Mittwoch, 24. August 2016

Badegäste

Der kleine Punkt in der Schale ist ein Bergfink.
Näher heran kommt die
"Bademeisterin" nicht
Erdbeben in Perugia, Bomben in Thailand, Quasi-Hinrichtungen auf den Philippinen - die Welt scheint immer unsicherer zu werden. Von all dem bekommen wir hier auf der Burg nur via Internet und TV etwas mit.
Die Burggeister plagen weit geringere Probleme, aber wir  vom Komfort verwöhnten Europäer gewichten das nicht. Seit Wochen hat es nur ein zwei Mal kurz geregnet, und wie immer hängt die Gemeinde Zettel aus, dass das Wasser knapp wird und nicht verschwendet werden darf. Die Hausbesitzer, die von der Vermietung an Touristen leben, finden das gar nicht komisch. Vor zwei Jahren hatten sie bei der Wasser-Sperre durch abreisende Mieter ordentliche Verluste. Aber jetzt reagieren sie auf jeden Abfall des Wasserdrucks mit Panik, und sparen sollen natürlich immer die anderen.
Wenn meine Frau die Gemeinde-Pflanzen auf der Piazza gießt, wird das während der anderen Jahreszeiten sehr begrüßt, jetzt aber sieht die Nachbarschaft das Gießen schon mit Argwohn. Dabei ist die Piazza mittlerweile ein pittoreskes Aushängeschild der Gemeinde.

Wenn die wüssten, was sie auf unserer Terrasse für ein "Gewerbe" betreibt, würde sie zur Strafe mit dem Schlauch abgespritzt:

Den Einheimischen, die sie ja Jahrzehnte lieber verspeist haben, fällt gar nicht auf, dass kaum noch Vögel im Borgo singen. Wie sollten die auch - mit trockener Kehle? Die meisten gefiederten Freunde sind unten am Fluss oder belagern die Laghetti, wo aber Ringelnattern ihr Leben nicht vereinfachen.

Nur die winzigen Bergfinken harren hier aus. Sie sind zwar kaum größer als Zaunkönige, haben aber auch Durst und Bedarf an Körper-Pflege. Einmal hat meine Frau aus Versehen einen voll gelaufenen Topf-Untersetzer stehen lassen. und schon war dieser als Badeanstalt beschlagnahmt worden.

Seither wird das Bad pünktlich um fünf Uhr eröffnet, und die kleinen Aspiranten warten schon auf der Antenne, bis sie an der Reihe sind...

Was für ein Planschen und genussvolles Schnattern in trockenen Zeiten



Sonntag, 21. August 2016

Shine On Me!

Fußball unter Gottes Segen und mit Flutlicht!






















Wer ein normales Fernglas hat, könnte von unserer Terrasse sehen, wie sich die Bewohner des zu unserer Gemeinde zählenden Nachbarortes gegenüber  in der Nase bohren oder am Kopf kratzen. So nah sind wir beieinander. Und doch trennt uns ein tiefes Tal.

Natürlich beobachten wir sie nicht durchs 'Fernglas, sondern folgen den elegant kreisenden Rauhfuß-Bussarden, so wie die entfernten Nachbarn das auch tun. Der Tal-Schulter entlang ist es eine Fahrt von ein paar Minuten, zu Fuß - je nachdem ob bergauf oder bergab - sind es zwanzig Minuten bis zu einer halben Stunde.

Unser Capo Luogo hat zwei Klein-Fußball-Felder und einen Tennisplatz sowie noch den Hartplatz direkt am Gemeinde-Zentrum, wo aber fast nur noch die Sagre (Essen mit Musik und Tanz aus besonderen Anlässen) veranstaltet werden. Die Plätze sind im Sommer nahezu verwaist. Wer will sich bei Kunstrasen-Temperaturen von um die fünfzig Grad schon Brandblasen holen?

Im Nachbar-Ort, der so extrem auf einer Felsnase liegt wie unser Castello hier oben, sind die Gassen noch enger. Wer so Wand an Wand und Fenster an Fenster lebt, bekommt einiges mit, und deshalb verhält sich die Bewohnerschaft deutlich reservierter. Die Kinder von unserer Bekannten Juliane mussten deshalb auch nicht groß aufgeklärt werden...

