Dienstag, 30. Mai 2017

In ganz neuem Licht

Wenn häufiger Bedienstete der Gemeinde auftreten, dann ist dies untrüglich auch ein Zeichen für das Herannahen der Ferien- und Vermietungs-Saison. Also keine Maßnahme, durch gute Taten, den für heute seit Urzeiten angekündigten Welt-Untergang doch noch abzuwenden...

Gestern waren gleich zwei Stadt-Gärtner und zwei Elektriker auf der Piazza. Erstere haben mit einem unfassbar lauten Zweitakt-"Laub"-Bläser den Staub und die welken Blätter von einer Ecke der Piazza in die andere Gepustet und dabei auch unsere Eingangstür bedacht, wo die fürsorglichste aller Ehefrauen dann leise fluchend nachbessern musste...

Bei den zwei Elektrikern, die mit langer Leiter anreisten, wurde unsere Aufmerksamkeit schon eher belohnt. Zuerst entfernten sie von den Laternen die Scheiben, dann drehten sie die riesigen weißen Bollermänner raus, die für zwei Jahre die Piazza in unangenehm helles und weißes Licht getaucht hatten. Uns schwante böses, denn es wurden die Scheiben nicht wieder eingepasst, sondern kleine, wie Halogen-Lampen aussehende Spar-Elemente hinein geschraubt.

Bis zur Dunkelheit muss man Ende Mai ja lange warten. Aber dann - sehe und staune - tauchten die jetzt tagsüber hässlich aussehenden Lampen-Gerippe die Piazza in ein sehr romantisches Licht:

Sonntag, 28. Mai 2017

Trump L'Oeil

Ist mir doch wiedermal - anlässlich des G7-Gipfels im sizilianischen Taormina - ein angemessenes Wortspiel zu Donald dem Diktator eingefallen.

Er sieht nicht nur aus wie ein schlecht imitierender Präsidenten-Darsteller er dokumentiert auch ständig eine gefährliche Ahnungslosigkeit - jenseits der Wort-Hülsen, die ihm seine Berater in die Skripte schreiben. Bad, too bad Donald!
Das, was Sie als Fake bezeichnen, wird ja hochprozentig von Ihnen selbst verbreitet. Mr. Präsident!

In Anlehnung an die Geschichte der Malerei möchte ich Ihren Politik-Stil als Trump L'Oeil bezeichnen. Sie geben vor, prächtig zu sein, wie der Trompe L'Oeil-Stil, der einst in der Renaissance von Malern angewendet wurde, wenn die hochherrschaftlichen Auftraggeber einen Reichtum an Architektur vorgaben, den sie sich gar nicht leisten konnten.
Fake-Pracht im Inneren

Die Rotunde von San Giovanni
in Pieve di Teco

Passt gut zu den 20 Billionen USD Staatsschulden, die Sie vor sich her tragen. Aber das sind Sie ja auch privat gewohnt. Dankbar müssen wir sein, dass die übrigen G6 nun enger zusammen rücken.

Mehr sein als Schein, das waren wohl auch die Beweggründe, die zum "Augen Täuschen" der Künstler führten. Allerdings waren es nicht die Franzosen, sondern schon lange vorher die Bürger des alten Pompei, wie man heute noch fragmentarisch bestaunen kann. Auch da folgte der Fall (von Lava-Asche) auf den Hochmut.

Heute gibt es von Mailand bis Manila zahlreiche, ausgefeilte sakrale Meisterwerke zu bestaunen. Die an Stuck so reichen Schnörkeleien des Barock wären mitunter auch viel zu teuer geworden.
San Satiro Milano

Hier im Rund von ein bis zwei Stunden Autofahrt gibt es schöne Beispiele: Die Rotunde von San Giovanni in Peve di Teco (ich schrieb schon drüber). Mein spezieller Liebling ist jedoch Sainte Rita in der Altstadt von Nizza.
Sainte Rita bei Tageslicht offenbart ein
Meisterwerk an Perspektive
Wenn im Sommer die rundum geöffneten langen Wochenenden in Vieux Nice beginnen, kann es passieren, dass der Nachtschwärmer in Sainte Rita bei einem Mitternachts-Oratorium das Echte nicht mehr vom Getäuschten unterscheiden kann

