollywood".

Die eigentliche Eheschließung fand ja hier in unserem Palazzo Comunale statt. Ich hätte gewarnt sein sollen, denn als Dress-Code war casual angesagt. Ehrlich gesagt, in grauen Jeans und roter Lederweste kam ich mir echt overdressed vor. Gene, Petronellas Bruder aus Seattle, und Marcellino trugen Bermudashorts und Polohemden. An den Füßen hatten sie Badelatschen, als gingen sie zum Strand. Petronella kann ohnehin anziehen, was sie will und sieht immer süß aus. Doch Jeans und Babydoll-Bluse zum Standesamt?

Der allzeit für ihre bissigen Bemerkungen bekannten Dottoressa Theodora von der Gemeinde blieb sichtbar bei unserem Anblick die Stimme weg, und Thomaso, der Standesbeamte erhängte sich fast an der Krawatte, die er gerade noch überstreifen wollte. In der Hast verkrumpelte er auch  noch seine offizielle Trecolore-Schärpe.

Wir waren nur zu fünft, aber lachten und machten Krach für fünfzig. Thomaso konnte sich kaum auf die offiziellen Worte konzentrieren, weil jedesmal wenn Marcellinos Name fiel, der kleine Steuerberater sich zum Spaß auf und davon machen wollte. Pech, dass er einen so großen und dicken Trauzeugen ausgewählt hatte. Ich ließ ihn nicht entkommen!

Als ich mich zu den Unterschriften über die Urkunden bückte, fasste mich Petronella von hinten an den Po, was ich natürlich sofort ihrem Bräutigam petzte. Schließlich lagen wir uns alle in den Armen und busselten einschließlich des Standesbeamten erleichtert alles ab, was uns in die Arme kam. Thomaso war auf dem Weg zu seinem Auto immer noch derart aus der Spur, dass er die Schärpe mitten auf der Straße verlor. Ein Motorino-Fahrer fuhr sie ihm hinterher.

Was für ein Kontrast am nächsten Abend: Eine alte Villa direkt gegenüber vom kuriosen Anwesen, dass der Berühmte Schweizer Clown Grock der Stadt, in der er gestorben ist, hinterlassen hat. Ein großer Oliven-Garten mit Zelten, eine Terrasse zum Tanzen, eine Terrasse mit den Speise-Tischen.


Da Petronella und Marcellino nicht wirklich gläubig sind, hatten sie sich für die amerikanische Variante, des Versprechens unter freiem Himmel entschieden. Ehrlich gesagt, es war die ergreifendste Zeremonie, die ich je erlebt habe. Vor allem weil Marcellinos Sohn Fernando und Sebastiano zweisprachig eine philosophische Betrachtung über Freundschaft, Partnerschaft und Liebe vortrugen.
Die vermischten italienischen und deutschen Verwandtschaften und Freunde  aus noch anderen Gegenden der Erde offenbarten ein europäisches Gesamtbild, von dem man nur träumen kann. Vor allem, weil sich die Teenager-Generation aus mehrsprachigen, bildschönen Menschen zusammensetzte. Da muss man doch Hoffnung haben dürfen...

Hollywood dauerte für uns von fünf Uhr nachmittags bis zwei Uhr nachts. Kaum zu fassen, wie schnell neun Stunden vorübergehen können, wenn alle so super drauf sind.  Und Essen une Getränke vom Feinsten serviert werden. Genes  von den Philippinen stammende Ehefrau Diane stellte als mehrfache Großmutter ganz nebenbei einen neuen Rekord im Dauer-Disco-Dance auf. Kein Wunder, dass sie Figur und Aussehen eine Dreißigjährigen hat.



Donnerstag, 28. Juli 2016

Piazza im Platzregen

Egal ob es stürmt oder schneit. Das Cena in Piazza  ist mittlerweile zu einer wetterfesten Institution geworden. Gestern war es wieder so weit. Aber kaum hatten sich die zusammen gestellten Tische unter der kulinarischen Last gebogen, sendete San Pietro einen kurzen, feuchten Gruß. Übrigens ist Petrus bei den Italienern nicht für das Wetter zuständig. Vielleicht lag es ja daran, dass die Antipasti für die wackeren Burggeister unterm Regenschirm schnabuliert werden mussten. Die paar Tropfen taten aber deren Qualität keinen Abbruch. Die vergangen Cene haben dafür gesorgt, dass alle mit ihren kulinarischen Beiträgen mittlerweile über sich hinauswachsen. Es waren absolute Gourmet-Highlights, die da aufgefahren wurden. Allen voran natürlich die Bürgermeisterin-Witwe, die mich auf dem Foto liebevoll beschirmen wollte, damit ich essen konnte. Das ließ ich natürlich nicht zu, und so wechselten wir uns einfach ab.
Der immer ein wenig introvertiert wirkende Musik-Professor war aus sich herausgegangen und hatte zwei Gemüse-Platten nicht nur stimmig komponiert, sondern auch kunstvoll arrangiert.  Was gab es noch alles?
Ich will meine Leser nicht neidisch oder hungrig machen. Aber so it was, um mit Kurt Vonnegut, dem Autor von Breakfast for Champions zu sprechen:
Patisserie mit Wildlachs., torta verde, ein Sellerie-Salat mit Äpfeln, Mandeln und Sahne, asiatische Hühnerflügel, eine Peperonata al Forno und natürlich La Crostata zum Abschluss - begleitet von frisch gepflücktem Obst aus Inas Garten.
Der Blogger hat es vielleicht auch endgültig geschafft, die italienische Vorliebe für Plastik-Geschirr bei solchen Anlässen zu unterwandern. Mit dem Hinweis auf die Adligen der Vergangenheit, die uns von den Zinnen herab zuschauen würden, gelang es mir einige in die Häuser zurück zu schicken. Die hartnäckigeren Plastik-User, denen der Weg zu weit war, wurden einfach aus unserem Haus versorgt.
Das was die Geister der einstigen Grafen zu sehen bekamen, hat sie bestimmt sehnsüchtig gemacht. Kaum vorstellbar, dass das damals wesentlich anders ausgesehen hat.

Dienstag, 26. Juli 2016

Die Damen auf den Dächern

Es ist immer wieder faszinierend, wie das oft totenstille mittelalterliche Gemäuer innerhalb weniger Tage von einem heiteren Dorfleben erfasst wird. Das gilt besonders in diesem Jahr, da meine Freundin Petronella nach zehn Jahren  Zusammenleben und zwei Jahren Verlobungszeit (mit zauberhaftem Diamant-Ring) am Samstag ihren Marcellino heiratet. Beide sind jetzt 50. Marcellino stammt ja von hier, aber die in Neapel geborenen sechs  Geschwister Petronellas hat das Leben in viele Teile der Welt verstreut. Alle kommen  aber, um das "Küken" unter die Haube zu bringen.

In der Hochsaison ist ihre Unterbringung auf der Burg Marketender-Arbeit, denn die Nichten und Neffen sind auch dabei. Wir haben in unserem Haus Quartiere angeboten, weil ich mich geehrt fühle,dass Marcellino mich zum Trauzeugen auf dem Standesamt erkoren hat. Aber das wollte Petronella nicht, obwohl ich ja eine Art Ehestifter war. Stattdessen versorgen wir sie jetzt mit Matratzen für ihr geplantes Jugend-Schlaflager. Eine Gaudi wird das allemal, wenn es ans Versorgen der Sippe geht.

Aber die Alten erzählen, dass Geschichten belegen, es sei von jeher nicht anders gewesen. Die letzte Trauung allerdings, die wir auf der Burg als Zaungäste miterleben durften, liegt gut zehn Jahre zurück. Das Brautpaar wurde damals auf der Piazza für die Fotografen in Positur gestellt.

Sollte sich aber das Heiraten in den reiferen Jahren hier oben, als Trend erweisen, dann gäbe es noch einige Paare ohne Trauschein, die für eine Belebung des Heiratsmarktes sorgen könnten...