Aber was wir leider schon lange nicht mehr haben, ist ein Restaurant oder eine echte Bar, wo man sich am Abend auf einen Drink verabreden kann. Unser Nachbar-Ort hat beides. Das Restaurant serviert seit Jahr und Tag zum Preis von 23 Euro ein vier Gänge Menü mit Wein und Kaffee inklusive. Die Vorspeisen sind frisch angerichtet und frittiert. Die Pasta ist legendär, und großartiges Fleisch erwartet man in Ligurien eh eher selten. Aber es ist tadellose Casareccia.

Sind unsere Nachbarn gelegentlich mal aufgetaut (- wie die Wirtin bis zum Nachtisch), dann erfährt man von einem überraschenden Zusammenhalt. Juliane ist die Verbindung zum dezenten Tourismus, der dort längst nicht das Dorfleben derart tangiert wie bei uns.

Das kann im Ernstfall so aussehen wie am vergangenen Wochenende: Ein Holländer hat fürchterliche Zahnschmerzen. Ein türkischer Taxi-Unternehmer aus Hamburg bittet Juliane um Hilfe. Die ruft die ganze Küste nach einem Notdienst ab. Der hat Sonntagsdienst, arbeitet also erst ab dem nächsten Morgen. Man möchte sich doch bitte an den Kollegen wenden , der am Samstag Bereitschaft hat. Aber es ist bereits viertel vor Sechs.

Juliane lässt nicht locker und erreicht den Dentista, der gerade am Gehen ist. Ein Viertelstunde könne er noch warten. Hier erweist sich die in Deutschland geborene Psychologin mit ihrem perfekten Italienisch in Engelszungen  als unersetzlich. Ende gut, alles gut, als sie erklärt, wo sich der vom Zahn geplagte Flachländer aufhält.

Als wir vom Essen mit Juliane aus dem Restaurant kommen hat uns das Hamburger Taxi eingeparkt. Was aber nichts ausmacht, weil jeder den Türken kennt. Bis er kommt, beobachte ich, wie ein Vater vor dem Kirchen-Portal mit seinen Buben Fußball spielt. Die Eingangs-Säulen sind das Tor, und die Beleuchtung sorgt für das Flutlicht. Der Abend ist kühl und friedlich.

Da denkt auch der Agnostiker:"Shine on me!"

Mittwoch, 17. August 2016

Dolce Vita oder Dolce Far Niente?

Mit den "Italienischen Momenten" bei uns Deutschen nördlich vor den Alpen ist es genauso wie mit den Handys und Smartphones. Irgendwann wurden sie so zur Gewohnheit, dass man nicht mehr genau weiß, wann das eigentlich alles angefangen hat.

Unser Pizza-Meister Mario hat in München 1960 angefangen. Drei Generationen meiner Familie haben bei ihm alle Varianten, des Teig-Fladens schätzen gelernt.

Es heißt immer, dass die ersten Pizzerie wegen der italienischen Gastarbeiter entstanden. Das kann kaum sein, denn in Würzburg gibt es seit 1952 immer noch die erste Pizzeria Deutschlands. Ich denke, es ist vielmehr so gewesen, dass der Reise-Boom des Wirtschaftswunders für den Siegeszug der italienischen Gastronomie bei uns gesorgt hat. Sonst hätte es doch die Geschmacksverirrungen mit den in Bast gehüllten sogenannten Chianti-Flaschen, die von Kerzen betropft wurden, gar nicht geben können.  Am Gardasee ging das schon los mit diesen Flaschen, und wenn man bedenkt, dass der Chianti Classico mit dem Gallo Nero als Gütesiegel heute in Bestform kaum mehr zu bezahlen ist, muss das ein ziemliches Zeug gewesen sein.

Dann bestimmten eben das süße Leben und das süße Nichtstun unsere italienischen Phantasien. Denn die zweite Italien-Hype hat Regisseur Federico Fellini 1960 mit seinem  einzigartigen SW-Film "La Dolce Vita" ausgelöst. Aber noch war da unser Italien-Bild mehr als mit Klischees behaftet. Das im gleichen Atemzug zur Lebens-Formel erkorene "süße Nichtstun", "Il Dolce Farniente"  als Redewendung hat übrigens kurioserweise den ältesten Ursprung  -  das war nämlich der Titel eines finnischen Gedichtes von Aaro Hallakoski, das jener bereits 1926 veröffentlicht hatte.

