Donnerstag, 28. Juli 2016

Piazza im Platzregen

Egal ob es stürmt oder schneit. Das Cena in Piazza  ist mittlerweile zu einer wetterfesten Institution geworden. Gestern war es wieder so weit. Aber kaum hatten sich die zusammen gestellten Tische unter der kulinarischen Last gebogen, sendete San Pietro einen kurzen, feuchten Gruß. Übrigens ist Petrus bei den Italienern nicht für das Wetter zuständig. Vielleicht lag es ja daran, dass die Antipasti für die wackeren Burggeister unterm Regenschirm schnabuliert werden mussten. Die paar Tropfen taten aber deren Qualität keinen Abbruch. Die vergangen Cene haben dafür gesorgt, dass alle mit ihren kulinarischen Beiträgen mittlerweile über sich hinauswachsen. Es waren absolute Gourmet-Highlights, die da aufgefahren wurden. Allen voran natürlich die Bürgermeisterin-Witwe, die mich auf dem Foto liebevoll beschirmen wollte, damit ich essen konnte. Das ließ ich natürlich nicht zu, und so wechselten wir uns einfach ab.
Der immer ein wenig introvertiert wirkende Musik-Professor war aus sich herausgegangen und hatte zwei Gemüse-Platten nicht nur stimmig komponiert, sondern auch kunstvoll arrangiert.  Was gab es noch alles?
Ich will meine Leser nicht neidisch oder hungrig machen. Aber so it was, um mit Kurt Vonnegut, dem Autor von Breakfast for Champions zu sprechen:
Patisserie mit Wildlachs., torta verde, ein Sellerie-Salat mit Äpfeln, Mandeln und Sahne, asiatische Hühnerflügel, eine Peperonata al Forno und natürlich La Crostata zum Abschluss - begleitet von frisch gepflücktem Obst aus Inas Garten.
Der Blogger hat es vielleicht auch endgültig geschafft, die italienische Vorliebe für Plastik-Geschirr bei solchen Anlässen zu unterwandern. Mit dem Hinweis auf die Adligen der Vergangenheit, die uns von den Zinnen herab zuschauen würden, gelang es mir einige in die Häuser zurück zu schicken. Die hartnäckigeren Plastik-User, denen der Weg zu weit war, wurden einfach aus unserem Haus versorgt.
Das was die Geister der einstigen Grafen zu sehen bekamen, hat sie bestimmt sehnsüchtig gemacht. Kaum vorstellbar, dass das damals wesentlich anders ausgesehen hat.

Dienstag, 26. Juli 2016

Die Damen auf den Dächern

Es ist immer wieder faszinierend, wie das oft totenstille mittelalterliche Gemäuer innerhalb weniger Tage von einem heiteren Dorfleben erfasst wird. Das gilt besonders in diesem Jahr, da meine Freundin Petronella nach zehn Jahren  Zusammenleben und zwei Jahren Verlobungszeit (mit zauberhaftem Diamant-Ring) am Samstag ihren Marcellino heiratet. Beide sind jetzt 50. Marcellino stammt ja von hier, aber die in Neapel geborenen sechs  Geschwister Petronellas hat das Leben in viele Teile der Welt verstreut. Alle kommen  aber, um das "Küken" unter die Haube zu bringen.

In der Hochsaison ist ihre Unterbringung auf der Burg Marketender-Arbeit, denn die Nichten und Neffen sind auch dabei. Wir haben in unserem Haus Quartiere angeboten, weil ich mich geehrt fühle,dass Marcellino mich zum Trauzeugen auf dem Standesamt erkoren hat. Aber das wollte Petronella nicht, obwohl ich ja eine Art Ehestifter war. Stattdessen versorgen wir sie jetzt mit Matratzen für ihr geplantes Jugend-Schlaflager. Eine Gaudi wird das allemal, wenn es ans Versorgen der Sippe geht.

Aber die Alten erzählen, dass Geschichten belegen, es sei von jeher nicht anders gewesen. Die letzte Trauung allerdings, die wir auf der Burg als Zaungäste miterleben durften, liegt gut zehn Jahre zurück. Das Brautpaar wurde damals auf der Piazza für die Fotografen in Positur gestellt.

Sollte sich aber das Heiraten in den reiferen Jahren hier oben, als Trend erweisen, dann gäbe es noch einige Paare ohne Trauschein, die für eine Belebung des Heiratsmarktes sorgen könnten...