Einmal habe ich ja schon geschrieben, dass durch die engen Gassen hier ein Schall-Körper ensteht, bei dem die Quelle der jeweiligen Geräusche nicht zu orten ist (glücklicher Weise...). Da hört man das Geklapper von Geschirr und denkt es sei von Nebenan, dabei kommt es von unten aus der Gasse. Da ich die meisten Stimmen der Einheimischen mittlerweile kenne, und auch ihre Schritte zuordnen kann, gerate ich jetzt, da die Einwohner-Zahl des Borgos sich sicher vervielfacht hat, immer mehr in Schwierigkeiten, alle zu zu ordnen.

Die Damen auf den Zinnen und Dachterrassen stehen da drüber. Sie unterhalten sich einfach über den Lärm hinweg von Dach zu Dach. Selbst unsere anfänglich ein wenig schüchterne Gesangs-Professorin hat das mittlerweile für sich entdeckt. Das Persönchen mit dem gewaltigen Stimm-Umfang nützt ihre Hohen Fenster, weil sie von ganz oben nicht sprechen möchte. Sie hätte ja auf dem zentralen Gebäude einen "Wehrgang" mit 360 Grad Rundum-Blick. Aber sie will wohl von oben herab nicht sprechen. Für den Dialog mit meiner Frau öffnet sie das Südfenster, mit Marlies, der vielsprachigen Ex-Reiseleiterin mit dem glockenhellen Lachen, das nach Osten. Sie macht dabei so einen guten Eindruck, dass man eigentlich mal wieder über eine Päpstin nachdenken sollte.

Meine Frau hat auf unserer Dach-Terrasse die Möglichkeit, an diesen Gesprächen teilzunehmen, was sie häufig nutzt, vor allem, wenn die Generalin Ina da ist, deren Haus ein wenig abseits der Piazza liegt, aber eine Terrasse an unserer Ostseite hat. Einfach nur Wäsche aufzuhängen, wäre ja auch langweilig.

Ach für mich hat das unten auf meinem Schatten-Platz fantasievollen Nutzen: Ich stelle mir die Damen in passenden mittelalterlichen Kostümen vor - und begebe mich auf eine Zeitreise...

Sonntag, 24. Juli 2016

Sind wir denn noch gescheit?

Nein! Aber die Frage müsste eigentlich heißen: Sind wir denn schon gescheitert?
Wir lassen uns von machthungrigen Desperados angst machen, wir verlieren vor allem zunehmend das, was wir im Laufe der Jahrhunderte unter großem Blutvergießen weiter entwickeln wollten: die Humanität.

Ausdauernde Leser meiner Blogs erinnern sich vielleicht daran, dass ich ein Neandertaler-Theorem entwickelt habe. Nur kurz, damit ich nicht durch Wiederholungen langweile:

Uns wurde in der Schule ein denkbar primitives Bild unseres Ur-Ahnen vermittelt. Die heutige Forschung weist den Europäer hingegen mit seinen Wahlverwandten als äußerst anpassungs- und integrationsfähig aus. Er hatte Waffen und Werkzeuge und war nicht nur ein hartnäckiger Jäger, sondern fuhr in Griechenland - wo er etwa 300 000 Jahre lebte - auch zur See.

Rechnen wir großzügig den Beginn der humanen Hochkultur nach vorne, dann haben wir noch nicht einmal ein Zehntel dessen erreicht, was der "Primitivling" als Ahn der hellenischen Hegemonie geschafft hat...

Da das Durchschnittsalter der Knochen-Funde auf  ein Alter von 20 bis 30 Jahre begrenzt wird, aber auch Knochen von über 50jährigen gefunden wurden, kann man wohl beim Neandertaler kaum von Gewaltfreiheit ausgehen. Da die Sippen aber überschaubar waren, kam es nicht zu sogenannten Kollateralschäden. Die allgemeine Nachrichten-Lage konzentrierte sich aufs nähere Umfeld. Knochenblasen, auf Baumstämme Schlagen und gutturale Angriffs-Laute waren nicht dazu geeignet, Zulauf von Nachahmern zu erbringen.

Ja, und jetzt der Homo Digitalis, der Homo-Electronicus, der Homo Hash-Tag und wie man sie noch alle nennen könnte: Innerhalb von wenigen Sekunden können sie als isolierte Einzel-Nachrichtenagenturen durch ihr "Sendungs-Bwusstsein" zu absoluten Verwirrungen bei den Ordnungskräften führen. Ihre Posts von Videofilmchen sind so dramatisch aktuell, dass man vergisst, mit welcher Kaltblütigkeit sie entstanden sind und millionenfach geteilt werden.


Seit es Smartphones gibt, habe ich das Gefühl, dass der inszenierte Selbstmord-Amoklauf sich durch Nachahmer multipliziert. Da hat die erschütternde Dokumentation "Bowling for Columbine" von Michael Moore wohl gar nichts genutzt. Aber das war eben in den USA, dem Waffen-Wunderland.

Bliebt allerdings die Frage, woher ein 18jähriger Deutscher mit iranischen Wurzeln seine Waffe bekommen hat? Wenn es stimmt, was FAZ.net vermeldet, gibt es 20 Millionen illegale Waffen in Deutschland.

Wenn jeder Vierte statistisch eine illegale Waffe hat, und per Hash-Tag dazu aufgerufen wird, sie gegen einen ausgemacht anders Denkenden zu richten. Dann gnade uns Gott - wenn es ihn denn dann noch gibt...

Ich jedenfalls möchte nicht, dass mein Enkel sich wieder per Knochenblasen verständigen muss

Donnerstag, 21. Juli 2016

Auf den Lorbeeren ausruhen?

Dieser Tage hatte ich eine höchst interessante Unterhaltung mit einem Nachbarn, der einst CEO bei einer Weltfirma war. Wie immer landeten wir nach wenigen Augenblicken bei der politischen Weltlage, unter der ich leide, als sei ich für sie verantwortlich. Natürlich bin ich das nicht, und mein Leiden wird nichts verändern, es steigert nur meine eigene Hilflosigkeit.

Ich habe ja an dieser Stelle und auch in meinen Glashaus-Blogs des öfteren geschrieben, dass nur ein Blick in gute Geschichtsbücher reichte, um all die gegenwärtigen politischen Fehler zu vermeiden. Aber außer Winston Churchill, der dafür den Nobelpreis bekam, hat sich kein Spitzenpolitiker jemals literarisch mit der unmittelbaren Historie auseinander gesetzt. Es sei denn in persönlichen Biographien die eigenen Leistungen mit Lorbeeren geschmückt...

Aber zurück zu meinem Gesprächspartner, der - obwohl älter - wesentlich fitter daher kommt. Er macht es richtig, indem er Störendes einfach nicht mehr an sich herankommen lässt. Ihm geht heute gewissermaßen alles hinter seinem  Körper-Schwerpunkt vorbei. Er begründet es damit, dass wir Alten ja unseren Beitrag zu Gesellschaft und Wohlstand beigetragen hätten. Jetzt müssten die Jungen klar kommen, so wie wir mit Aufständen, Kriegsgefahr und Terror es in den 60ern, 70ern und 80ern des vergangenen Jahrhunderts getan haben.

Thomas Manns Zauberberg-Theorem unterstellt der Gesellschaft seiner Zeit, alles Übel sei daher gekommen, weil sich deren Spitzen auf den errungenen Lorbeeren ausgeruht hätten. Der Bildungsroman erschien ja 1924 zwischen den beiden Welten-Bränden, und gilt dennoch symptomatisch gleichermaßen für beide Kriege.

Auf Lorbeeren ausruhen, geht ja ohnehin nur metaphorisch. Als einer, der gerne mit Lorbeer kocht, weiß ich, dass die frischen Blätter schnell trocknen und dann scharfkantig und knitterig werden. Das gilt natürlich für den Lorbeer-Kranz der Sieger gleichermaßen. Allein auf Denkmälern hält der Helden-Kranz ewig. Mag man sich real wirklich auf so etwas Unbequemen ausruhen? Zumal auch der Sieger-Lorbeer im Verlauf der Geschichte eher etwas Anrüchiges bekommen hat. "Heil dir im Siegerkranz"?