Italienische Gastronomie ist heute aus unserem Alltag in Deutschland nicht mehr weg zu denken. Sie hat mittlerweile einen gewissen Gourmet-Rang erklommen, der mit der realistischen Qualität der Darbietung kaum mehr etwas zu tun hat. Gäste werden gerne mit Handschlag und persönlichen Fragen begrüßt, als seien sie etwas Besonderes, aber deshalb wird gerne leichtfertig darüber hinweg gesehen, dass die Leistungen ohne das ganze Chichi kaum noch mehr als Durchschnitt erreichen.

Wenn meine italienischen Freunde nach Deutschland kommen, fallen sie immer wieder in Ohnmacht angesichts der Preise, die ihnen für kaum originäre Küche von ihren Landsleuten dort abverlangt werden.

Um es klar zu sagen: Auch hier ist das gute Essen nicht billig, aber die Zutaten sind frisch, und auch Ausfälle kann sich keiner leisten, denn wenn die Touris erst einmal wieder fort sind, übernehmen die Einheimischen das Kommando. Das häufige Verschwinden von einst angesagten Adressen kommt nicht von ungefähr.

Ich gehe in Deutschland nicht mehr zum "Italiener", und ich trinke auch keinen italienischen Wein. Das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern ist ein reines Rentner-Rechen-Exempel. Die Flasche Arneis, von gleicher Provenienz, die ich hier für 18 Euro zum Essen bestelle, kostet bei einem einst geschätzten In-Italiener in München das Dreifache. Nur mit dem Unterschied "casareccia" - also nach Tradition Gekochtest - wird hier nicht mit Gold aufgewogen, sondern muss geleistet werden, sonst ist der Ofen nämlich bald aus. In München höre ich die Ahs und Ohs der Schickimickis und denke mir: "Wenn ihr wüsstet."

Aber zurück zur Überschrift:
Mein herrlichstes  "Dolce Vita" hatte ich als Jugendlicher, wenn mir meine Mutter in Sant Angelo auf Ischia für den Abend im Ort 5000 Lire (damals etwa 20 DM)  in die Hand gedrückt hat, weil ich am Nachmittag fleißig gelernt hatte. Ich war ein lausiger, weil unendlich fauler Schüler und musste in den Ferien immer lernen. Also nix mit "Dolce Far Niente". Aber für 5000 Lire gab es eine Packung Nationale, eine Pizza und zwei Bier sowie zwei Capuccini in der Piano-Bar, wo meine Freunde - ein in Meisterklassen klassisch geschultes, französisches Geschwisterpaar - mit Gitarre und ramponiertem Klavier bis zum Morgengrauen schrägen Boogie machten.

15 Jahre später katapultierte mich das Schicksal beruflich in Etablissements, wo der 5000-Lire-Schein mindestens als Trinkgeld für einfachste Gefälligkeiten erwartet wurde. Da hatte er sich aber in der Wertigkeit bereits halbiert. Die teuersten italienischen Luxushotels und die grandiosest inszenierten Küchen-Opern in jenen Hochburgen des Dolce Vita konnten aber dieses Gefühl von einst nicht wirklich zurück bringen.

Erst, da ich das meiste ja hinter mir habe, erlebte ich vorgestern den schönsten Ferragosto als Teilzeit-Italiener: Das süße Leben ereilte mich am Nachmittag nämlich hier auf unserer kleinen Piazza, weil die beiden Musik-Professoren von Gegenüber ihre Fenster bei wehenden Vorhängen weit offen hatten und ihr Bestes in einem Modern Jazz- "Concerto Gratuito" gaben. Einen eiskalten Drink dazu, und bloß nix tun.  Einfach "Dolce Far Niente" eben...


Sonntag, 14. August 2016

Sommer-Zeit

Aus meiner Schreibstube schaue ich direkt auf die Sonnenuhr an der Burgmauer. Sie ist eine moderne Sonnenuhr, denn sie zeigt auch die Sommerzeit an. Diese nutzloseste aller behördlichen Verordnungen ist sogar einem zeitlos lebenden Menschen wie mir ein Dorn im Auge. Ich versuche jedes Jahr wieder, den Folgen der Umstellung zu entgehen, aber nach kurzer Zeit der Verwirrung gibt mir doch wieder mein Körper vor, dass er mit der Zeit-Umstellung nichts im Sinn hat. Also folge ich seinem Rhythmus und der ist auf die Normal-Zeit eingestellt: Gehe ich sonst nicht vor 1 Uhr nachts ins Bett, muss ich nun bis 2 Uhr warten, um einigermaßen in Morphens Arme zu gelangen. Ich schlafe dann mit Unterbrechungen bis 10 Uhr, und dem entsprechend nehme ich dann auch meine Medikamente.