Einmal habe ich ja schon geschrieben, dass durch die engen Gassen hier ein Schall-Körper ensteht, bei dem die Quelle der jeweiligen Geräusche nicht zu orten ist (glücklicher Weise...). Da hört man das Geklapper von Geschirr und denkt es sei von Nebenan, dabei kommt es von unten aus der Gasse. Da ich die meisten Stimmen der Einheimischen mittlerweile kenne, und auch ihre Schritte zuordnen kann, gerate ich jetzt, da die Einwohner-Zahl des Borgos sich sicher vervielfacht hat, immer mehr in Schwierigkeiten, alle zu zu ordnen.

Die Damen auf den Zinnen und Dachterrassen stehen da drüber. Sie unterhalten sich einfach über den Lärm hinweg von Dach zu Dach. Selbst unsere anfänglich ein wenig schüchterne Gesangs-Professorin hat das mittlerweile für sich entdeckt. Das Persönchen mit dem gewaltigen Stimm-Umfang nützt ihre Hohen Fenster, weil sie von ganz oben nicht sprechen möchte. Sie hätte ja auf dem zentralen Gebäude einen "Wehrgang" mit 360 Grad Rundum-Blick. Aber sie will wohl von oben herab nicht sprechen. Für den Dialog mit meiner Frau öffnet sie das Südfenster, mit Marlies, der vielsprachigen Ex-Reiseleiterin mit dem glockenhellen Lachen, das nach Osten. Sie macht dabei so einen guten Eindruck, dass man eigentlich mal wieder über eine Päpstin nachdenken sollte.

Meine Frau hat auf unserer Dach-Terrasse die Möglichkeit, an diesen Gesprächen teilzunehmen, was sie häufig nutzt, vor allem, wenn die Generalin Ina da ist, deren Haus ein wenig abseits der Piazza liegt, aber eine Terrasse an unserer Ostseite hat. Einfach nur Wäsche aufzuhängen, wäre ja auch langweilig.

Ach für mich hat das unten auf meinem Schatten-Platz fantasievollen Nutzen: Ich stelle mir die Damen in passenden mittelalterlichen Kostümen vor - und begebe mich auf eine Zeitreise...

Sonntag, 24. Juli 2016

Sind wir denn noch gescheit?

Nein! Aber die Frage müsste eigentlich heißen: Sind wir denn schon gescheitert?
Wir lassen uns von machthungrigen Desperados angst machen, wir verlieren vor allem zunehmend das, was wir im Laufe der Jahrhunderte unter großem Blutvergießen weiter entwickeln wollten: die Humanität.

Ausdauernde Leser meiner Blogs erinnern sich vielleicht daran, dass ich ein Neandertaler-Theorem entwickelt habe. Nur kurz, damit ich nicht durch Wiederholungen langweile:

Uns wurde in der Schule ein denkbar primitives Bild unseres Ur-Ahnen vermittelt. Die heutige Forschung weist den Europäer hingegen mit seinen Wahlverwandten als äußerst anpassungs- und integrationsfähig aus. Er hatte Waffen und Werkzeuge und war nicht nur ein hartnäckiger Jäger, sondern fuhr in Griechenland - wo er etwa 300 000 Jahre lebte - auch zur See.

Rechnen wir großzügig den Beginn der humanen Hochkultur nach vorne, dann haben wir noch nicht einmal ein Zehntel dessen erreicht, was der "Primitivling" als Ahn der hellenischen Hegemonie geschafft hat...

Da das Durchschnittsalter der Knochen-Funde auf  ein Alter von 20 bis 30 Jahre begrenzt wird, aber auch Knochen von über 50jährigen gefunden wurden, kann man wohl beim Neandertaler kaum von Gewaltfreiheit ausgehen. Da die Sippen aber überschaubar waren, kam es nicht zu sogenannten Kollateralschäden. Die allgemeine Nachrichten-Lage konzentrierte sich aufs nähere Umfeld. Knochenblasen, auf Baumstämme Schlagen und gutturale Angriffs-Laute waren nicht dazu geeignet, Zulauf von Nachahmern zu erbringen.

Ja, und jetzt der Homo Digitalis, der Homo-Electronicus, der Homo Hash-Tag und wie man sie noch alle nennen könnte: Innerhalb von wenigen Sekunden können sie als isolierte Einzel-Nachrichtenagenturen durch ihr "Sendungs-Bwusstsein" zu absoluten Verwirrungen bei den Ordnungskräften führen. Ihre Posts von Videofilmchen sind so dramatisch aktuell, dass man vergisst, mit welcher Kaltblütigkeit sie entstanden sind und millionenfach geteilt werden.