Das jedenfalls  ist allemal besser als die tägliche Überdosis Trump L'Oeil...
Andrea Pozzo schuf das Trompe L'oeil
im Inneren der Universitätskirche
in Wien

Donnerstag, 25. Mai 2017

Tückische Nostalgie

Bekannte von mir verbringen die meiste Zeit ihres Urlaubs damit zu irgendwelchen historischen Plätzen zu reisen, um dort organisiert an Rollen-Spielen teilzunehmen. Sie sind nicht mehr ganz jung, aber sehr geschätzt, weil die Initiatoren dieser Art Tourismus meist noch zwischen dreißig und vierzig sind und ja glaubhafte, ältere Darsteller benötigen...

Befeuert wir diese Sehnsucht nach mittelalterlicher Stimmung weltweit auch von zahlreichen Musik-Gruppen, die Altsprachliches mit aufgepoppten Rhythmen und Melodien,  Zimbeln, Schalmeien, Maultrommeln sowie Tamburinen zum besten geben.

Faun
Schandmaul
Ich denke mir oft, dass unser Burgdorf hier ein idealer Platz wäre, um in Rollen zu schlüpfen, mit denen der Realität zu entkommen ist. Dank meines Sohnes habe ich in meiner Music-Cloud Kompositionen von Faun, Schandmaul sowie verschiedenen skandinavischen Gruppen, die sogar eine Art "Wikinger"-Musik erzeugen.


Villon
Wolfram
Wenn ich sie zu lange höre, nervt sie mich wegen ihrer "Gleichtönigkeit". Aber gerade an den stillen Abenden lasse ich beim Gang durch die Gassen hier, die Zeiten von Francois Villon, Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach auferstehen. Doch wer bei den alten Texten genau hinhört, der kann sich der Tatsache nicht verschließen, dass all das Verherrlichen von Minne, Heldenmut und schönen Maiden sowie Schlössern am Meer ja nur einer bestimmte Gruppe von Menschen vorbehalten war. Allenfalls bei Villon ahnt man etwas von dem revolutionären Geist, der drei Jahrhunderte später die Welt verändern würde.
Walther
Ich bin Franzose, was mich bitter kränkt,
geboren in Paris, das bei Pontoise liegt,
an einen klafterlangen Strick gehenkt,
und spür am Hals, wie schwer mein Hintern wiegt.
(verfasst zu seinem Todes-Urteil)

Ich habe leider das Untalent mir schöne Gefühle selbst zu zerstören. Wenn ich gerade mit Gänsehaut in die Zeit verschwinden möchte, in der die Fundamente unseres Hauses gelegt wurden, erinnere ich mich an eine ganz andere Gänsehaut.

Bei Heidelberg-Recherchen geriet ich abends auf der sogenannten Thingstätte in eine improvisierte Feier von Kahlgeschorenen in Bomberjacken mit vorgerecktem Kinn und Fackeln in der Hand. Sie standen nur lautlos da - ohne einen Laut oder gar Parolen von sich zu geben. Das war Mitte der 1980er. Die Jung-Nazis von damals sind heute mit aller Wahrscheinlichkeit Alt-Nazis, die ihre politischen Absurditäten hinter heroischen, volkserhaltenden "Taten" verstecken.

Romantische Darstellungen regen seit jeher unseren genetisch bedingten Hang zur Nostalgie an. Das ist gut so, solange unsere Phantasien nicht manipuliert werden...

Sieht alt und heroisch aus,
wurde aber von den Nazis erbaut:
Die Thingstätte zu Heidelbert

Montag, 22. Mai 2017

Standhaft gut!