Aber deshalb schreibe ich den heutigen Post ja nicht:
Gestern haben mich zwei Meldungen veranlasst, wieder einmal einen Text über die Zeit zu schreiben. - Und wie unterschiedlich unsere Wahrnehmungen im Laufe der Zeit werden.

Die erste betraf den Berliner Mauerbau vor 55 Jahren. Ich weiß noch genau, welche Angst wir alle hatten, als wir an einem Ostsee-Strand die ersten Bilder auf einem VW-Bus sahen, der die aktuelle Wochenschau zeigte. Wir waren ja nur ein paar Kilometer von der DDR entfernt, und waren sicher: Jetzt kommt der Dritte Weltkrieg. Da war ich gerademal 12. Trotzdem ist diese Erinnerung unauslöschlich und kann in Bildern abgerufen werden, als sei es gestern geschehen. Normalerweise ist das menschliche Gehirn ja so programmiert, dass es schöne erlebte Dinge vorrangig parat hat.

Damit komme ich zur zweiten Meldung: Die über den Grönland-Hai, der nach jüngsten Forschungen das Wirbeltier mit der höchsten Lebenserwartung ist. Der Meeres-Methusalem, der durch das eiskalte Wasser des Polar-Meers gleitet, kann bis zu 600 Jahre alt werden, und er wächst nur einen Zentimeter pro Jahr. Dass er erst mit 100 in die Pubertät kommt und geschlechtsreif wird, tut mir leid, ist aber bei den Wasser-Temperaturen wohl verständlich.

Mich würde brennend interessieren, ob sich ein ausgewachsener Grönland-Hai an sein erstes Sex-Erlebnis erinnert, dass dann ja bis zu  400 Jahre zurück läge. Denkt er:"Da war doch noch etwas..."
Oder hat er sogar alles parat, weil seinem Gefühl nach das Leben an ihm regelrecht vorbei rauscht. Das heißt, ihm 100 Jahre als glückliche Kindheit mit jeder Menge Krill zum Fressen vorkommt.

Und da sind wir gleich wieder bei Albert Einstein, der sagte, Zeit sei nur das, was wir auf der Uhr abläsen; der die von Menschen erfundene Zeit ja durch seine Theorie relativierte...

Also carpe diem liebe Leser! Wie lange er von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auch dauern mag...

Donnerstag, 11. August 2016

Sterne sind mir nicht Schnuppe

Wieder verpasst! Die Nacht von San Lorenzo (auch ein sehenswerter Film der Brüder Taviani) habe ich wieder einmal verpasst, denn über dem Talkessel hatte sich ein Gewitter festgesetzt. In der Nacht von San Lorenzo beginnt es hier nämlich Sterne vom Himmel zu regnen. Auf die Perseiden ist  sonst wegen der klaren Sicht immer Verlass.

Wollte einer dem alten Aberglauben frönen, sich bei jeder gesichteten Sternschnuppe etwas zu wünschen, käme er aus dem Wünschen gar nicht mehr heraus. So dicht aufeinander dringen die Meteoriten in unsere Atmosphäre ein. Ginge nur die Hälfte der Wünsche in Erfüllung, gäbe es mehr Menschen die wunschlos glücklich sind.

Bin ich wunschlos glücklich? Für mich alleine sollte ich es sein, aber da sind alle die, um die ich mich sorge und denen meine Wünsche dann gelten. Denn ich agnostischer Depp wünsche mir natürlich auch bei jeder Schnuppe etwas. Einfach weil es ein gutes Gefühl vermittelt. Und dann ist da natürlich San Lorenzo, mit dem mich der Zufall so oft verbindet:

Laurentio di Roma, der einzige heilig
 gesprochene Diakon, ist auch
der Schutzpatron aller Freizeit-Griller 
Laurentius von Rom, der am 10. August 258 in Rom als Märtyrer im Autodafe starb, wurde zum Schutzheiligen aller, die mit offenem Feuer hantieren müssen, aber auch für Winzer und Köche, zu denen ich mich bekannter Maßen hingezogen fühle. Mein kleiner Fischkutter liegt in San Lorenzo al Mare direkt unter der sehenswerten Kirche, die den Namen des "Heiligen mit dem Rost" trägt.