Seit es Smartphones gibt, habe ich das Gefühl, dass der inszenierte Selbstmord-Amoklauf sich durch Nachahmer multipliziert. Da hat die erschütternde Dokumentation "Bowling for Columbine" von Michael Moore wohl gar nichts genutzt. Aber das war eben in den USA, dem Waffen-Wunderland.

Bliebt allerdings die Frage, woher ein 18jähriger Deutscher mit iranischen Wurzeln seine Waffe bekommen hat? Wenn es stimmt, was FAZ.net vermeldet, gibt es 20 Millionen illegale Waffen in Deutschland.

Wenn jeder Vierte statistisch eine illegale Waffe hat, und per Hash-Tag dazu aufgerufen wird, sie gegen einen ausgemacht anders Denkenden zu richten. Dann gnade uns Gott - wenn es ihn denn dann noch gibt...

Ich jedenfalls möchte nicht, dass mein Enkel sich wieder per Knochenblasen verständigen muss

Donnerstag, 21. Juli 2016

Auf den Lorbeeren ausruhen?

Dieser Tage hatte ich eine höchst interessante Unterhaltung mit einem Nachbarn, der einst CEO bei einer Weltfirma war. Wie immer landeten wir nach wenigen Augenblicken bei der politischen Weltlage, unter der ich leide, als sei ich für sie verantwortlich. Natürlich bin ich das nicht, und mein Leiden wird nichts verändern, es steigert nur meine eigene Hilflosigkeit.

Ich habe ja an dieser Stelle und auch in meinen Glashaus-Blogs des öfteren geschrieben, dass nur ein Blick in gute Geschichtsbücher reichte, um all die gegenwärtigen politischen Fehler zu vermeiden. Aber außer Winston Churchill, der dafür den Nobelpreis bekam, hat sich kein Spitzenpolitiker jemals literarisch mit der unmittelbaren Historie auseinander gesetzt. Es sei denn in persönlichen Biographien die eigenen Leistungen mit Lorbeeren geschmückt...

Aber zurück zu meinem Gesprächspartner, der - obwohl älter - wesentlich fitter daher kommt. Er macht es richtig, indem er Störendes einfach nicht mehr an sich herankommen lässt. Ihm geht heute gewissermaßen alles hinter seinem  Körper-Schwerpunkt vorbei. Er begründet es damit, dass wir Alten ja unseren Beitrag zu Gesellschaft und Wohlstand beigetragen hätten. Jetzt müssten die Jungen klar kommen, so wie wir mit Aufständen, Kriegsgefahr und Terror es in den 60ern, 70ern und 80ern des vergangenen Jahrhunderts getan haben.

Thomas Manns Zauberberg-Theorem unterstellt der Gesellschaft seiner Zeit, alles Übel sei daher gekommen, weil sich deren Spitzen auf den errungenen Lorbeeren ausgeruht hätten. Der Bildungsroman erschien ja 1924 zwischen den beiden Welten-Bränden, und gilt dennoch symptomatisch gleichermaßen für beide Kriege.

Auf Lorbeeren ausruhen, geht ja ohnehin nur metaphorisch. Als einer, der gerne mit Lorbeer kocht, weiß ich, dass die frischen Blätter schnell trocknen und dann scharfkantig und knitterig werden. Das gilt natürlich für den Lorbeer-Kranz der Sieger gleichermaßen. Allein auf Denkmälern hält der Helden-Kranz ewig. Mag man sich real wirklich auf so etwas Unbequemen ausruhen? Zumal auch der Sieger-Lorbeer im Verlauf der Geschichte eher etwas Anrüchiges bekommen hat. "Heil dir im Siegerkranz"?

Auf der Piazza aber gibt es einen, der weder etwas geleistet hat und oft genug sogar als Verlierer davon geschlichen ist. Ausgerechnet der ruht sich an heißen Tagen mucksmäuschenstill neben mir im Schatten unseres Lorbeerbaums  auf dessen Knitter-Laub aus: Lazaro, der Kater, dem eigentlich auch alles am Schwanz vorbei geht.

Montag, 18. Juli 2016

Was, wenn alles getürkt war?