Auf der Piazza aber gibt es einen, der weder etwas geleistet hat und oft genug sogar als Verlierer davon geschlichen ist. Ausgerechnet der ruht sich an heißen Tagen mucksmäuschenstill neben mir im Schatten unseres Lorbeerbaums  auf dessen Knitter-Laub aus: Lazaro, der Kater, dem eigentlich auch alles am Schwanz vorbei geht.

Montag, 18. Juli 2016

Was, wenn alles getürkt war?

Übermorgen wird wieder in der Bundesrepublik Deutschland an den 20. Juli 1944 erinnert werden. Das ist für mich Anlass, doch noch einmal die vergangenen Tage revue passieren zu lassen. Einfach nur mit Fragen:

Wird der einfache Mensch eines Tages die gescheiterten Putschisten in der Türkei auch offiziell betrauern?

Wird er die vorangegangene Zuspitzung in der öffentlichen Sicherheit der Türkei dann immer noch dem IS, den Kurden oder Terroristen zuschreiben?

Wieso eiern die internationalen Diplomaten so herum und zeigen sich glücklich, dass die vom Volk gewählte Regierung diesen Anschlag auf die Demokratie überstanden hat?

Haben die späteren Alliierten vor 72 Jahren nicht auch viel zu lange passiv zugeschaut, wie Deutschland im braunen Elend versunken ist?

Wie steht es um die innere Sicherheit Deutschlands, wenn der türkische Ministerpräsident allein mit einem inszenierten Handy-Anruf im staatstragenden Fernsehen bei uns protestierende Massen auf die Straßen schicke kann?

Lassen wir es zu, dass auf der Basis von Meinungsfreiheit, Demonstrations-Recht und meist liberalem Verhältnis zur Glaubens-Ausübung Propaganda für ein immer faschistoider auftretenden Staat gemacht wird?

Waren die spontanen Demos überhaupt angemeldet? Und wenn ja, haben die Protestierenden das dann schon vorher gewusst wie ihr Staatsoberhaupt?

Wieso hat die seit langem extrem gut strukturierte Führung des immer noch größten, stehenden Heeres der NATO, die ja im Wegputschen bedrohlicher Führer einige Übung hat, diesmal so versagt?

Wieso war die Polizei besser organisiert als die Soldaten, und wie wurden all die Richter und Staatsanwälte so schnell aktiviert, wenn nicht schon vorher für den Fall der Fälle ein Plan bestand?

Van der Lubbe lässt aus dem Grab grüßen.

Was wenn alles nur getürkt war?

Freitag, 15. Juli 2016

Vom Winde verwirrt...

Bevor ich nach Ligurien kam, habe ich viel Literarisches über die Winde hier gelesen. Teilweise war das so poetisch, wie sehnsuchtsvoll und abergläubisch. Im ganzen Mittelmeer-Raum wird den Fallwinden etwas Geheimnisvolles angedichtet; ob sie nun Meltemi, Bora, Mistral oder Tramontana genannt werden.

Zumindest die Wirkung auf Geist und Körper des Fön in Bayern haben die Wissenschaftler in Fall-Studien widerlegen können. Und ich glaube der Wissenschaft, obwohl ich mein Leben lang bei Fön zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit schwanke.

Seit Tagen kämpfen nun über der Burg der Alpenwind Tramontana und der Nordost-Wind Grecale. Vor allem nachts erreichen sie Windstärken von sechs Beaufort. Kommende Nacht soll es zu  weiteren Stürmen kommen.

Uns hat schon die vergangene Nacht gereicht. Wir konnten kaum schlafen, aber schlimmer noch, unsere Seelen wurden derart durch den Wolf gedreht, dass wir wie Maikäfer apathisch auf dem Rücken lagen, es aber nicht schafften, gegen das Wirre im Kopf einfach mit Aufstehen zu reagieren.
Also Abbitte den Literaten, auch wenn es sich leichter liest als es auszuhalten ist.

Das angeblich drohende Unheil jedoch, das mit diesen Winden einher gehen soll, hatte sich da in Nizza kaum 80 Kilometer von hier schon ereignet. Geschlaucht und gelähmt erfuhren wir von dem Attentat auf dem Boulevard des Anglais und konnten kaum noch atmen. Die Fußball-EM bravourös und sicher überstanden, und dann das am National-Feiertag!!!

Können wir diesem kollektiven Wahnsinn weltweit widerstehen, wenn schon anscheinend gesettelte Staaten sich von Politik-Desperados auf gefährliche Wege leiten lassen?

Mittwoch, 13. Juli 2016

Ich sehe was, was du nicht siehst

 Inzwischen sind sie ja wieder aus der Mode gekommen: die 3-D-Bilder. In den 1990ern war das Kult, durch Draufstarren die versteckten Motive plastisch zu machen. Da gab es ganze Buchreihen. Auf unserer Piazza kann ein mit Phantasie Begabter etwas derartiges auch "erstarren"

Die normalen, mit Kiesel-Ornamenten belegten Vorplätze in Ligurien sind meist bunt und ihre Muster eindeutig. Einer der schönsten Plätze dieser Art ist vor der Kirche von Riva Ligure zu begehen (Vorsicht mit Stöckelschuhen!). Dem hiesigen Grafengeschlecht, das die Piazza 1975 dem Hörensagen nach gesponsert haben soll, hat es aber gefallen, das  Ornament geradlinig und nur in schwarz-weiß anlegen zu lassen. Wobei ich bis heute nicht herausgefunden habe, wofür der fünfzackige Stern in dessen Mitte stehen soll.
Vermutlich ist es einmal wieder so, dass der multikulti verwendete "Drudenfuß" hier die Bösen Geister vom Spuken in der Burg abhalten soll. Unsere fünf Kirchlein im Borgo reichen da wohl alleine nicht immer aus.

Und dann hockt da noch so ein durchgeknallter Deutscher ganze Tage ohne sichtbar Tätigkeit im Schatten und starrt die einzementierten Kiesel an. Meine sich der Unrast des Alters hingebenden Nachbarn haben mich vermutlich auch schon als Fall für die Psychiatrie abgeschrieben. Sie gehen oft irritiert vorbei, wenn ich nicht aufblicke. Dass ich ein dilettierender Maler bin, haben sie zwar akzeptiert,  und sie hängen auch Bilder von mir auf, aber jetzt können sie oder wollen mir nicht weiter folgen. Dabei bin ich mitnichten ein Geisterstarrer, obwohl ich in den  Kiesel-Mustern immer wieder Erstaunliches entdecke:
Ganz offensichtlich ist es wohl nicht, denn ich muss, wenn einer fragt, was ich da mache, schon Fingerzeige zu dem geben, was sich in meiner Phantasie so eindeutig darstellt.

Wenn ich bei meinem Nachbarn auf der von Windkreuzen klimatisierten Stufe sitze, sehe ich zu meinen Füßen eine Friedenstaube - oder ist es eine von den Druden versteinerte Amsel, die zu laut gesungen hat? Selbst mein Gesellschafter, der Kater Lazaro, guckt mich an, als hätte ich eine Meise, wenn ich ihm von dem Vogel erzähle. Gut dass es Computer-Programme gibt, die das Unsichtbare sichtbar machen...

Sonntag, 10. Juli 2016

Der Stand der Sonne

Es macht keinen Sinn, in diesem Zusammenhang auf die 100 Gramm Hirnmasse, die wir Männer im Durchschnitt mehr haben als Frauen, zu verweisen. Wären die Frauen nicht erst seit Hundert Jahren in der Lage gewesen, das Joch der Männer abzuschütteln, dann hätten sie den kleinen Unterschied auch da längst überwunden.