Und einen kurzen Fußmarsch unterhalb unseres Borgos liegt die Wallfahrtskirche San Lorenzo in Horto. Ein zugegeben magischer Ort, dem die Einheimischen mit einer Festa sui Prati huldigen. Die ausländischen Burg-Bewohner verabreden sich dort jeden Ostersonntag zum Osterfeuer und geselligem Beisammensein. Gläubig oder nicht. Das schmucklose, verlassen wirkende Gotteshaus ist in der übrigen Zeit aber auch voller Leben für allerlei Geschöpfe des Himmels: Als Nistplatz, Schutz-Höhle oder durch die romantische Dorfjugend, die sich dort beim Licht der Glühwürmchen ein Stelldichein gibt.

Übrigens, an den Abenden darauf habe ich genug Sternschnuppen gesehen, um meinen Lieben das Leben durch Wünsche zu erleichtern. - Auch ich werde mir einen Irdischen erfüllen: Es wird Zeit, dass ich mir die fabelhafte App herunter lade, damit ich mit meinem Tablet  GPS gestützt endlich die Sterne am Himmel über mir näher bestimmen kann. Denn Sterne sind mir eben gar nicht schnuppe.

Ach, dieser Wortwitz passt eigentlich nicht. Diese verächtliche Redewendung hat nichts mit Astronomie zu tun, sondern stammt aus dem Alt-Deutschen, in dem die Schnuppe die Kerze mit ausgebranntem Docht bezeichnete. Die war dann eben bis zur Wiederverwendung des Wachses zu nichts mehr nutze...

Dienstag, 9. August 2016

Nachts, wenn sich der Nöck Notizen macht

Der Nöck auf dem Trockenen: Polaroid-Übermalung
aus der Serie "Digitally Your's"
Statt Obelix passte der Spitzname Nöck viel besser zu mir. Das Wasser - als im Sternzeichen Fische Geborener - war immer mein Element in all seinen Aggregats-Formen. Heuer sitze ich leider durch diverse Malaisen komplett auf dem Trockenen.

Der launische Nöck entspricht auch mehr meiner wetterwendischen Wesensart und meinem Tagesrhythmus, weil ich ein nächtlicher Unruhe-Geist bin.

Im Juli und August müssen mich meine Nachbarn zu Recht für recht verschroben halten, weil ich das Haus nur zweimal pro Woche verlasse.

Im Haus bin ich jedoch recht aktiv und ich genieße die Freiheit mit schweißglitschiger Haut nackt herum zu geistern. Während meine Frau in ihren Träumen wohl ordentlich Spaß hat - sie lacht, redet und singt auch manchmal im Schlaf - werde ich seit Kindesbeinen von schrecklichen Alpträumen heimgesucht. Wenn ich gar nicht mehr herunter komme, stehe ich auf und verwandele mich eben in den Nöck, bis der Puls wieder herunter kommt.

Da das seit jeher meine kreativsten Momente sind, habe ich - als ich meine Familie damit noch ernähren musste - meist nachts geschrieben. Aber meinem Leitsatz von Friedrich Nietzsche kann ich erst richtig folgen, seit ich Blogger bin. Vermutlich bin ich einer der wenigen Autoren, die nichts von ihrem kommerziellen Zeug je aufgehoben oder gar gesammelt haben. Das haben andere für mich getan, wie ich immer wieder im Internet feststellen muss.

Zu schreiben, damit ich im Alter Spaß daran habe, wie Nietzsche das empfiehlt, ist mein Antrieb für die Blogs.  Dass mir bei dieser Selbstsüchtigkeit Leser folgen, ist mir Belohnung genug.

Aber mal ehrlich! Was hätte ein großer Geist wie Nietzsche die Welt mit Aphorismen versorgen können, hätte er schon ein Tablet und Internet gehabt wie ich. Da sitze ich auf der Terrasse in Dunklen unter dem hier einzigartigen Sternen-Himmel und lasse meinen Gedanken freien Lauf, mache mir Notizen, bis ich müde bin. Beschienen vom Display, das den Nöck-Appeal durch seinen Widerschein erst richtig erzeugt.