Übermorgen wird wieder in der Bundesrepublik Deutschland an den 20. Juli 1944 erinnert werden. Das ist für mich Anlass, doch noch einmal die vergangenen Tage revue passieren zu lassen. Einfach nur mit Fragen:

Wird der einfache Mensch eines Tages die gescheiterten Putschisten in der Türkei auch offiziell betrauern?

Wird er die vorangegangene Zuspitzung in der öffentlichen Sicherheit der Türkei dann immer noch dem IS, den Kurden oder Terroristen zuschreiben?

Wieso eiern die internationalen Diplomaten so herum und zeigen sich glücklich, dass die vom Volk gewählte Regierung diesen Anschlag auf die Demokratie überstanden hat?

Haben die späteren Alliierten vor 72 Jahren nicht auch viel zu lange passiv zugeschaut, wie Deutschland im braunen Elend versunken ist?

Wie steht es um die innere Sicherheit Deutschlands, wenn der türkische Ministerpräsident allein mit einem inszenierten Handy-Anruf im staatstragenden Fernsehen bei uns protestierende Massen auf die Straßen schicke kann?

Lassen wir es zu, dass auf der Basis von Meinungsfreiheit, Demonstrations-Recht und meist liberalem Verhältnis zur Glaubens-Ausübung Propaganda für ein immer faschistoider auftretenden Staat gemacht wird?

Waren die spontanen Demos überhaupt angemeldet? Und wenn ja, haben die Protestierenden das dann schon vorher gewusst wie ihr Staatsoberhaupt?

Wieso hat die seit langem extrem gut strukturierte Führung des immer noch größten, stehenden Heeres der NATO, die ja im Wegputschen bedrohlicher Führer einige Übung hat, diesmal so versagt?

Wieso war die Polizei besser organisiert als die Soldaten, und wie wurden all die Richter und Staatsanwälte so schnell aktiviert, wenn nicht schon vorher für den Fall der Fälle ein Plan bestand?

Van der Lubbe lässt aus dem Grab grüßen.

Was wenn alles nur getürkt war?

Freitag, 15. Juli 2016

Vom Winde verwirrt...

Bevor ich nach Ligurien kam, habe ich viel Literarisches über die Winde hier gelesen. Teilweise war das so poetisch, wie sehnsuchtsvoll und abergläubisch. Im ganzen Mittelmeer-Raum wird den Fallwinden etwas Geheimnisvolles angedichtet; ob sie nun Meltemi, Bora, Mistral oder Tramontana genannt werden.

Zumindest die Wirkung auf Geist und Körper des Fön in Bayern haben die Wissenschaftler in Fall-Studien widerlegen können. Und ich glaube der Wissenschaft, obwohl ich mein Leben lang bei Fön zwischen Euphorie und Niedergeschlagenheit schwanke.

Seit Tagen kämpfen nun über der Burg der Alpenwind Tramontana und der Nordost-Wind Grecale. Vor allem nachts erreichen sie Windstärken von sechs Beaufort. Kommende Nacht soll es zu  weiteren Stürmen kommen.

Uns hat schon die vergangene Nacht gereicht. Wir konnten kaum schlafen, aber schlimmer noch, unsere Seelen wurden derart durch den Wolf gedreht, dass wir wie Maikäfer apathisch auf dem Rücken lagen, es aber nicht schafften, gegen das Wirre im Kopf einfach mit Aufstehen zu reagieren.
Also Abbitte den Literaten, auch wenn es sich leichter liest als es auszuhalten ist.

Das angeblich drohende Unheil jedoch, das mit diesen Winden einher gehen soll, hatte sich da in Nizza kaum 80 Kilometer von hier schon ereignet. Geschlaucht und gelähmt erfuhren wir von dem Attentat auf dem Boulevard des Anglais und konnten kaum noch atmen. Die Fußball-EM bravourös und sicher überstanden, und dann das am National-Feiertag!!!

Können wir diesem kollektiven Wahnsinn weltweit widerstehen, wenn schon anscheinend gesettelte Staaten sich von Politik-Desperados auf gefährliche Wege leiten lassen?