In meiner Firma habe ich immer auf die Balance zwischen den Geschlechtern geachtet und dabei festgestellt, dass die Damen stets den zuverlässigeren Part gespielt haben. Deshalb kann ich nicht begreifen, wieso sie überwiegend im Gelände und auf den Land-Karten so orientierungslos sind. Es hat also nichts mit Machismo zu tun, wenn ich ein Erlebnis von Gestern wiedergebe:

Wir waren gestern im La Torre, einem der schönst gelegenen Restaurants von Porto Maurizio zum Mittagessen. Direkt am Zufluss des Prino der diesem westlichsten Ortsteil seinen Namen gab, und in Sichtweite eines sehr gut erhaltenen Sarazenen-Turms. Früher führte das ein bärbeißiger Franzose mit seiner Familie. Jetzt schwingt eine blonde, füllige Ligurierin das Zepter mit deutlichem Qualitäts-Zuwachs und dennoch zu Preisen, die das sonnende und badende Publikum an den Stränden ringsum auch mittags zu zahlen bereit ist...

Man möchte doch meinen, dass Damen, die in Ligurien den ganzen Tag am Strand liegen, über den Stand der Sonne genauestens bescheid wissen. Sie drehen sich ja automatisch wie die Sonnenuhr auf ihren jeweiligen Unterlagen mit.

Als der Maestrale gerade einschlief, und bevor der Libeccio ihn ablöste, zogen  in der Windstille Nebel und Wolken auf. Die Sonne war gerade verschwunden, da kamen drei Strand-Grazien und setzten sich an einen der Tische ohne Sonnenschirm. Die freundlich Bedienung riet, doch lieber einen Tisch mit Schirm zu nehmen, die Sonne käme ja gleich wieder.

Wo steht den dann die Sonne? Die vier rätselten. Die eine vermutete sie im Westen, die Bedienung im Norden, am nächsten kam noch die Jüngste, die mit fahriger Bewegung irgendwie nach Südost zeigte.

Ich sagte zu meiner Frau:
"Wenn man schon keinen Orientierungssinn hat, dann gibt es doch Landmarken, die man zu Hilfe nehmen  kann. Die Sarazenen waren schlaue Strategen. Sie bauten ihre Türme in Sichtweite voneinander, so dass sie sich mit Feuer- und Rauchsignalen verständigen konnten. Sie waren zudem gewahr, dass sie stets einen Panorama-Blick übers Meer brauchten. Mindesten 180 Grad - wenn nicht gar mehr; auf vorgelagerten Landzungen. Die ligurische Küste verläuft trotz ihrer vielen Buchten doch klar von Ost nach West, weshalb sie in levante und ponente unterteilt wird. Also da, wo die Sonne aufgeht und dort, wo sie untergeht. Also wo steht sie jetzt kurz nach Mittag?"

Meine Frau zeigte irgendwo zum nördlichen Wolkenhimmel...

Was soll's? Sie hat ja mich!

Donnerstag, 7. Juli 2016

Vom Glück der Tiere

Es sind die letzten stillen Tage auf der Burg. Erste Ferienhäuser sind weiter unten schon bezogen. Auf der Piazza herrscht ein lautloser Frieden, in dem man nur das Rauschen des Blutes im Ohr vernimmt.
Gestern war noch reger Flug-Betrieb  und Mords-Gezeter, weil das Schwalben-Pärchen, das erstmals seit Jahren wieder ein Nest im Torbogen an die Decke geklebt hat, mich für einen großen Kater hielt. Während der ersten Flugstunden ihrer vier Kleinen, wurde ich hektisch attackiert. Mitunter kamen sie bis auf zehn Zentimeter an meinen Kopf heran. Dann merkten sie wohl, dass ich ihnen nichts Böses wollte. Heute ist die Familie verschwunden. Soviel zum Sprichwort eine Schwalbe macht noch keinen Sommer...

Lazaro, der Piazza-Kater, schleicht müde um die Ecke und schaut mich an. Zeit für eines unserer stummen Gespräche:
"So viele Vögel in diesem Jahr, und du beachtest sie kaum mehr."
"Was willst du? Ich bin alt, Vittorio stopft mich mit allerlei Leckerbissen voll. Ich habe endlich mein Winterfell abgerubbelt und möchte eigentlich den ganzen Tag schlafen."
"Warum tust du es dann nicht?"
"Weil ich ja eigentlich Wache halten muss, so lange Vittorio nicht hier ist."
"Aber ich bin doch da."
"Ja. Deshalb bin ich ja hier. Wenn du im Schatten auf der Piazza sitzt, kann ich mich mal so richtig durchstrecken, Putzen und dann auf der Bank unter der Hortensie ein Schläfchen machen."
"Bist du ein glücklicher Kater. Hast du ein Glück, so ein Herrchen zu haben."
"Was ist Glück? Meinst du meinen vollen Bauch, das Herumstromern, das Schlafen in deiner Nähe, und dass ich nachts im Haus von Vittorio vor den jungen Flegeln geschützt bin? Das ist mein Leben. Da brauche ich kein Glück, oder was immer ihr Menschen darunter versteht."

Spricht's, hüpft auf die Bank, streckt sich ausgiebig und schläft Sekunden später den Schlaf der gerechten Kater.
In mir steigen jede Menge Fragen hoch:
Was, wenn Tiere gar kein Glück empfinden können?
Wenn deren Reaktionen wie Schnurren, mit dem Schwanz wedeln, Hände und Gesicht abschlecken nur Projektionen unseres Verlangens nach Glück sind? Unsere Handlungen und Bestrebungen, sie zu schützen und artgerecht zu halten, vor allem der Beruhigung unseres schlechten Gewissens dienen, weil wir sie domestiziert haben oder ihres Gesanges wegen in Käfigen halten?

Als wir vor mehr als anderthalb Jahrzehnten auf die Burg kamen, gab es hier kaum Vögel, weil sie wegen der Aussicht auf einen mageren und kurzen Grill-Happen von den Alten aus dem Himmel geballert wurden. Die diesjährigen Vogel-Generationen haben davon keine Ahnung mehr. Sie flattern und segeln lustvoll durch die Lüfte und müssen nur noch das neue Falken-Pärchen fürchten. Sie wissen gar nicht, was für ein Glück sie haben!
Je glücklicher das Rind, desto leckerer das Steak.
Was für eine Glück - für uns Menschen!

Montag, 4. Juli 2016

Die Kraft der zwei Herzen

Über Fußball wollte ich eigentlich nie mehr schreiben. Ende der 1970er habe ich damit aufgehört. Als Experte war ich bei den Kollegen dennoch gefragt, weil ich damals unter anderen Fußball-Büchern Co-Autor der "Fußball-Weltgeschichte" war. Im Stadion war ich allerdings nur während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974.

Wieso ich jetzt das Bedürfnis habe, noch einmal über Fußball zu schreiben, hängt mit der Rasen-Schlacht vom vergangenen Samstag zusammen, die ja an Emotionalität nicht zu überbieten war.
Italien gegen Deutschland, und erstmals, seit ich hier auf der Burg lebe, gingen die Deutschen als Sieger vom Platz.

Am Vormittag des Spiels war es Hauptthema auf dem Markt, in unsrem Lieblings-Restaurant am Meer, wo eine große Gruppe Deutscher  unseren Stammplatz belegt und quasi ein Wettbüro ums Essen eröffnet hatte. Aber das Dauer-Gequatsche diverser Lokal-Sender über das vorweg genommene Endspiel ließ alles hinter sich. Fußball ist viel wichtiger als die aktuelle Weltlage?

Ich weiß nicht, wie oft ich zum etwaigen Ausgang des Spiels gefragt worden bin, aber ich hatte eine tolle Antwort parat. Come sempre! Italien wird jemanden haben, der im entscheidenden Moment die Fehler der Abwehr in der Deutschen Elf nutzt.