Restaurant-Empfehlungen sind immer problematisch. Und wenn ein Etablissement im Trip-Advisor die Höchstpunktzahl erreicht, bin ich gleich doppelt kritisch, denn ich kenne einige Restaurants, bei denen ich solche Bewertungen nicht verstehe. Dabei bin ich sehr wohl in der Lage, von verschiedensten Qualitäts- und Anspruchs-Plattformen zu urteilen.

Wenn ein Restaurant jedoch den Besuch der nervigen Sarah Wiener sowie die dann folgenden Busladungen von Followern überlebt und dabei noch besser wird, dann verdient das Respekt.

Vor einem Jahr haben wir auf der herrlich eingewachsenen Terrasse der Trattoria dalla Etta in Lucinasco zu Abend gegessen. Da war die Speisen-Folge gut, aber nicht spektakulär. Gestern waren wir samt Enkel zum Mittag-Essen dort, und wurden von einer Nuova Cucina Ligure glatt aus den Schuhen geworfen. Das Restaurant war brechend voll und laut, die Kleinen saßen auf Hochstühlen und bekamen einen Probier-Teller vorgelegt, so dass sie lückenlos - wenn es ihnen schmeckte - mithalten konnten. Der Anderthalbjährige an unserem Tisch hat bei keiner der Speisen gepasst, sondern im Gegenteil mitunter mehr verlangt. Der Service trotz der Fülle und der langen Reihe von Speisen entspannt und zuvorkommend.

Hier die Abfolge:



1. Gang
Pecorino-Pudding mit einer Erbsen-Mousseline
 2.  Gang
Soufflé mit leichter Lauchfüllung
 3. Gang
Geröstel von Kicher-Erbsen-Polenta mit gegrillten Baby-Auberginen und sanftem Tomaten-Püree
4. Gang
Mangold-Ravioli mit geschmorten Tomaten
5. Gang
Crepe mit Trombette-Füllung und heißem Pesto übergossen
6. Gang
Stockfisch-Ragout mit gehäuteten Paprika-Streifen  auf Anchovis-Creme

7. Gang
Perlhuhn-Frikassee mit Kaiser-Schoten
8. Gang
In Rotwein und Rosmarin gesottenes  Kaninchen
9. Gang
Gateau aus Himbeeren und Himbeer-Mark. Frische Erdbeeren auf einer Creme aus Mascarpone und Weißer Schokolade; dazu in Amaretto getränkte Teig-Blätter









Zum Abschluss "stylischer" Espresso mit Schnaps nach Wahl.







Alles zusammen für 30 Euro pro Person. Kleinkinder kosten nichts, aber dafür gehen Wein und Wasser extra...

Freitag, 19. Mai 2017

Teures Sandburgen-Bauen

Als wir unserem Enkel seinen ersten körperlichen Kontakt mit dem Meer bei Santo Stefano al Mare gönnen wollten, ging das fast nicht. Dabei sind die hinter Wellenbrechern geschützten Sand-Buchten der ideale Badespaß für ganze Familien. Aber bis vor kurzem war ja noch mehr oder weniger Winter.
Also haben die Strand-Pfleger der Kommune erst jetzt mit ihrer alljährlichen Sysiphos-Arbeit des Strand Aufschüttens begonnen. Riesige Sandhaufen blockierten den Zugang zum Meer.

Alle Jahre wieder muss der Mensch das herrichten, was die Natur den künstlichen Sandstränden mit ihren harten Winter-Stürmen abringt. Zu seinem Glück verschwindet das kostbare Gut nicht gänzlich im Meer, sondern wird von der Strömung brav in den nahe gelegenen Jachthäfen abgelagert. Des einen Freud, des anderen Leid.

Schwimmende Saugbagger pumpen die dann flacher gewordenen Hafenbecken leer und füllen damit Kipp-Laster, die den Strand dahin zurück transportieren, wo er ja eigentlich auch nicht hingehört.

Als ich als Kind fast jedes Jahr an der Cote war, waren alle Bade-Buchten - mit Ausnahme der von Nizza und Cannes - Steinstrände. Heute verlangt der Tourismus Sand, wo er eigentlich nie war. Das wird von Jahr zu Jahr ein teureres Vergnügen und wirkt sich auch auf die allgemeinen Preise jener Orte aus.