Mittwoch, 13. Juli 2016

Ich sehe was, was du nicht siehst

 Inzwischen sind sie ja wieder aus der Mode gekommen: die 3-D-Bilder. In den 1990ern war das Kult, durch Draufstarren die versteckten Motive plastisch zu machen. Da gab es ganze Buchreihen. Auf unserer Piazza kann ein mit Phantasie Begabter etwas derartiges auch "erstarren"

Die normalen, mit Kiesel-Ornamenten belegten Vorplätze in Ligurien sind meist bunt und ihre Muster eindeutig. Einer der schönsten Plätze dieser Art ist vor der Kirche von Riva Ligure zu begehen (Vorsicht mit Stöckelschuhen!). Dem hiesigen Grafengeschlecht, das die Piazza 1975 dem Hörensagen nach gesponsert haben soll, hat es aber gefallen, das  Ornament geradlinig und nur in schwarz-weiß anlegen zu lassen. Wobei ich bis heute nicht herausgefunden habe, wofür der fünfzackige Stern in dessen Mitte stehen soll.
Vermutlich ist es einmal wieder so, dass der multikulti verwendete "Drudenfuß" hier die Bösen Geister vom Spuken in der Burg abhalten soll. Unsere fünf Kirchlein im Borgo reichen da wohl alleine nicht immer aus.

Und dann hockt da noch so ein durchgeknallter Deutscher ganze Tage ohne sichtbar Tätigkeit im Schatten und starrt die einzementierten Kiesel an. Meine sich der Unrast des Alters hingebenden Nachbarn haben mich vermutlich auch schon als Fall für die Psychiatrie abgeschrieben. Sie gehen oft irritiert vorbei, wenn ich nicht aufblicke. Dass ich ein dilettierender Maler bin, haben sie zwar akzeptiert,  und sie hängen auch Bilder von mir auf, aber jetzt können sie oder wollen mir nicht weiter folgen. Dabei bin ich mitnichten ein Geisterstarrer, obwohl ich in den  Kiesel-Mustern immer wieder Erstaunliches entdecke:
Ganz offensichtlich ist es wohl nicht, denn ich muss, wenn einer fragt, was ich da mache, schon Fingerzeige zu dem geben, was sich in meiner Phantasie so eindeutig darstellt.

Wenn ich bei meinem Nachbarn auf der von Windkreuzen klimatisierten Stufe sitze, sehe ich zu meinen Füßen eine Friedenstaube - oder ist es eine von den Druden versteinerte Amsel, die zu laut gesungen hat? Selbst mein Gesellschafter, der Kater Lazaro, guckt mich an, als hätte ich eine Meise, wenn ich ihm von dem Vogel erzähle. Gut dass es Computer-Programme gibt, die das Unsichtbare sichtbar machen...

Sonntag, 10. Juli 2016

Der Stand der Sonne

Es macht keinen Sinn, in diesem Zusammenhang auf die 100 Gramm Hirnmasse, die wir Männer im Durchschnitt mehr haben als Frauen, zu verweisen. Wären die Frauen nicht erst seit Hundert Jahren in der Lage gewesen, das Joch der Männer abzuschütteln, dann hätten sie den kleinen Unterschied auch da längst überwunden.

In meiner Firma habe ich immer auf die Balance zwischen den Geschlechtern geachtet und dabei festgestellt, dass die Damen stets den zuverlässigeren Part gespielt haben. Deshalb kann ich nicht begreifen, wieso sie überwiegend im Gelände und auf den Land-Karten so orientierungslos sind. Es hat also nichts mit Machismo zu tun, wenn ich ein Erlebnis von Gestern wiedergebe:

Wir waren gestern im La Torre, einem der schönst gelegenen Restaurants von Porto Maurizio zum Mittagessen. Direkt am Zufluss des Prino der diesem westlichsten Ortsteil seinen Namen gab, und in Sichtweite eines sehr gut erhaltenen Sarazenen-Turms. Früher führte das ein bärbeißiger Franzose mit seiner Familie. Jetzt schwingt eine blonde, füllige Ligurierin das Zepter mit deutlichem Qualitäts-Zuwachs und dennoch zu Preisen, die das sonnende und badende Publikum an den Stränden ringsum auch mittags zu zahlen bereit ist...

Man möchte doch meinen, dass Damen, die in Ligurien den ganzen Tag am Strand liegen, über den Stand der Sonne genauestens bescheid wissen. Sie drehen sich ja automatisch wie die Sonnenuhr auf ihren jeweiligen Unterlagen mit.