Und wenn mir in The Heat of The Night gar nichts einfällt, schreibe ich halt so einen Stuss wie heute...

Sonntag, 7. August 2016

Mein Olympia-Boykott

Mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, wie viele Stunden meines endlichen Lebens ich vor der Glotze verbracht habe, um  - teils aus beruflichen Gründen, teils aus echter Begeisterung - Übertragungen von sportlichen Großveranstaltungen anzuschauen. Damit ist jetzt Schluss!

Diesmal verweigere ich mich, nicht weil ich erst jetzt die Doping-Thematik für mich entdeckt habe, sondern weil ich das Verhalten der beiden Deutschen in den Spitzen-Positionen des internationalen Sports nicht mehr nachvollziehen kann. Gut, der Karrierist und CSU-Netzwerker Alfons Hörmann ist noch zu jung, um sich erinnern zu können, aber Dr. Thomas Bach, der Fecht-Olympiasieger, war Athleten-Sprecher zu einer Zeit, als die Freiburger Sportmedizin unter professoraler Führung alles auf Leistung spritzte, was nicht bei drei über der Latte, am Zielband oder sonst wo im Finish war.

Als ganz junger Sportreporter bei einer großen Illustrierten bekam ich die Allmacht des Doping-Netzwerkes, das von schwäbischen Spitzen-Politikern unterstützt wurde, unmittelbar und Furcht einflößend zu spüren. Eine ehemals geschmeidige und erfolgreiche Athletin, kam in den 1970ern auf einmal erstaunlich muskelbepackt daher. In die Enge getrieben, versprach sie vor laufender Kamera eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, dass sie nicht gedopt hätte.

Was die verbotenen Mittel anging, hätte sie den schwören können, wäre da nicht der Grundsatz:
Alle Leistungssteigerungen, die auf unphysiolgischem  Wege erzielt werden, gelten als Doping.
Die Athletin - fand ich heraus - verwendete aber von einem Verhütungs-Preparat, das Gewicht-Zunahme als Begleiterscheinung hatte, die vierfache Dosis, um daraus im Kraftraum schnelleren Muskel-Zuwachs zu erzielen. Als ich das schreiben wollte, kam eine Ketten-Reaktion in Gang.
Der behandelnde Professor drohte mir mit dem Bundespresserat, ein Politiker rief
einen Freund des Verlegers an, jener wurde von seiner Rechtsabteilung gewarnt. Letztlich wurde aus meinem Beitrag eine Art harmlose Glosse mit dem Titel "Streit um Evas Bart".

Immer noch frech genug, dass der mit jener Athletin trainierende US-Olympionike und Silbermedaillen-Gewinner im Diskus von 1984 auf dem Trainings-Gelände vom TSV München Ost mir Prügel androhte. Wir waren in etwa gleich alt und von gleicher Gewichtsklasse, aber ich hatte gerade mein sehr erfolgreiches Karate-Buch mit Gilbert Gruss veröffentlicht. Also hatte ich keine Angst und das zeigte ich ihm. Es wäre allerdings meine erste nicht sportlich bedingte, körperliche Auseinandersetzung gewesen...

Die Jahre gingen dahin, und die Methoden, sich Leistungszuwachs zu verschaffen wurden immer diffizieler, aber auch effektiver. Blutdoping: Mit in der Höhe antrainierten roten Blutkörperchen wurde dem Athleten zwecks erhöhtem Sauerstoff-Umsatz vor dem Wettkampf eine Infusion von in der Höhe entnommenem Eigenblut gelegt. Elektroden-Doping: Mit elektrischen Stromschlägen wurden die Muskeln so gereizt, dass sie einen Trainings-Effekt selbst im Schlaf erzielten. Alles wurde verboten - aber immer erst, wenn es aufgedeckt wurde. Heute sind teure Trainings-Tunnel, in denen gleiche Effekte erzielt werden, völlig legal.