Ob ich denn gar nicht für die Deutschen sei? Das war dann schon zu viel für mein mangelhaftes Italienisch. Wie sollte ich erklären, dass es in der Zeit, als ich Jung-Reporter war, eine unausgesprochene Regel gab, dass auf der Presse-Tribüne weder Partei ergriffen noch applaudiert wurde. Heute, da selbst TV-Reporter ihren Emotionen parteiisch freien Lauf lassen, ist das nur noch schwer zu verstehen.

Ich kapierte ja selbst nicht, wieso dann während des Spiels mein Puls nicht raste, und auch beim Elfmeter-Drama keine Enge in meiner Brust entstand.

Zwei Tage danach weiß ich es. Ich wäre auch mit einem Italienischen Sieg einverstanden gewesen, denn aus meiner Sicht habe ich eine bessere Squadra Azzurra gesehen, als bei den gewonnenen Weltmeister-Titeln. Dass Gigi Buffon den letzten Elfer durch rutschen ließ, ändert nichts an seiner legendären Laufbahn. Es ändert auch nichts, dass der DFB-Elf trotz ihrer Überlegenheit, wieder einmal gegen Italien die mentale Leichtigkeit gefehlt hat, die sie beim WM-Spiel gegen Brasilien mit dem 7:1 demonstriert hatte. Die sogenannten älteren Herren der Squadra waren so fit wie die jüngeren Deutschen. Mitunter schienen jene dann allerdings vor deren geballter Erfahrung wie paralysiert.

Bis zum Endspiel stünde so noch ein harter Weg bevor, weil Frankreich diese Kreativität nun offenbar hervor gezaubert hat. Fraglich ist allerdings, ob ich dieses Halbfinal-Spiel genauso cool sehen kann. Denn da fehlt mir dann ja die Kraft der zwei Herzen, die nun mal für Deutschland und Italien gleichermaßen schlagen...

Freitag, 1. Juli 2016

Zucchini-Blüten im Bierteig

 Mein heutiger Snack-Tipp ist vermutlich eine Zumutung, weil Zucchini-Blüten nördlich der Alpen allenfalls an schon gereiften Früchten angeboten werden. Was bedeutet, dass sie zu klein sind sowie schon die Spannkraft verloren haben und nur noch einen Bruchteil des Geschmacks bieten. Wenn ich jetzt auch noch empfehle, die langen männlichen Blüten zu nehmen, wird es mit deren Beschaffung noch schwieriger. Da muss einer schon einen italienischen Gemüse-Händler in der Nähe haben, der zudem Restaurants beliefert.

Aber wer gerade in Italien unterwegs ist und eine Möglichkeit zum Kochen hat, sollte an den großartigen Sträußen nicht vorbei gehen, denn schneller geht es nicht, seine Gäste zum Wein mit einer Delikatesse zu verwöhnen.
Auf unserem Markt in Oneglia habe ich drei Sträuße für 5 Euro bekommen. Einen Strauß haben wir im Gemüsefach drei Tage aufgehoben, weil als Hauptgericht ein Strauß pro Person schon über dem Sättigungs-Limit läge, aber man kann dann eben einfach nicht aufhören. Die männlichen Blüten waren übrigens auch nach dem Kühlschrank-Aufenthalt noch straff und aufrecht - wie man es von ihnen erwartet.

Bei den typischen, ligurischen Restaurant-Gelagen mit bis zu 14 Gängen werden die Blüten gerne am Ende der Vorspeisen gereicht und zwar gefüllt mit Kartoffel-Mangold-Muss oder einer Kräuter-Polenta. Die werden in der Raine gebacken und liegen dann viel zu lange. Sie erfüllen einen gemeinen Zweck. Sollen sie doch mit ihrer "Pampfigkeit" die Forderung nach Nachschlägen bei den "teureren" Haupt-Gerichten dämpfen...

Meine gute Freundin Camilla aus dem Valpolicella taucht die Blüten erst in Eiweiß dann in Mandingo-Gries und frittiert sie in Sonnenblumen-Öl. Die kann man dann toll knuspern, aber den typischen, und wie ich finde einzigartigen,  Geschmack büßen sie dabei nahezu ein.

Zutaten:

Es hat lange gedauert, bis ich mich selbst mal an das Zubereiten gewagt habe. Die ersten Ergebnisse haben mich nicht überzeugt. Da hätte ich die Blüten auch Roh als Salat essen können - was ein Kalorien sparender Tipp wäre. Dann erinnerte ich mich daran, wie in Bayern Holler-Blüten im Bierteig gemacht werden:
Ich mache den Bierteig gewürzt und frei Schnauze. Zuerst hacke ich Petersilie, Basilikum, Koriander und Knoblauch ganz fein, dann gebe ich zu den Kräutern je einen Teelöffel feines Salz und braunen Zucker sowie Pfeffer nach Gusto. Ein Schäufelchen Mehl  und ein Ei dazu und das Ganze dann mit Bier und dem Schneebesen verquirlen, bis der Teig in dicken Tropfen abfließt. Die Schüssel kommt noch einmal in den Kühlschrank zum Durchziehen - was auch die Vorbereitung unkompliziert macht.
Könnten meine Nachbarinnen das Folgende Lesen, steinigten sie mich auf der Piazza. Ich gebe nämlich mein bestes  Oliven-Öl in die Wok-Pfanne.
Bevor ich die Blüten, die auf keinen Fall gewaschen werden dürfen (die Hitze macht sie dann ja keimfrei), quirle ich den Teig einmal mehr durch und gebe - falls er zu aufgequollen ist - noch einen Schluck Bier hinzu. Dann nehme ich die Teile an den Stängeln und tauche sie kopfüber in den Teig, wende sie ein paarmal und gebe sie dann ins siedende Öl.
Mir geht Frische und Wärme dabei über alles. Deshalb mache ich sie nicht einzeln, sondern lasse es zu, dass sich mit den Blüten eine Art Pfannkuchen bildet. So schön wie auf dem Bild sehen meine also  nicht aus. Aber diese Methode hat den Vorteil, dass man alle auf einmal wenden kann. Dass erhält die Blüten saftig und geschmackvoll und sie können trotzdem auf dem Servierteller mit einer Gabel leicht getrennt werden. die Stängel sind dabei übrigens der Gar-Indikator. Wenn die in der Pfanne dunkler werden, wird es Zeit. Sie schmecken - obwohl roh leicht stachelig - gebraten wie grüner, gegrillter Spargel...

Ein Snack, bei dem ratzeputz alles verwendet wird. Den restlichen Teig in die noch heiße Pfanne gießen, und schon hat man im Handumdrehen noch einen feinen Kräuter-Crepe.

Buon Appetito!


Montag, 27. Juni 2016

Der Gecko in der Maske


Die Fähigkeit, mit Verlust und Trauer umzugehen, zeitigt merkwürdige Situationen. Im Kindesalter, da es schwer ist, ein ewiges Verschwinden zu akzeptieren, genauso wie im Alter, wenn das eigene Ende naht. Als mein Vater starb, nahm das mein Sohn, der ein besonders Verhältnis zu seinem Opa hatte, ohne besondere Regung auf. Ein paar Jahre später stürmte er Tränen überströmt in die Küche und war gar nicht mehr zu beruhigen. Wir dachten, es sei etwas schreckliches passiert, aber wenige Augenblicke später war uns klar, dass er erst zu jenem Zeitpunkt begriffen hatte, dass er seinen Großvater auf immer verloren hatte.

Ich habe bis heute immer noch ein schlechtes Gewissen, dass ich vom Tod meiner Eltern weniger betroffen war als vom Tode meines Hundes. Inzwischen ist mein Verhältnis zum Tod und zum Sterben noch drastischer geworden. Ich gehe auf keine Beerdigung mehr und habe auch verfügt, dass kein Aufhebens in Form von Grab und Sarg um meinen Tod gemacht wird. Wieso dieses triste Thema?

Als wir am Samstag beim Feiern einer neuen Dorf-Bewohnerin aus der Schweiz waren, kam die Bürgermeisters-Witwe gebeugter als je und verspätet. Ihr war nicht nach Feiern zumute. Soeben war ein Ur-Einwohner der Gemeinde verstorben.