Bade-Sandalen sehen zwar komisch aus, erfüllen aber für Bade-Puristen ihren Zweck. Oneglia, der östliche Teil von Imperia hat seine Steinstrände bis zum Capo Berta Natur belassen. Das Wasser ist klarer und wilder - daher manchmal auch nicht ganz ungefährlich, weil es schneller steil hinein geht. Bei höherem Wellengang unterschätzen die Strand-Lagerer das bisweilen.

Wild, aber nicht ungefährlich.
Die Küste in Richtung Capo Berta




Die Strände von Porto Maurizio (siehe oben) bis hin zum Ortsteil Prino  im äußersten Westen der Stadt bestehen aus meist aufgeschütteten Sand. Es ist also für beide Geschmäcker gesorgt.


Aqua-Schuhe sind das beste
Mittel gegen Sandalen-Phobie

Dienstag, 16. Mai 2017

...Opa sein - noch mehr!

Was bleibt einem eigentlich von den ersten beiden Lebensjahren als Menschenskind?
Bei mir war das eine Reise zu den Großeltern in eine Bayrischen Markt-Gemeinde. Meinen Opa nahm ich dabei kaum wahr, umso mehr meine Großmutter, die mir erhalten blieb, bis wir von Hamburg nach München gezogen waren. Eine Schönheit und Grand Dame - bis zu einer Lungen-Entzündung, die sie als Greisin zurück ließ. Ich liebte sie sehr, und später überlegte ich tatsächlich, was das für eine Ehe geworden wäre, wenn der von mir heiß geliebte Vater meiner Mutter, die heiß geliebte Mutter meines Vaters geheiratet hätte. Sie wären für einander geschaffen gewesen.

Aber zurück zu meiner ersten großen Reise in einem Wander-Cabrio von reichen Freuden meiner Eltern. Ich erinnere mich bis heute an die Laub-Tunnel auf den Landstraßen mit dem flackernden Sonnenlicht. Ich erinnere mich an den Kontrast Großstadt-Landleben, und an das Trauma, das mir die Haushalts-Hilfe meiner Großeltern bescherte.
Sie war vom Hof nebenan und meinte, ich müsse unbedingt die Kühe im Stall sehen. Sie drückte mich an den üppigen Busen. - ja, anscheinend hatte ich auch schon  damals diesen prägenden Instinkt - und hielt mich riesigen schlabbernden Zungen und fauchenden Nasenlöchern entgegen. Bis zum Teenager-Alter hatte ich angst vor frei grasenden Kühen. Als ich alt genug war, um den männlichen Mut gegen die Ur-Angst einzusetzen, geriet ich in einen "Nachschlag". Als ich nämlich vorgetäuscht selbstbewusst auf eine Weide von nicht kastrierten Jungbullen geriet. Die Corrida überlebte ich zwar, aber Matador wollte ich dann doch nicht werden, obwohl mich  dann als Reporter später ein Andalusischer Stier-Züchter echt gegen einen Stier-Azubi mit Horn-Polstern antreten lassen wollte...

Also, es gibt ja im Deutschen den Spruch: Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr!
Wieso aber spricht  nie jemand von den Opas?

                                                                          Nach zwei Tagen mit meinem Enkel auf der Burg muss ich sagen: Einfach ist auch das Dasein eines Großvaters in schwierigem Umfeld nicht!


Denn mein Enkel scheint vor nichts angst zu haben.
Er kam auf eigenen Beinen (mit eineinhalb Jahren!) vom Parkplatz unten über die Treppen hinauf zur Piazza und hat nicht einen Moment gezögert, die alten Gemäuer, die ja nun wirklich nicht Kleinkind gerecht sind, zu seinem Abenteuer-Spielplatz zu machen. Er jagte sofort Kater Lazaro ums Karee hinterher, ohne die Orientierung zu verlieren , half seiner Großmutter beim Gießen der Blumen und winkte allen Nachbarn zu, die ihn von den Zinnen grüßten. Vielleicht ist er die nächste Generation hier oben, die den einzigartigen Borgo zu schätzen weiß...