Dann setzten die "Sport-Mediziner" wieder verstärkt auf unsichtbare Helfer aus der Chemie. Die Liste wird jedes Jahr länger, und meistens kommen die Athleten - vor allem im Rad-Sport und der Ausdauer-Athletik - ungeschoren davon. Denn Sport, gerade olympischer, ist Big-Business und vor allen schmälernden Einflüssen zu schützen. Dabei sind die ehernen Prinzipien eines Coubertins eher hinderlich.

Hat sich denn niemand gewundert, wieso zwei Radler aus der damals ja nicht unbedingt zu den Radsport-Nationen zählenden USA auf einmal die Tour de France gewannen? Und das nach Hoden-Krebs und schweren Schussverletzungen!

Je reicher ein Land, desto besser sein Doping. Rekonvaleszenz-Mittel auf Basis der "freien Radikalen"verhindern nicht nur Schmerzen, sondern bringen einen auch kräftig zurück in die Spur. Das durfte aber keine Entschuldigung für Jan Ulrich gewesen sein, dessen Entlarvung als Betrüger mein Fan-Dasein auf einen Schlag beendete.

Zum Abschluss eine Geschichte, die ein Australischer WADA(Worl Anti Doping Agency)-Experte gerne zum Thema "genetisch bedingte Blutwerte" erzählt:

"Wir haben einmal eine Athletin mit erhöhten Werten erwischt, die glaubhaft versichern konnte, dass die Anomalie genetisch bedingt sei. In den folgenden Jahren wurden jene Grenzwerte offiziell aber weiter gesenkt. Die Athletin schnitt jedesmal knapp unterhalb ab. Komische Gene. Es dauerte bis Sotschi als man sie trotz der später aufgedeckten russischen Manipulationen endgültig ausschließen konnte..."

Donnerstag, 4. August 2016

Toter Briefkasten

Keine Bange! Ich wechsle heute nicht in die Spionage-Szene. Vielmehr wird dies wieder einmal ein  Abgesang auf "die gute, alte Zeit":

Kleines Gedicht gefällig?

Der rote Freund ist für immer fort.
Abmontiert und gleich zum Transport.
Damit die Alten nicht lange trauern,
Verschwand er im Morgengrauern.
Nun erinnert nur noch ein Schild daran
Mit einem erbleichten Hörer drauf.
Dass die Zeit  der guten alten Post verrann.
Im Daten-Rausch gab man ihn auf:
Den Dienst am Bürger in den Bergen.
Liegen ja eh bald in ihren Särgen.
Die Jungen simsen und e-mailen doch.
Wer braucht denn da den Roten noch?


Dass ausgerechnet ich den Schwanen-Gesang auf unseren Briefkasten im Tor-Bogen verfasse, ist ja eigentlich Hohn, weil ich mit meinem Internet-Antrag das Broadband-Zeitalter hier oben eröffnet habe, und so viele Gäste nach meinen Einlog-Daten fragen, dass ich sie zur Sicherheit ständig ändern muss. Was bei meinem immer matschiger werdenden Hirn eine ziemliche Herausforderung ist.

Ich war nie ein begeisterter Postkarten-Schreiber, aber meine Frau ist es noch. Sie bedauert sehr, dass die Smart-Phones die Ansichtskarten-Produktion am Meer quasi völlig zum Erliegen gebracht hat. Es gibt an den einschlägigen Ständen unten am Hafen nur noch Witz-Postkarten. Früher hatte jeder die Auswahl zwischen historischen und dekorativen ligurischen Szenen; tempi passati!

Aber die Späßchen, die wir uns mit dem 15 Meter entfernten Postkasten machten, vermissen wir doch. Mal sagen, 'ich geh nur schnell zur Post', und dann den ganzen Abend allein bei Nachbarn abzuhängen, hatte genauso wenig Wirkung wie 'Meine Beine tun so weh. Kannst du mal schnell die Post wegbringen?'

Da gleichzeitig die Post-Stelle im Capo Luogo ihren Dienst auf nur drei Halbtage beschränkt hat, heißt es meist, für die in Italien so beliebten Post-Überweisungen ins Tal hinunter zu fahren.

Aber unsere nette Postina mit der Pumuckl-Frisur schnauft immer noch die Gassen hinauf und begrüßt alle mit ihren Vornamen.
Wie lange noch? Denn sie fragt immer, ob sie Briefe mit hinunter nehmen soll. Was für ein persönlicher Service der Poste Italiane...

