Samstag, 29. April 2017

Ein bisschen Frieden

Gestern - als ich mit dem Morgen-Kaffee auf der Piazza ein paar der Sonnenstrahlen einzufangen hoffte - kam die Seelen-Sammlerin die Stufen von der Gasse hoch. Sie ist ja immer auf dem Pfad sanfter Bekehrungen.

Im laufe der Jahre sind ihre Augen leider immer schlechter geworden. Und so deutete sie das zusammen gesunkene auf den Boden Starren wohl als Traurigkeit. Das Smartphone zwischen meinen Knien übersah sie dabei. Ich war eifrig am Telegram-Chatten mit meinem arbeitsamen Sohn.

"Was suchst du?" fragt sie.
Sollte ich ihr den kompliziert zu übersetzenden Vorgang meiner Daten gestützten Unterhaltung erklären?
"Ich suche ein bisschen Frieden."
"Den findest du nicht hier unten. Da musst du dich an Il Signore wenden."
Wenn sie den Namen des Herrn ausspricht, hat sie dabei immer eine so herrlich zum Himmel deutende Geste.
Unwillkürlich schaute ich auch hinauf, aber konnte nichts als wieder heranziehende, graue Wolken erkennen.

Als sie mit dem schweren Wasser-Eimer an ihrer Unterarm-Prothese hängend von der Fontana wieder hinunter gegangen war, hatte sie eine Lawine von Gedanken ausgelöst:
Wieso die Signora, die im frischen Frieden nach dem zweiten Weltkrieg beim Spielen mit einer Handgranate den rechten Arm bis zum Ellenbogen und einen Teil ihrer Sehkraft verlor, so fest an ihren Gott glaubt - zum Beispiel. Verdammt zu einem Leben als ewige Jungfrau? Aber ein Herz so groß wie der Petersdom. Ja, irgendwie ist das Beneidenswert.

Und in der Stimmung tat ich auch gleich Abbitte. Bei Nicole, die 1982 mit ihrem Song "Ein bisschen Frieden" den ESC gewann, und bei Komponist Ralph Siegel und Texter Dr. Bernd Meinunger. Die beiden Letzteren gehörten damals zu unserem Bekannten-Kreis, und bei einem privaten Abend-Essen glaubte der größte Fettnäpfchen-Treter aller Zeiten, er könne sich über den Text lustig machen.

Ein bisschen Frieden, sei so wie ein wenig schwanger, meinte ich. Heute weiß ich, der Text war der permanenten Bedrohung durch die Situation zwischen Ost und West geschuldet, und spiegelte die Sehnsucht vieler Menschen wider. Was letztlich den Erfolg ausmachte.

Vor der Jetzt-Welt, in der viele Kriege auf einmal stattfinden, bin ich ja quasi auch hierher "geflohen". Die Nachrichten-Lage des vergangenen, halben Jahres hat mich schier erdrückt in meiner Hilflosigkeit. Und nun sprach ich etwas aus, was ich einst selbst erheblich infrage stellte... Der totale Frieden scheint bis auf weiteres außer Reichweite. Also suchen wir:

Un 'po di pace!

Mittwoch, 26. April 2017

Was für ein schönes Foto

Ich erinnere mich gar nicht mehr gern an die Zeit, in der ich mit 15 Kilo Kameras um die Welt gehetzt bin. Hier auf der Burg verstaubt die letzte bereits digitale Ausrüstung samt einer halbwegs aktuellen Video-Handycam.

Ich habe kurz vor der Abreise ein neues Smartphone bekommen. Das kann bereits alles in einem. Und noch mehr. Eine Super Torch  erhellt die gesamte Piazza, so dass ich keinen Blitz brauche, und Videos keinen Bewegungsschleier mehr haben. Für den Hausgebrauch im Alter ist das mehr als ausreichend.

Natürlich setzten unsere Lieblings Nachbarn Paula unď Paul noch eins drauf. Sie haben für ihre viel schickeren Teile auch noch einen Europa weiten Universal WLAN, weil sie ja mehr - familiär bedingt  - in Europa herum reisen als wir. Vorbei sind also die Zeiten in denen Opa, Oma, Töchter, Schwiegersöhne und Enkel wie die Orgelpfeifen auf der gegenüber liegenden  Treppe aufgereiht  saßen, um Verbindung zu unserem Haus-WLAN zu erlangen.


Paul, auf die 80 zugehend,  hat durch die Einfachheit seinen Spaß am Fotografieren zurückgewonnen und macht Super-Fotos, die jeder ein paar Sekunden später auf seinem Smarty hat.

Da hatten die ersten Wiedersehens-Tage auf dem Piazza-Stern neben dem erhöhten Alkoholspiegel gleich noch einen weiteren Unterhaltungswert. Zumal gestern ja auch noch Nationalfeiertag war und einige italienischen Nachbarn den Kreis erweiterten.

Von wegen Tag der Befreiung von den Deutschen.
Übrigens,ein so schönes Foto von Paula und der fürsorglichsten aller meiner Ehefrauen hatte ich auch noch nie.

So, das war der erste Post vom Tablet. Eine schwere  Geburt bei meinen klobigen Fingern.

Inzwischen habe ich den Computer-Fehler selbst beseitigt und blicke wieder optimistisch auf die nächsten Briefe

Montag, 24. April 2017

Der Brotbeutel

Von allen Gleichnissen meiner Jugend ist mir kurioser Weise auch die Geschichte vom schlauen Träger einer Karawane in Erinnerung geblieben. Der griff sich stets den voluninösen Brotbeutel freiwillig, während die anderen Träger möglichst die leichtesten Lasten schultern wollten.

Am Ende der Reise hatte er daher die leichteste Last, weil ja täglich ein Teil des Brotes verzehrt wurde...

Leider muss ich gestehen, dass ich dem Lasten Tragen bis heute nicht richtig beikomme. Gestern haben wir wieder Zeug auf die Burg geschleppt. Und das war bei  weitem noch nicht alles gewesen. Seit wir die Wohnorte zweimal pro Jahr wechseln, verfolgen wir den Traum von einst - nämlich nur mit einem Täschchen hin und her zu reisen, weil ja jeweils vor Ort alles vorhanden ist.

Aber auch hier erwischt uns der Klimawandel. Denn der Mai ist nicht mehr wie einst. Ligurien empfing uns mit bedecktem Himmel und eisiger Kälte. Wir mussten sofort die Heizung anwerfen, um uns willkommen zu fühlen. Auf der Piazza vorm Haus war es zunächst tatsächlich wärmer, und wir hörten mit klapperndem Gebiss zu, wie unsere Nachbarn von der alljährlichen Oster-Party der Burg-Geister im Horto San Lorenzo schwärmten - bei Sommer-Temperaturen unter azurblauem Himmel...

Also machen wir nun die Burg mit dicken Wintersachen wieder bewohnbar und geraten wenigstens dabei ins Schwitzen.

Mein Bild: Das Ende einer Karawane (Oil on Canvas)
enthält eine traurige Botschaft. Die Höcker der Kamele sind flach
 und sie tragen keine Lasten mehr Der Karawanen-Führer
 hängt sich an den Schwanz des letzten Kamels
 und lässt sich in der Hoffnung ziehen, dass seine Tiere die Orientierung wieder erlangen...
Aber was beschwere ich mich?!  Das frostkalte Schlafzimmer ist gut für die Zweisamkeit unter der Bett-Decke. Lange nicht mehr so gut und mollig geschlafen.