Samstag, 13. Mai 2017

Eine Frage der Perspektive

Isabel Allende hätte hier viel zu schreiben. Mittlerweile wird "unsere" Piazza von nicht weniger als sechs Geisterhäusern eingerahmt. An unserer Anwesenheit liegt es nicht, denn fünf von denen standen schon leer, als wir in den Borgo zogen, und das sechste wird nicht fertig, weil die Eigentümer des ehemaligen Speichers (nun Ferienwohnung in spe) für die Treppe, die uns gehört,  nur ein "diretto di passagio" ( Begehungdrecht) haben, das sie uns durch hässliche Bretter-Verschläge  madig machen möchten. So ist das hier, wenn der Nachbar dem Frömmsten nicht das friedliche Leben gönnt.
Da hat der Schiller schon mal wieder recht gehabt.

Der 84jährige, der aus dem Fenster Stieg
und immer nonstop
vom Deutschen Norden
hierher düste, will nun doch verkaufen
Von einigen  der Geisterhäuser weiß ich Geschichten (im ganzen Borgo dürften es mehr als zwei Dutzend sein). Doch Vorsicht! Manche werden - wie hier üblich - in dramatischen Variationen geschildert und müssen doch nicht stimmen. Als Schreiberling suche ich mir natürlich die Knüller aus, selbst wenn es Fake-News sind. Die Eigentümer können oft nicht befragt werden, weil sie dem Anschein nach ein anderes Leben führen und die Hype um den Verkauf der Häuser um die Jahrtausend-Wende hier verpasst haben. Nach der Banken-Krise haben sich die Preise für "mittelalterliche Bruchbuden" deutlich relativiert. Und jetzt vor dem Platzen der kaum noch einzudämmenden Italienischen Immobilen-Blase stürzen die Erwartungen der Erb-Spekulanten ins Bodenlose... Welchen Häusern, die zum Teil in ihren Fundamenten aus dem 15. Jahrhundert stammen, wann die Stunde schlagen wird, bleibt also ungewiss...

Ein paar wenige wie Gianni, der immer noch so tut, als gehöre der riesige Besitz seiner Frau ihm, werkeln "Frei-Schichten" an diversen Objekten auf der schattigen Ost-Flanke des Borgos. Das wiederum aktivierte den mittlerweile auch nicht  mehr jungen, aber einst viel jüngerem Liebhaber der ehemaligen Gymnasial-Lehrerin. Für  eine lange Zeit vergessene Fasche unter dem Grundstück einer neuen Besitzerin fiel ihm ein, für deren bröckelige Stützmauer Regress zu verlangen. Doch die vermeintlich reiche Schweizerin in die Pflicht zu nehmen, dürfte nicht einfach werden. Da alle aus der alten Mauer "gefallenen", dekorativen Quader (siehe mein Manuskript "Luftschloss" auf "Der Burgschreiber") längst woanders verbaut worden sind. Pech für Daniello, dass die baumlange Schweizer Spitzen-Managerin auch noch fließend Italienisch spricht und von Berufs wegen weiß, dass derlei untergeordnete Rechtshändel beim bekannt rasanten Tempo der Italienischen Justiz, sogar die Jugendlichkeit dieser eidgenössischen Amazone bis zu deren Greisen-Alter überdauern wird.