Montag, 1. August 2016

Die Hochzeit meiner besten Freundin

Können Männer und Frauen "nur" echt befreundet sein? Petronella und ich sind das seit 16 Jahren. Sie stand mir bei dem Hauskauf hier bei. Ich konnte ihr Halt in desperaten Lebenssituationen geben, war Sitter für ihren mittlerweile volljährigen Sebastiano und war glücklich, als Marcellino in ihr Leben trat, weil auch zwischen uns eine echte Männer-Freundschaft entstand...

Seit dem Wochenende sind die beiden verheiratet. Müsste ich eine Überschrift für die Feierlichkeiten finden, sie lautete. "Zwischen Hipster und Hollywood".

Die eigentliche Eheschließung fand ja hier in unserem Palazzo Comunale statt. Ich hätte gewarnt sein sollen, denn als Dress-Code war casual angesagt. Ehrlich gesagt, in grauen Jeans und roter Lederweste kam ich mir echt overdressed vor. Gene, Petronellas Bruder aus Seattle, und Marcellino trugen Bermudashorts und Polohemden. An den Füßen hatten sie Badelatschen, als gingen sie zum Strand. Petronella kann ohnehin anziehen, was sie will und sieht immer süß aus. Doch Jeans und Babydoll-Bluse zum Standesamt?

Der allzeit für ihre bissigen Bemerkungen bekannten Dottoressa Theodora von der Gemeinde blieb sichtbar bei unserem Anblick die Stimme weg, und Thomaso, der Standesbeamte erhängte sich fast an der Krawatte, die er gerade noch überstreifen wollte. In der Hast verkrumpelte er auch  noch seine offizielle Trecolore-Schärpe.

Wir waren nur zu fünft, aber lachten und machten Krach für fünfzig. Thomaso konnte sich kaum auf die offiziellen Worte konzentrieren, weil jedesmal wenn Marcellinos Name fiel, der kleine Steuerberater sich zum Spaß auf und davon machen wollte. Pech, dass er einen so großen und dicken Trauzeugen ausgewählt hatte. Ich ließ ihn nicht entkommen!

Als ich mich zu den Unterschriften über die Urkunden bückte, fasste mich Petronella von hinten an den Po, was ich natürlich sofort ihrem Bräutigam petzte. Schließlich lagen wir uns alle in den Armen und busselten einschließlich des Standesbeamten erleichtert alles ab, was uns in die Arme kam. Thomaso war auf dem Weg zu seinem Auto immer noch derart aus der Spur, dass er die Schärpe mitten auf der Straße verlor. Ein Motorino-Fahrer fuhr sie ihm hinterher.

Was für ein Kontrast am nächsten Abend: Eine alte Villa direkt gegenüber vom kuriosen Anwesen, dass der Berühmte Schweizer Clown Grock der Stadt, in der er gestorben ist, hinterlassen hat. Ein großer Oliven-Garten mit Zelten, eine Terrasse zum Tanzen, eine Terrasse mit den Speise-Tischen.


Da Petronella und Marcellino nicht wirklich gläubig sind, hatten sie sich für die amerikanische Variante, des Versprechens unter freiem Himmel entschieden. Ehrlich gesagt, es war die ergreifendste Zeremonie, die ich je erlebt habe. Vor allem weil Marcellinos Sohn Fernando und Sebastiano zweisprachig eine philosophische Betrachtung über Freundschaft, Partnerschaft und Liebe vortrugen.
Die vermischten italienischen und deutschen Verwandtschaften und Freunde  aus noch anderen Gegenden der Erde offenbarten ein europäisches Gesamtbild, von dem man nur träumen kann. Vor allem, weil sich die Teenager-Generation aus mehrsprachigen, bildschönen Menschen zusammensetzte. Da muss man doch Hoffnung haben dürfen...

Hollywood dauerte für uns von fünf Uhr nachmittags bis zwei Uhr nachts. Kaum zu fassen, wie schnell neun Stunden vorübergehen können, wenn alle so super drauf sind.  Und Essen une Getränke vom Feinsten serviert werden. Genes  von den Philippinen stammende Ehefrau Diane stellte als mehrfache Großmutter ganz nebenbei einen neuen Rekord im Dauer-Disco-Dance auf. Kein Wunder, dass sie Figur und Aussehen eine Dreißigjährigen hat.