Als der Maestrale gerade einschlief, und bevor der Libeccio ihn ablöste, zogen  in der Windstille Nebel und Wolken auf. Die Sonne war gerade verschwunden, da kamen drei Strand-Grazien und setzten sich an einen der Tische ohne Sonnenschirm. Die freundlich Bedienung riet, doch lieber einen Tisch mit Schirm zu nehmen, die Sonne käme ja gleich wieder.

Wo steht den dann die Sonne? Die vier rätselten. Die eine vermutete sie im Westen, die Bedienung im Norden, am nächsten kam noch die Jüngste, die mit fahriger Bewegung irgendwie nach Südost zeigte.

Ich sagte zu meiner Frau:
"Wenn man schon keinen Orientierungssinn hat, dann gibt es doch Landmarken, die man zu Hilfe nehmen  kann. Die Sarazenen waren schlaue Strategen. Sie bauten ihre Türme in Sichtweite voneinander, so dass sie sich mit Feuer- und Rauchsignalen verständigen konnten. Sie waren zudem gewahr, dass sie stets einen Panorama-Blick übers Meer brauchten. Mindesten 180 Grad - wenn nicht gar mehr; auf vorgelagerten Landzungen. Die ligurische Küste verläuft trotz ihrer vielen Buchten doch klar von Ost nach West, weshalb sie in levante und ponente unterteilt wird. Also da, wo die Sonne aufgeht und dort, wo sie untergeht. Also wo steht sie jetzt kurz nach Mittag?"

Meine Frau zeigte irgendwo zum nördlichen Wolkenhimmel...

Was soll's? Sie hat ja mich!

Donnerstag, 7. Juli 2016

Vom Glück der Tiere

Es sind die letzten stillen Tage auf der Burg. Erste Ferienhäuser sind weiter unten schon bezogen. Auf der Piazza herrscht ein lautloser Frieden, in dem man nur das Rauschen des Blutes im Ohr vernimmt.
Gestern war noch reger Flug-Betrieb  und Mords-Gezeter, weil das Schwalben-Pärchen, das erstmals seit Jahren wieder ein Nest im Torbogen an die Decke geklebt hat, mich für einen großen Kater hielt. Während der ersten Flugstunden ihrer vier Kleinen, wurde ich hektisch attackiert. Mitunter kamen sie bis auf zehn Zentimeter an meinen Kopf heran. Dann merkten sie wohl, dass ich ihnen nichts Böses wollte. Heute ist die Familie verschwunden. Soviel zum Sprichwort eine Schwalbe macht noch keinen Sommer...

Lazaro, der Piazza-Kater, schleicht müde um die Ecke und schaut mich an. Zeit für eines unserer stummen Gespräche:
"So viele Vögel in diesem Jahr, und du beachtest sie kaum mehr."
"Was willst du? Ich bin alt, Vittorio stopft mich mit allerlei Leckerbissen voll. Ich habe endlich mein Winterfell abgerubbelt und möchte eigentlich den ganzen Tag schlafen."
"Warum tust du es dann nicht?"
"Weil ich ja eigentlich Wache halten muss, so lange Vittorio nicht hier ist."
"Aber ich bin doch da."
"Ja. Deshalb bin ich ja hier. Wenn du im Schatten auf der Piazza sitzt, kann ich mich mal so richtig durchstrecken, Putzen und dann auf der Bank unter der Hortensie ein Schläfchen machen."
"Bist du ein glücklicher Kater. Hast du ein Glück, so ein Herrchen zu haben."
"Was ist Glück? Meinst du meinen vollen Bauch, das Herumstromern, das Schlafen in deiner Nähe, und dass ich nachts im Haus von Vittorio vor den jungen Flegeln geschützt bin? Das ist mein Leben. Da brauche ich kein Glück, oder was immer ihr Menschen darunter versteht."

Spricht's, hüpft auf die Bank, streckt sich ausgiebig und schläft Sekunden später den Schlaf der gerechten Kater.
In mir steigen jede Menge Fragen hoch:
Was, wenn Tiere gar kein Glück empfinden können?
Wenn deren Reaktionen wie Schnurren, mit dem Schwanz wedeln, Hände und Gesicht abschlecken nur Projektionen unseres Verlangens nach Glück sind? Unsere Handlungen und Bestrebungen, sie zu schützen und artgerecht zu halten, vor allem der Beruhigung unseres schlechten Gewissens dienen, weil wir sie domestiziert haben oder ihres Gesanges wegen in Käfigen halten?