Es ist eben alles immer eine Frage der Perspektive:
Der Kletter-Jasmin, der mich
jedes Frühjahr in meinem Büro
besuchte, ist tot, verstarb
an Wasser-Not
Wenn unser Musikprofessoren-Ehepaar zwecks Gartenpflege im Turiner Haus weilt, sind wir hier allein;  Deshalb "unsere" Piazza.
Bestlage mit Panorama-Blick auf den
Burgplatz und die Feste der Burggeister
an der Fontana
Und wenn sie da sind, freuen wir uns über die Live Stereo-mit beachtlicher Klasse: ihre jazzige Stimme von Alt bis Mezzo-Sopran und seine Fähigkeiten am Klavier. Da würden Musik-Liebhaber für ein Piazza-Konzert dieser Qualität hier auch freiwillig zahlen
Da Beweglichkeit und Kraft, die mich mein ganzes Leben angetrieben haben, sich leider die Tür zum Abschied in die Hand gegeben haben, genieße ich derzeit (hoffentlich!!!) die kurzen Wege zwischen meinen diversen Perspektiven. Das ist von jedem Sitzplatz ein neuer Augenschmaus.Wer sehen kann, bezieht die Kraft auch daraus.






Gekauft, ohne zu wissen, dass ein Brand
die Sandstein-Quader innen
unanstreichbar gemacht hat?
Kräftig ohne Bau-Genehmigung
gegen das Begehungs-Recht
gebaut. Seit Jahren aus
Sturheit Stillstand


Mittwoch, 10. Mai 2017

Haarspitzen-Kater

Den ganzen grauen Winter haben wir uns darüber Gedanken gemacht, ob wir uns nicht doch noch einmal einen Hund anschaffen sollten. Das wäre ein Anlass,gewesen, uns täglich hinaus und in die nahe gelegenen Parks zu begeben. Die Diskussion scheiterte auf emotionaler Ebene.
Wir neigen dazu, unsere tierischen Partner zu sehr ins Herz zu schließen. Der Grund wird Tierliebe genannt, ist aber Selbstzweck, weil wir in ihnen so viele menschliche Züge entdecken. Selbst der nordisch starre Thomas Mann musste ja über "Herr und Hund" schreiben.
Wir entwickeln wohl echte Liebe, während die Tiere dem Instinkt nach Nahrungs-Aufnahme folgen, und ihre Frauchen und Herrchen nach erfolgter Sättigung mit allerlei abgeguckten Handlungen belohnen.
Das zumindest versuche ich mir bei der Überlegung nach einem neuen Haustier immer einzureden.

Hier auf der Burg stellt sich die Frage gar nicht, weil wir ja den Leih-Kater Lazaro haben, der uns belagert, sobald er zum ersten Mal hört, wie sich der Schlüssel in unserer Haustür dreht.
Lazaro ist der Charles Bukowski unter den Katern. Wie der beliebte Schriftsteller einst, sieht er immer aus wie ein ungemachtes Bett und hat trotz seiner Zotteligkeit einen Schlag bei den Katzen-Damen. Selbst die Katzen-Allergikerin an meiner Seite ist ihm längst verfallen und echt enttäuscht, wenn er morgens nicht im Türrahmen platz nimmt, um auf sein Leckerli zu warten.

Sie ist die einzige Person außer Herrchen Vicenzo, der Lazaro Körper-Kontakt gestattet. Übrigens: Schon allein die Bezeichnung Herrchen oder Frauchen, zeigt ja, dass wir im Prinzip unseren Tieren untergeordnet sind.

Obwohl wir alte Gesprächspartner sind, schreckt er zunächst vor mir zurück, um sich dann auf Samtpfötchen auf etwa 30 Zentimeter heran zu wagen. Näher ist er mir nur, wenn er in meinem Schutz im Lorbeer neben der Bank schläft;  ein komischer Typ eben. Dass wir "unter Männern" sind, erkenne ich immer dann, wenn er mit seinen Ritualen  und intimsten Handlungen anfängt.

Bis vorgestern war ihm sein Winterfell noch willkommen, aber gestern wurde es zum ersten Mal richtig warm auf der Piazza. Vicenzo vertraut ihn in punkto Fell-Pflege dem natürlichen Ablauf an.
Sein einziges Zugeständnis ist ein Zecken-Halsband, und Katzen-Friseure gibt es nun mal im Borgo nicht. Es sei denn, Kater betrachtet die Piazza mit ihren versenkten Kieseln als große Massage-Bürste.