Dede war ein freundlicher älterer Herr an die 90 gewesen, der immer vor dem aufgelassenen Alimentari saß und Vorbeifahrende grüßte. Meine Freundin und Nachbarin Petronella brach bei der Nachricht in Tränen aus. War Dede doch einer der Wenigen gewesen, der vor zehn Jahren in ihrer schwersten Zeit im Dorf zu ihr gehalten hatte. Wir waren nicht so betroffen, aber gerührt, weil wir ja von seiner Güte erfahren hatten.

Zum Zeitpunkt der Nachricht hatten wir auch einen anderen dramatischen Todesfall zu verkraften, und das erklärt vielleicht meine eingangs formulierte Überlegung:

Eine der Erinnerungen aus unserem facettenreichen Leben hängt an der Mauer unserer Dachterrasse:
Eine Replik-Maske aus den Rufolo-Gärten an der Amalfitana. Sie ist Symbol für unsere Italien-Liebe, und seit wir auf der Burg sind Wohnung für viele Gecko-Generationen, die sich sogar einen zusätzlichen Zugang erknabbert haben, den nur "Insider" kennen.

Seit drei Jahren beobachteten wir das Wachstum unseres Gecko-Königs wie stolze Eltern. Er war heuer auch früher draußen als seine Kollegen, die in den Trockenmauern noch der Kälte trotzten. Vielleicht hatte ihn das arglos gemacht. Mein Frau und ich hatten seit Tagen schon einen Falken ausgemacht, der ungewöhnlich nahe über dem Borgo kreiste und vermutlich seinen Horst hier hat. Ein bildschönes Pracht-Exemplar, bei dem sofort Bilder von Falknerei in der Phantasie hochkommen.
Der Goldene Gecko Oil on Canvas 2010
Auch unser Gecko war ein Bildschöner mit gelb umkreisten schwarzen Punkten und einem nicht allzu plumpen Körper. Aber immerhin, er war wieder deutlich größer und brauchte nun etwas länger, um in unsere Maske zu kommen. Zu lange. Der Falke musste ihn bereits einige Zeit beobachtet haben, denn der Zeitpunkt war genau abgepasst. Lautlos wie Graf Dracula schwebte er heran, landete auf der Maske und packte den Gecko mit ausgebreiteten Schwingen.

Natur - so wunderschön und doch so grausam. Das selbst Erlebte lässt uns meist mehr trauern als der täglich Todes-Horror in den Nachrichten. - Aber so sind wir Menschen...

Sonntag, 26. Juni 2016

Flieg oder stirb

Anders als die jungen Mauersegler, die, um ihre meist hoch gelegenen  Nester verlassen zu können, gleich fliegen müssen, ist der Amsel-Nachwuchs beim Nestflüchten größter Gefahr ausgesetzt. Die Mauersegler-Eltern können davon ausgehen, dass - wenn ihre Deszendenten den ersten Flug überlebt haben - sie von weiteren Pflichten befreit sind.

Amsel-Kinder sind im Idealfall so fett gefüttert, dass kein Platz mehr im Nest ist. Tatsächlich sind sie in dieser Phase, in der sie größer als ihre Eltern sind, immer noch noch nicht auf das wahre Leben vorbereitet. Sie dödeln mit aufgerissenen Schnäbeln ziemlich orientierungslos hüpfend im Burghof herum und erwarten, immer noch gefüttert zu werden. Die Eltern sind jedoch vom Fürsorge- in den Aufsichts-Modus übergegangen. Das heißt sie checkern sich von den Dachrinnen und Simsen die Kehlchen wund, um ihren Nachwuchs am Boden anzuspornen und vor Gefahren zu warnen.

Einem erprobten Vogeljagd-Veteranen wie unserem Piazza-Kater Lazaro spielt dieses Stadium eigentlich in die Krallen. Deshalb war ich vorgestern in der Mittagshitze von seinem Verhalten wirklich überrascht. Da verharrte er mit seinem immer noch nicht vollständig abgeworfenen Winterpelz in der prallen Sonne und beobachtete angestrengt. Als ich mich auf die vom Wind klimatisierte Treppe unseres Nachbarn setzte, verlor er augenscheinlich das Interesse und legte sich im Höflichkeits-Abstand zu meinen Füßen.

Das heftige Scheppern am Blech des aufgelassenen Hauses nebenan, ließ aber nicht nach. Und so machte sich Lazaro gemächlich auf den Weg, hüpfte die Stufe hoch und verschwand hinter einem Blumentopf. Das Scheppern hörte nicht auf, aber der Kater kam wieder hervor und schaute mich an, als wollte er mir andeuten, ich solle mich doch mal kümmern.

Als ich widerwillig zum Schutzblech ging, entdeckte ich die Lärmquelle sofort. Von den Dächern erhob sich ein wütender Protest. Eine junge Amsel flog immer wieder mit weit aufgerissenem Schnabel gegen das Blech. Vermutlich dachte sie, sie könne zum Nest zurück, das wohl irgendwo im Haus versteckt war.

Sie war ein draller Leckerbissen. Deshalb wunderte ich mich, dass Lazaro sie in Ruhe gelassen hatte. Als ich versuchte, sie mit meinen Händen in Sicherheit zu bringen, hüpfte sie dem Kater direkt vor die Nase, aber der reagierte wieder mit unüblicher Ignoranz. Er folgte noch nicht einmal, als ich das Vögelchen in den dunklen Bogengang gegenüber unter eine Hortensie scheuchte.

Akustisch verstärkt durch das Gewölbe erhob sich bald wieder ein Gezeter, obwohl Lazaro bei mir ausharrte. Da jetzt auch die beiden Blau-Merlen auf dem Kamin gegenüber einstimmten, sah ich noch einmal nach dem Vögelchen, dass sich nun jedoch verdoppelt hatte.

In früheren Jahren hätte ein Dorfbewohner die zwei geschnappt und auf den Grill-Spieß für ein Mittagessen gesteckt. War irgendwo vielleicht  noch eine Katze? Die Amsel-Eltern und ihre Verbündeten meckerten aber auf mich ein, als ich ihren Nachwuchs in die geschichtsträchtige Columbus-Gasse scheuchte.

Und siehe da: In ihrem abschüssigen Verlauf hüpften die beiden mit ausgebreiteten Flügelchen in den Aufwind und flogen. Zumindest landeten sie im sicheren ersten Stock eines Hauses.

Zurück auf der Piazza bedauerte ich den Lazaro in einer kleinen Ansprache, in der ich ihm zu verstehen gab, dass ja bei mir auch nicht mehr alles so leicht funktioniert wie in jungen Jahren.

Beleidigt wandte er mir den Rücken zu und belehrte mich am Morgen darauf eines Besseren. Offenbar war ihm die mögliche Beute einfach zu leicht gewesen, oder ihm war tatsächlich zu heiß.
Denn nun sprang und hechtete er dem Amsel-Nachwuchs hinterher, der immer noch wie betrunken flog.

Ob er erfolgreich war? Ich will es gar nicht wissen...

Donnerstag, 23. Juni 2016

Alltags-Realität

In Reichweite von Espresso und Wein aus der Bar daneben sitzen vor der unteren Ampel in Pontedassio bei schönem Wetter immer zwei ältere Herren auf einer Bank - und rühren sich nicht.
Meist starren sie geradeaus. Würden sie ihre bunte Sportkleidung nicht gelegentlich wechseln, wir könnten sie für eine Lebend-Installation nach dem Vorbild von Duane Hanson  halten.

Nicht jeder hat den bereits 1996 verstorbenen US-Künstler auf dem Schirm, obwohl fast jeder schon in Magazinen und Zeitungen eines seiner originellen Werke gesehen hat. Hanson gilt als einer der Wegbereiter der Pop-Art. Seine aus Kunststoff lebensgroß hergestellten, farbigen Skulpturen sind so täuschend echt, dass Museums-Besucher schon mal ein Gespräch mit ihnen anfangen. Das nennt die Kunstwelt Hyper-Realismus.