Als wir vor mehr als anderthalb Jahrzehnten auf die Burg kamen, gab es hier kaum Vögel, weil sie wegen der Aussicht auf einen mageren und kurzen Grill-Happen von den Alten aus dem Himmel geballert wurden. Die diesjährigen Vogel-Generationen haben davon keine Ahnung mehr. Sie flattern und segeln lustvoll durch die Lüfte und müssen nur noch das neue Falken-Pärchen fürchten. Sie wissen gar nicht, was für ein Glück sie haben!
Je glücklicher das Rind, desto leckerer das Steak.
Was für eine Glück - für uns Menschen!

Montag, 4. Juli 2016

Die Kraft der zwei Herzen

Über Fußball wollte ich eigentlich nie mehr schreiben. Ende der 1970er habe ich damit aufgehört. Als Experte war ich bei den Kollegen dennoch gefragt, weil ich damals unter anderen Fußball-Büchern Co-Autor der "Fußball-Weltgeschichte" war. Im Stadion war ich allerdings nur während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974.

Wieso ich jetzt das Bedürfnis habe, noch einmal über Fußball zu schreiben, hängt mit der Rasen-Schlacht vom vergangenen Samstag zusammen, die ja an Emotionalität nicht zu überbieten war.
Italien gegen Deutschland, und erstmals, seit ich hier auf der Burg lebe, gingen die Deutschen als Sieger vom Platz.

Am Vormittag des Spiels war es Hauptthema auf dem Markt, in unsrem Lieblings-Restaurant am Meer, wo eine große Gruppe Deutscher  unseren Stammplatz belegt und quasi ein Wettbüro ums Essen eröffnet hatte. Aber das Dauer-Gequatsche diverser Lokal-Sender über das vorweg genommene Endspiel ließ alles hinter sich. Fußball ist viel wichtiger als die aktuelle Weltlage?

Ich weiß nicht, wie oft ich zum etwaigen Ausgang des Spiels gefragt worden bin, aber ich hatte eine tolle Antwort parat. Come sempre! Italien wird jemanden haben, der im entscheidenden Moment die Fehler der Abwehr in der Deutschen Elf nutzt.

Ob ich denn gar nicht für die Deutschen sei? Das war dann schon zu viel für mein mangelhaftes Italienisch. Wie sollte ich erklären, dass es in der Zeit, als ich Jung-Reporter war, eine unausgesprochene Regel gab, dass auf der Presse-Tribüne weder Partei ergriffen noch applaudiert wurde. Heute, da selbst TV-Reporter ihren Emotionen parteiisch freien Lauf lassen, ist das nur noch schwer zu verstehen.

Ich kapierte ja selbst nicht, wieso dann während des Spiels mein Puls nicht raste, und auch beim Elfmeter-Drama keine Enge in meiner Brust entstand.

Zwei Tage danach weiß ich es. Ich wäre auch mit einem Italienischen Sieg einverstanden gewesen, denn aus meiner Sicht habe ich eine bessere Squadra Azzurra gesehen, als bei den gewonnenen Weltmeister-Titeln. Dass Gigi Buffon den letzten Elfer durch rutschen ließ, ändert nichts an seiner legendären Laufbahn. Es ändert auch nichts, dass der DFB-Elf trotz ihrer Überlegenheit, wieder einmal gegen Italien die mentale Leichtigkeit gefehlt hat, die sie beim WM-Spiel gegen Brasilien mit dem 7:1 demonstriert hatte. Die sogenannten älteren Herren der Squadra waren so fit wie die jüngeren Deutschen. Mitunter schienen jene dann allerdings vor deren geballter Erfahrung wie paralysiert.

Bis zum Endspiel stünde so noch ein harter Weg bevor, weil Frankreich diese Kreativität nun offenbar hervor gezaubert hat. Fraglich ist allerdings, ob ich dieses Halbfinal-Spiel genauso cool sehen kann. Denn da fehlt mir dann ja die Kraft der zwei Herzen, die nun mal für Deutschland und Italien gleichermaßen schlagen...

Freitag, 1. Juli 2016

Zucchini-Blüten im Bierteig

 Mein heutiger Snack-Tipp ist vermutlich eine Zumutung, weil Zucchini-Blüten nördlich der Alpen allenfalls an schon gereiften Früchten angeboten werden. Was bedeutet, dass sie zu klein sind sowie schon die Spannkraft verloren haben und nur noch einen Bruchteil des Geschmacks bieten. Wenn ich jetzt auch noch empfehle, die langen männlichen Blüten zu nehmen, wird es mit deren Beschaffung noch schwieriger. Da muss einer schon einen italienischen Gemüse-Händler in der Nähe haben, der zudem Restaurants beliefert.

