Dienstag, 7. November 2017

Freunde?

In Zeiten der Net Communities scheint es besonders leicht Freundschaften zu schließen und auch zu pflegen. Aber genau so im Handumdrehen kann das herzlich Offenbarte in blanken Hass umschlagen. Der Begriff Freundschaft verliert dadurch an Wert und weicht einer Oberflächlichkeit, in der preisgegebene, tiefere Gefühle stets von einem gewissen Misstrauen begleitet werden müssten. Wer kann schon garantieren, auf welchem Daten-Müll sie einst landen...

Mein Vater war Oldschool. Er starb, bevor das Internet richtig im Fahrt kam. Aber er behütete lebenslange Freundschaften. Zwei-, dreimal im Jahr verschickte er stapelweise weltweit Ansichtskarten mit tollen Marken drauf, um die Freunde und Freundinnen auf dem neuesten Stand zu bringen und um natürlich auch Aktuelles von ihnen zu erfahren. Ich weiß nicht, ob er genauso viele Karten oder Briefe zurück bekommen hat, aber ich weiß eine rührende Geschichte:

Mit einem indischen Medizin-Studenten spielte er in Kiel während seines Jura-Studiums in einer Tischtennis-Mannschaft, die sogar Deutscher Meister wurde. Der Krieg riss sie auseinander, aber auch trotz aller späteren Unruhen auf dem Subkontinent hielten die beiden immer brieflich Kontakt.

Nach der Pensionierung Richtung Ostasien im VW-Bus unterwegs, machte meine Vater seinen alten Tischtennis-Kameraden in einem Nest in Zentral-Indien ausfindig wo der beliebte Doktor nun auch seinen Ruhestand genoss. Er machte gerade seinen Mittagsschlaf, als mein Vater dessen Hauspersonal bat, ihm das Wecken zu überlassen. Er tippte ihm sanft auf die Schulter, und im Moment des Erwachens erkannte er nach vierzig Jahren Trennung meinen Vater sofort.

Anderthalb Jahrzehnte später hielt sich der Doktor nach einer schweren Operation in München zur Genesung im Haus meiner Eltern auf, als mein Vater den Sekunden-Tod starb. Eine wahre Lebensfreundschaft!

Selbst im e-mail-Zeitalter wünschte ich diese Beharrlichkeit für mich. Aber Fakt ist, dass meine wirklichen Freunde entweder schon tot sind, oder wir durch charakterliche Veränderungen so weit auseinander gedriftet sind, dass ein erneuter Brückenschlag mir zu mühselig wäre. Zumal ich durch das halbjährliche  Dorfleben in Italien dem Sterben von Freunden viel näher bin als hier in der Großstadt und es einfach nicht ertragen kann.
Im Alter muss wahre Freundschaft spontan und
ohne "Klettverschluss"  sein

Allen Sprichwörtern zum Trotz werde ich immer mehr zu einer Insel, die sich mit Dämmen an Schutzbehauptungen gegen die Flut des Unvermeidlichen schützen will.

Mein Weg, Kontakt zu pflegen, sind meine Blogs, in der Hoffnung dadurch "Freunde" zu finden.  - So einseitig dies auch sein mag.

Selbst die alte Fußball-Forderung "11 Freunde müsst ihr sein" ist ja durch das Söldner-Wesen mit Transfers in Multimillionen Höhe eine Legende aus grauen Zeiten...