Nun stellen wir jedesmal,  wenn wir vor der Ampel warten müssen, Überlegungen an, wer dafür sorgt, die beiden Pontedassier so ruhig zu stellen. Ist es der Barbesitzer, der einen Werbevertrag mit den Beiden hat? Auf der Basis von Drinks gegen Sitzen. Oder ist es gar der ehrgeizige Kunstverein der Valle D'Olio, der Hanson noch eins drauf setzen will?

Die Frau am Steuer hat schon gemutmaßt, dass sie eingebaute Kameras trügen, um damit jedes durch den Ort fahrende Auto zu registrieren. Da haben wir dann sogar ein schlechtes Gewissen, weil wir nie die aufwendige Umgehungsstraße mit dem langen Tunnel benutzen.

Seit gestern Nachmittag vier Uhr, wissen wir jetzt: Die zwei sind auch nur Menschen.
Ein stark geschminktes Mädchen mit Piercings in mega
kurzen, abgeschnittenen Jeans und üppig ausstellendem Top - zudem Bauch frei - stöckelte laut telefonierend an den Herren vorbei.

Und unisono drehten die beiden ihren Kopf und folgten dem wohlgeformten Wackel-Hintern mit jenem Hauch der Erinnerung, der eben den Blicken älterer Herren zu eigen ist:

Herr! Du hast mir das Können genommen, so nimm mir doch auch das Wollen!

Montag, 20. Juni 2016

Koriander-Ente

Was macht man als Blogger nur an einem Morgen voller schrecklicher Nachrichten? Weil ich weiß, dass die Zugriffszahlen immer steigen, wenn ich eines meiner Rezepte poste, versuche ich das mal wieder:

Habe ich schon mal geschrieben, wie schwer es ist, hier in Ligurien eine nicht durch ein Hackebeil malträtierte Ente zu bekommen? Und Französisches wird hier ja meist ignoriert (liegt wohl an der wechselvollen Geschichte des Küstenstrichs).

Seit einiger Zeit hat jetzt eine Filiale der größten französischen Einkaufskette Fuß gefasst, obwohl sie ihr Angebot nicht in "italienisch logistischer Ordnung" präsentiert. Dafür gibt es in ihren senkrechten Kühlregalen manche Überraschungen. Diesmal war es Entenbrust.

Zubereitung

Ich mag "Petto Anatra" am liebsten im Stück zubereiten, aber so entgegen kommend sind sie dann doch nicht. Das Teil war schon in Medaillons vor geschnitten, und das regte meine Phantasie an, Entenbrust einmal anders zu zu bereiten:

Ich legte sie in eine Raine  und ließ bei hundert Grad Umluft im Ofen erst einmal das Fett der Haut aus.  Im Mörser hatte ich eine Beize aus frischem Ingwer, Chilli, Knoblauch und Limonen-Saft vorbereitet und das Ganze mit einem Esslöffel Honig, einem Esslöffel süßer und einem Esslöffel salziger Soja-Sauce geschmeidig gemacht. Abgeschmeckt wurde das dann mit einem indischen Curry-Salz aus der Altstadt von Nizza. Das kann man auch leicht selbst machen: grobes Meersalz, Curry-Mischung des Vertrauens, Teelöffel brauner Zucker und last not least ein paar Blätter vom grünen Koriander.

In den zwanzig Minuten Entfetten hatte ich schon Basmati-Duftreis gekocht, ihn ausdampfen lassen und dann in einer Wok-Pfanne schnell gehackte Zwiebeln, Ingwer und Knoblauch scharf angebraten. Der Reis wird hinzu gegeben und durch permanentes Wenden in eine leicht knusprige Konsistenz gebracht. Erst dann kommen die feinsten Tiefkühl-Erbsen je nach Geschmack hinzu. Ruhen und durchziehen lassen!

Dann muss man sich rasch um die Enten-Medaillons kümmern, damit sie innen schön rosé bleiben.
Der Ofen wird auf Grill und 250 Grad Oberhitze umgestellt und die Medaillons nun mit der Beize übergossen und ein paar mal gewendet. Wer die Haut knusprig haben will, steckt sie mit der Schwarte nach oben auf einen Grillspieß, lässt alles aber in der Raine.

Hoppla? Wieso heißt das Koriander-Ente? Hat der Obelix das vergessen? Nein gar nicht! In den letzten drei Minuten lege ich frische und ungeschnittene Koriander-Blätter auf die Medaillons. Dann werden sie bei ausgestelltem Ofen zum Ruhen noch stehen gelassen, während auf dem Teller der Reis-Timbal angerichtet wird.

Das Aroma des grünen Korianders ist gewöhnungsbedürftig. Man muss sich an diesen Genuss mit "der Petersilie Ostasiens" erst gewöhnen. Wer's nicht mag nimmt die angegarten Blätter einfach von den Medaillons. Der leicht Hauch der dann noch bleibt, verfehlt so aber nicht seine Wirkung für die spätere Koriander-Süchtigkeit...

 Buon appetito

Donnerstag, 16. Juni 2016

Die liebenswerte "Kräuter-Hexe"

Die Witwe unseres früheren Bürgermeisters ist uns mit ihren 78 Jahren Vorbild und Rätsel zugleich.
Noch immer ist sie unsere Teilzeit-Nachbarin. Obwohl sie dem Hörensagen nach ein schickes Domizil nahe ihrer Verwandtschaft in der Stadt hat, kann sie von ihrem Haus hier oben nicht lassen und klettert nicht selten  frisch vom Friseur und voll mit Proviant für mehrere Tage beladen die Stufen zur Piazza hoch.

Begleitet wird sie dabei von der ebenfalls schon betagten Spaniel-Dame Lara. Beide sind bei jeder Festivität dabei und halten tapfer beim Trinken und Speisen mit. Ohne ging es auch nicht, weil die Witwe die besten Crostate macht, und aus ihrem Horto, den sie noch selbst pflegt und ab erntet, köstlich frischen Salat und Gemüse beisteuert. Ihrem selbst gekelterten Bio-Wein sollte einer aber nur zusprechen, wenn er Verdauungsprobleme hat. Wer weiß? Vielleicht hat der Ur-Wein zu den Zeiten von Columbus tatsächlich so geschmeckt, und wir sind nur durch die önologische Entwicklung entwöhnt.

Im Tal tobt mehr oder weniger die Woche von San Giovanni. Am Hafen stehen die Zelte der Fiera, und jeden Abend gibt es eine neue Veranstaltung. Deshalb waren wir erstaunt, als wir die Signora auf der kurvenreichen Straße hinunter am Rand beim Kräutersammeln trafen. Wir wollten sie mitnehmen, aber dann sahen wir ihr Auto weiter unten stehen.

Sie hatte den Arm voller teils blühender, bald schon getrockneter Stengel einer gelb blühenden Pflanze. Da hinter uns Verkehr war, hatte sie nur kurz Zeit, uns die Rezeptur für ihr bestes Mittel gegen Rheuma und Gicht zu verraten:

Die Zweige und Blühten einfach in gutes, kalt gepresstes Oliven-Öl geben, und zwei Monate bis zum Gebrauch stehen lassen. Wikipedia bestätigte ihre Rezeptur, nachdem ich etwas gebraucht habe, um ihre Ernte zu bestimmen:

Es handelte sich um echtes, wildes Johannis-Kraut, das in diesen Tagen der Blühte traditionell hier in den Bergen gepflückt wird. Wenn die kalte Jahreszeit mit den Gelenk- und Haut-Zipperlein beginnt, ist daraus Rot-Öl geworden, das sie hier Sangue di Giovanni - Johannis-Blut nennen.

Dienstag, 14. Juni 2016

Training Day

Es ist meiner Meinung nach schon etwas dran an dem Vorwurf der "weißen Oscar-Verleihungen". Ich habe so viele brillante Filme mit Denzel Washington gesehen, dass ich immer noch nicht begreife, wieso er ausgerechnet für seine Rolle als Schurken-Detective in "Training Day" den Academy Award erhalten hat. Vermutlich, weil er am Schluss gekillt wird, was für die greisen Weißen der Academy "a suitable solution" für einen Schwarzen ist.