Trotz ihrer Allergie räumt die fürsorglichste aller Ehefrauen von nun an dem Kater seine Wollfetzen hinterher. Soviel zu Haus- oder Platz-Tieren...

Montag, 8. Mai 2017

Süße Bitternis














Komischer Anfang für eines meiner Rezepte, aber ich bin es ihm schuldig. Nicht nur, weil ich als Überschrift den Titel eines seiner Text-Bände gewählt habe, sondern vor allem, weil er in der Erinnerung an große deutsche Literaten nicht die Erstrangigkeit hat, die er eigentlich verdient. Er war ein kreativer Alleskönner, der jedes Genre mit einer Leichtigkeit bediente, die Hermann Hesse, Walther Kiaulehn und nahezu alle Kritiker seiner Aera zu Lobpreisungen veranlasste. Zeit, ihn wieder oder zumindest neu zu entdecken. Die Text-Sammlung "Süße Bitternis" von Ernst Penzoldt
wäre ein guter Beginn.

Sie fiel mir spontan ein, als ich diesen Tiepido Amaro zusammenstellte. Nicht nur die Homöopathie, sondern auch die Ernährungswissenschaftler schwärmen ja von der Heilsamkeit der sogenannten "Bitterstoffe", denen Blutreinigung, Cholesterin-Senkung und Wachstums-Vermeidung von Krebszellen nachgesagt wird. Nichts davon scheint mir bewiesen, deshalb konzentriere ich mich auf deren Lieferanten zu meinem lauwarmen Frühlings-Salat.




Zutaten für vier Personen:

Das Innere eines normalen Frisee-Kopfes.
Ein Bund Garten-Rauke - nicht das in Plastik verpackte Zeug, das im Supermarkt als Rucola angeboten wird!
Acht junge Artischocken. Hier gibt es zur Zeit die Stacheligen.
Vier kleine Radicchii Trevisiani (der langblättrige Radicchio zum Braten)
Vier mittelgroße, weich kochende Kartoffeln.
Spargelköpfe von einem Bund (Rest für eine Suppe).
Je nachdem ob vegan, vegetarisch oder Freestyle:  Vier gehackte, hart gekochte Eier oder Garnelen, oder gebratene Wachtel-Eier für Obendrauf.
Dazu wie immer reichlich natives Oliven-Öl, Süßsauren Balsamico oder leicht gesüßten Limondensaft sowie Petersilie und Estragon gezupft.

Zubereitung:

Kartoffeln und Artischocken vertragen sich gut im kochenden Wasser. Also zusammen in einen Topf mit reichlich Salz. Spätestens nach 45 Minuten Zupf- und Stichprobe machen. Vorsicht mit den Stacheln! Sie werden nicht weich. Dann Kartoffeln pellen und die Stachel-Blätter bis zum Hellgrünen abzupfen und zur Seite legen. Die Kartoffeln mit reichlich Limonen-S
aft, Pfeffer, Salz, Petersilie pürieren und unter Zugießen des Olivenöls so geschmeidig machen, dass ein zähflüssiges, goldgelbes Dressing ensteht.
Jetzt in einem tiefen Teller das Salat-Bett aus Frisee und Rauke sternförmig anlegen. Die oben sorgfältig von den Stacheln befreiten Artischocken halbiert dazu drapieren. (Manche Artischocken kommen mit Stiel auf den Markt. Den nicht wegwerfen, sondern nach dem Garen wie Spargel bis auf das Mark Schälen und in kleine Scheiben zu den Artischocken geben) Auch die Stachel-Blätter werden nicht fort geworfen, sondern das Hellgrüne von den Blättern unten mit einer Schere ebenfalls über die Hälften schnippeln. Dann den Trevisiano - vom Strunk befreit - samt den Spargel-Spitzen kurz in einer Pfanne mit Butter, Charlotten und ein wenig Knoblauch anschwitzen und über dem Angerichteten verteilen. Dann das lauwarme Kartoffel-Dressing über alles tröpfeln und nach Gusto mit Leckereien (wie oben angeregt) dekorieren







Buon Appetito!