Aber wer gerade in Italien unterwegs ist und eine Möglichkeit zum Kochen hat, sollte an den großartigen Sträußen nicht vorbei gehen, denn schneller geht es nicht, seine Gäste zum Wein mit einer Delikatesse zu verwöhnen.
Auf unserem Markt in Oneglia habe ich drei Sträuße für 5 Euro bekommen. Einen Strauß haben wir im Gemüsefach drei Tage aufgehoben, weil als Hauptgericht ein Strauß pro Person schon über dem Sättigungs-Limit läge, aber man kann dann eben einfach nicht aufhören. Die männlichen Blüten waren übrigens auch nach dem Kühlschrank-Aufenthalt noch straff und aufrecht - wie man es von ihnen erwartet.

Bei den typischen, ligurischen Restaurant-Gelagen mit bis zu 14 Gängen werden die Blüten gerne am Ende der Vorspeisen gereicht und zwar gefüllt mit Kartoffel-Mangold-Muss oder einer Kräuter-Polenta. Die werden in der Raine gebacken und liegen dann viel zu lange. Sie erfüllen einen gemeinen Zweck. Sollen sie doch mit ihrer "Pampfigkeit" die Forderung nach Nachschlägen bei den "teureren" Haupt-Gerichten dämpfen...

Meine gute Freundin Camilla aus dem Valpolicella taucht die Blüten erst in Eiweiß dann in Mandingo-Gries und frittiert sie in Sonnenblumen-Öl. Die kann man dann toll knuspern, aber den typischen, und wie ich finde einzigartigen,  Geschmack büßen sie dabei nahezu ein.

Zutaten:

Es hat lange gedauert, bis ich mich selbst mal an das Zubereiten gewagt habe. Die ersten Ergebnisse haben mich nicht überzeugt. Da hätte ich die Blüten auch Roh als Salat essen können - was ein Kalorien sparender Tipp wäre. Dann erinnerte ich mich daran, wie in Bayern Holler-Blüten im Bierteig gemacht werden:
Ich mache den Bierteig gewürzt und frei Schnauze. Zuerst hacke ich Petersilie, Basilikum, Koriander und Knoblauch ganz fein, dann gebe ich zu den Kräutern je einen Teelöffel feines Salz und braunen Zucker sowie Pfeffer nach Gusto. Ein Schäufelchen Mehl  und ein Ei dazu und das Ganze dann mit Bier und dem Schneebesen verquirlen, bis der Teig in dicken Tropfen abfließt. Die Schüssel kommt noch einmal in den Kühlschrank zum Durchziehen - was auch die Vorbereitung unkompliziert macht.
Könnten meine Nachbarinnen das Folgende Lesen, steinigten sie mich auf der Piazza. Ich gebe nämlich mein bestes  Oliven-Öl in die Wok-Pfanne.
Bevor ich die Blüten, die auf keinen Fall gewaschen werden dürfen (die Hitze macht sie dann ja keimfrei), quirle ich den Teig einmal mehr durch und gebe - falls er zu aufgequollen ist - noch einen Schluck Bier hinzu. Dann nehme ich die Teile an den Stängeln und tauche sie kopfüber in den Teig, wende sie ein paarmal und gebe sie dann ins siedende Öl.
Mir geht Frische und Wärme dabei über alles. Deshalb mache ich sie nicht einzeln, sondern lasse es zu, dass sich mit den Blüten eine Art Pfannkuchen bildet. So schön wie auf dem Bild sehen meine also  nicht aus. Aber diese Methode hat den Vorteil, dass man alle auf einmal wenden kann. Dass erhält die Blüten saftig und geschmackvoll und sie können trotzdem auf dem Servierteller mit einer Gabel leicht getrennt werden. die Stängel sind dabei übrigens der Gar-Indikator. Wenn die in der Pfanne dunkler werden, wird es Zeit. Sie schmecken - obwohl roh leicht stachelig - gebraten wie grüner, gegrillter Spargel...

Ein Snack, bei dem ratzeputz alles verwendet wird. Den restlichen Teig in die noch heiße Pfanne gießen, und schon hat man im Handumdrehen noch einen feinen Kräuter-Crepe.

Buon Appetito!