Was mich in den frühen Morgen-Stunden auf unserer Piazza zu solch krummen Überlegungen anregt? Es ist dieser geschmeidige Titel des Films. Heute Morgen war da nämlich Training Day: Von meinen pfeilschnellen, gefiederten Freunden, die ja  schon mehrfach Thema meines hiesigen Blogs waren. Trainig Day unserer Mauersegler.

Zunächst waren wir bei unserer Ankunft  in Sorge, dass die Prognose der Beobachtungs-Stelle aus Konstanz auch für die Burg hier stimmen könnte. Die Population der Mauersegler, sei in Deutschland extrem rückläufig, wurde vor Wochen  von den Ornithologen vermeldet. Es seien nicht mehr genug aufgelassene Gemäuer vorhanden, und die Schädlings-Bekämpfung allenthalben täte ihr Übriges.

Es war wirklich zunächst wenig los am Himmel über dem Borgo. Wir haben ja auch wirklich einen der besten Blicke auf die "Jagd-Geschwander". Unsere Dach-Terrasse ist nämlich einer ihrer Wendepunkte, und wir haben immer schon erwartet, dass irgendwann eines dieser Leichtgewichte in uns hinein kracht.




Ich muss das Geschehen heute Morgen kurz nach Sonnen-Aufgang festhalten:
Unser Gegenüber, der Musik-Professor aus Turin , kann Vögel auf der Piazza wegen ihres atonalen Kreischens nicht leiden. Vergangenes Jahr hat er in einer Nacht- und Nebel-Aktion die Nest-Löcher in der Burg-Mauer zum Teil mit Steinen blockiert.

Die waren aber nicht groß genug, und kamen den Mauersegler-Eltern als Schutz gerade recht. Weil sie sich die Flügelchen vor lauter Lachen vor den mageren Bauch halten mussten, hätten sie fast nicht mehr brüten können.

Was heute passiert ist, beschreibe ich am besten ausführlich für den Fall, das jemand Genaueres weiß:
Ich schaute aus dem Badezimmer- Fenster, und da kreisten rund zwei Dutzend um das etwa 20mal20 große Geviert der Piazza. Immer wieder scherte einer aus diesem dichten Reigen aus, um eine Schein-Landung an einem Mauer-Gesims durch zu führen. Zwei, drei Sekunden krallte sich das Kerlchen fest, dann fügte es sich wieder in den Reigen ein. Natürlich flogen sie auch Löcher an, die schon wieder zwecks Brüten besetzt waren. Dann warfen sie sich ohne Rücksicht auf den Kreisverkehr, wieder zurück ins Karussell.

Alles ist in diesem Jahr nämlich später dran. So brütet vermutlich die Eltern-Generation - während ihre erste Brut schon trainiert -  auf den zweiten Nestlingen. Was natürlich nicht ornithologisch belegt ist.
Wer es besser weiß, schreibe mir bitte.

Aber ich denke folgendes: Dieser spezielle, einzigartige Lande-Anflug der Spezies, die ja auf dem Boden hilflos ist, muss oft genug geübt werden. Mit 120 Sachen auf ein Loch zuzufliegen, in das er gerade noch rein schlüpfen kann, erfordert eine gewisse Meisterschaft. Oft genug klatscht es auch - und dann gehören die Vögelchen im Wahrsten Sinne des Wortes der Katz. Als Piazza-Kater Lazaro noch jünger war, saß er durch sein Fell getarnt unter deren Steig-Rute  und fischte die Flieger wie ein Eishockey-Torwart aus der Luft.

Es ist also angesagt, jeden Tag zu üben, ehe es wieder auf die große Reise geht. Wenn sie überhaupt noch ziehen. Wir haben den Eindruck, dass ein Teil bereits zu Standvögeln mutiert. Der Borgo ist als Fluchtpunkt gegen die Fährnisse der Welt ideal.



Was wir ja auch finden...

Samstag, 11. Juni 2016

Friedrich Wilhelm Erdogan

Kleiner, satirischer Gruß an Herrn Böhmermann

Auf multikulturellen Websites zu stöbern, hat sich mal wieder gelohnt. Suchbegriff war: Gibt es Erdogans, die  noch normal sind?

Hier in meiner Wahlheimat hatte ich gleich zwei Treffer: Giulia Moretti Erdogan und Pasquale Memet Erdogan. Erstere - eine erfahrene Ziegenzüchterin aus den Abruzzen (Kindheits-Bild) -  ist bei den Cinque Stelle, die mir nicht sonderlich sympathisch sind. Aber Pasquale ist bei der Partei Renzis. Doch ich will ja nicht Partei sein, deshalb entschied ich mich für den Deutschen Kandidaten, obwohl mir seine beiden Vornamen auch ein Gefühl des Unbehagens hinterlassen haben.

Friedrich Wilhelm kann aber für seine Vornamen nichts, wie ich bei Kontakt-Aufnahme mit dem Mann, feststellen konnte. Sein Großvater war bei dem vom Deutschen Kaiser sanktionierten - jetzt als Genozid bezeichneten -Vorgehen gegen die armenische Minderheit dabei, und von der Deutschen Effektivität derart begeistern, dass er darauf bestand, seinem in Deutschland geborenen Enkel beide Vornamen zu geben.

Die Türkisch-Deutsche Freundschaft mit dem "kranken Mann am Bosporus" (Zitat Zar Nikolaus I) ist ja historisch. Deshalb muss sich unsere Kanzlerin auch nicht schämen. Die osmanische Großmannssucht imponiert natürlich so einem Frauchen aus der einst von Junkern beherrschten Uckermark.

Da sie daher vermutlich nun nicht mehr als die GRÖKAZ (größte Kanzlerin aller Zeiten) in die Geschichtsbücher eingehen wird, habe ich Friedrich Wilhelm meine geschulte Kandidaten-Kür-Kompetenz angeboten.

Bis zur nächsten Wahl brauchen wir - wenn wir den Dritten Weltkrieg verhindern wollen - dringend einen Gegen-Erdogan, der fluchen und wirres Zeug reden kann. Clemens VII wurde gegen Urban VI am 20. September 1371 in Fondi zum Papst gewählt und residierte in Avignon und Rom - bis zum Massaker von Cesena... Ohne Blutvergießen geht's wohl nicht? Aber wenn Erdogen uns ins End-Mittelalter zurück provozieren will? - Bitteschön, wir wären gewappnet.
Gegensultane gab es bislang noch nicht, daher wird es allerhöchste Zeit, einen demokratisch zu wählen:
Friedrich Wilhelm in einer Laien-Aufführung
 von "Männer, die auf Ziegen  starren"
Friedrich Wilhelm ist da prädestiniert. Von München aus zu regieren, wäre passend. Nicht nur, dass er im CSU-Ortsverband als Beleg-Türke sehr geschätzt ist. Er ist auch Horst Seehofer bereits durch seine "sakrisch guaden Flüche" aufgefallen. Im "diensteifrigen" Pullach (auf den Gag bin ichr echt stolz), also Höllriegelskreuth, hat er schon zweimal den Wettbewerb "Wer flucht besser als Recep" gewonnen und gründete zudem einen neuen Ortsverband der "Jungtürken".

Also liebe konservative Blog-Leser, vergesst die Seehofer-Epigonen Dobrindt und Söder! Ein Deutscher Erdogan, das bringt der CSU im Falle eines Falles bundesweit den Kanzler.

Slogan: Erdogan, ach Erdogan! Lasst den Gegensultan ran!

Ich bin so frei, ich bin dabei. Wahlspenden - natürlich gegen Beleg für die Steuern - bitte an das Konto "Gegen-Erdogan" bei der "Bank für den Türkischen Wiederaufbau", Imar Türk Bankasi...